/ Roeser: Yves Diederich verwirklicht seinen Traum von solidarischer Landwirtschaft
Noch vor weniger als einem Jahr gab es hier nichts als ein brachliegendes Feld. Yves Diederich hat sich auf diesem Stück Land, das seine Großeltern einst als Bauern nutzten, einen besonderen Traum erfüllt und dafür seinen bisherigen Beruf und sein festes Gehalt aufgegeben: den Traum von solidarischer Landwirtschaft!
Noch bis vor gar nicht allzu langer Zeit arbeitete Yves Diederich für die APEMH in deren Anlagen in Bettingen. „Ich hatte dann das Glück, mir eine längere Auszeit gönnen zu können“, betont der zweifache Familienvater, der heute in Useldingen lebt, aber 1980 in Berchem geboren wurde, wo seine Großeltern ein landwirtschaftliches Anwesen betrieben.
Diederich wuchs im Roeserbann auf, besuchte die Grundschule in Berchem und anschließend die Ackerbauschule – das heutige „Lycée technique agricole“ – in Ettelbrück, wo er im Jahr 2000 seinen Abschluss als Techniker im Gartenbau gemacht hat. Zunächst arbeitete er dann als „Greenkeeper“ in Canach auf dem Golfplatz und später, während immerhin eines Jahrzehnts, als Geometer und technischer Zeichner in einem Ingenieursbüro.
Alles begann in Bettingen
Vor rund vier Jahren dann kam es zu einer Neuorientierung: „Ich hatte den Drang, wieder zurück in die Natur zu kommen, und arbeitete während knapp zwei Jahren im landwirtschaftlichen Betrieb der APEMH.“ Doch der mittlerweile 39-Jährigen hatte andere Pläne. Er konnte sich eine zweijährige Auszeit nehmen, die er dazu nutzte, eine Fortbildung in Bauernhofpädagogik zu machen und sich auch als Koordinator von Gemeinschaftsgärten ausbilden zu lassen.
Yves Diederich war anschließend gemeinsam mit weiteren Angehörigen der Vereinigung „Transition Dippach“ zuständig für die Gestaltung des dortigen Gemeinschaftsgartens „Schleekegaart“. Genauso wie dies nun auch in Berchem der Fall ist, wird dort auf Pestizide und sonstige Chemikalien verzichtet. Die Gartenparzellen werden nach dem Prinzip „No Dig Organic Gardening“ bewirtschaftet. Diese Methode, bei der gänzlich aufs Umgraben verzichtet wird, soll dazu beitragen, die Struktur und die natürlichen Mikroorganismen des Bodens zu erhalten.
Wöchentlich frisches Gemüse
Schließlich fasste er den Entschluss, auf Ländereien seiner Familie, die, nachdem die Großeltern ihren Ruhestand angetreten hatten, verpachtet worden waren, seinen eigenen Betrieb nach dem Prinzip der sozialen Landwirtschaft zu realisieren. Das Prinzip dabei ist, dass eine Gruppe von Verbrauchern auf lokaler Ebene mit einem Landwirt kooperiert. Gegen einen fixen finanziellen Beitrag – im konkreten Fall sind es 350 Euro pro Jahr – erhalten die Kunden jedes Jahr zwischen Mai und November wöchentlich eine Ration an Gemüse, saisonal und je nach Angebot.
Die Mitglieder können zu jeder Zeit selbst ernten oder aber gegen einen Zusatzbeitrag von 100 Euro auf bereits geerntetes Gemüse zurückgreifen. Bis zu 60 Gemüse- und Obstarten werden derzeit in Berchem angebaut, darunter auch exotische wie Melonen oder Chili – Letztere sogar in mehreren verschiedenen Sorten. „Die Diversität ist mir sehr wichtig“, erklärt Diederich, „allein was die Tomaten angeht, wo augenblicklich rund 600 Pflanzen heranreifen, habe ich 25 verschiedene Sorten hier.“
Derzeit bereits 70 Mitglieder
Bereits jetzt kann der Unternehmer auf die stolze Zahl von 70 Mitgliedern zurückblicken, obwohl das Ganze erst im vergangenen Herbst gestartet wurde. „Ich habe leider klimatologisch gesehen kein gutes Jahr zum Anfangen erwischt, bin aber dennoch mit der Entwicklung zufrieden.“ Eigentlich hatte er für das erste Jahr die Zahl von 100 Mitgliedern angepeilt, doch nun ist er froh darüber, dass es etwas weniger sind. Mangelnder Regen und Hitzewellen wie die derzeitige sind natürliche Feinde der Landwirtschaft.
Yves Diederich ist aber zuversichtlich, was die Zukunft seines Betriebs angeht: „Ich kann für dieses Jahr keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen. Wer möchte, kann sich aber in eine Warteliste fürs nächste eintragen.“ Nach und nach sollen weitere der jeweils 30 Mal 20 Meter großen Gartenflächen angebaut werden – insgesamt stehen 2,8 Hektar zur Verfügung, von denen derzeit nur ein Bruchteil bepflanzt ist.
Obstbäume, Schafe, Hühner
„Vum Gréis“ nennt sich sein Betrieb, so lautet auch der Flurname hier. Obwohl in einer ersten Phase fast nur Gemüse angepflanzt wird, hat Yves Diederich auch in die Zukunft investiert, indem er rund 50 Obstbäume – von Äpfeln und Birnen über Zwetschgen und Mirabellen bis hin zu Quitten – sowie etliche Beerenhecken angepflanzt hat. „Bis diese Früchte tragen, werden allerdings noch einige Jahre ins Land ziehen“, betont er.
Eine Handvoll Schafe haben auf „Vum Gréis“ inzwischen auch eine Heimat gefunden. Alles handzahme Tiere, die von Menschen aufgezogen wurden, weil die Muttertiere verstorben waren. Die Schafe arbeiten als eine Art lebende Rasenmäher und werden ebenfalls pädagogisch genutzt. Schließlich sollen nach und nach auch Schulkassen die Einrichtung in Berchem besuchen. Schon bald sollen ebenfalls Hühner hier anzutreffen sein. Auch sie werden eine Aufgabe haben, nämlich überschüssiges Gemüse zu vertilgen und als Gegenleistung Eier für die Mitglieder zu legen.
Eine 80-Stunden-Woche
Dass aller Anfang schwer ist, trifft auch auf solidarische Landwirtschaft zu. „Ich arbeite derzeit an rund 80 Stunden die Woche für meinen Betrieb“, erklärt Yves Diederich, „auch wenn es augenblicklich aufgrund der Hitzewelle etwas weniger sind.“ Er hofft übrigens, dass es die letzte für dieses Jahr ist, denn vieles, was angebaut wurde, leidet bereits unter dem mangelnden Regen und den extremen Temperaturen.
Darüber hinaus hofft er, im kommenden Jahr einen ersten Lehrling einstellen zu können. Zurzeit wird Yves Diederich bei seiner Arbeit lediglich von einer Freiwilligen unterstützt, die ihm an ein paar Nachmittagen zur Hilfe steht. Und das Arbeitsvolumen – jeder, der sich ein bisschen in Sachen Gartenbau auskennt, kann es sich gut vorstellen – ist enorm. „Trotzdem bin ich glücklich darüber, mir diesen Traum erfüllt zu haben!“
Kontakt
Mehr Informationen über „Vum Gréis“ gibt es auch unter facebook.com/vumgreis sowie auf www.vumgreis.lu. Für Fragen oder etwaige Anliegen ist Yves Diederich per E-Mail (yves.diederich@gmail.com) oder telefonisch (621 316 463) zu erreichen.
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