Analyse / „No bei dir“ katapultiert DP zum Wahlgewinn – LSAP rehabilitiert sich im Süden, CSV bleibt blass
DP heißt der große Gewinner der Gemeindewahlen in Luxemburg-Stadt. Das, was eigentlich schon vor den Wahlen feststand, hat der Wähler am Sonntag bestätigt. Schwieriger wird die Deutung der Resultate bei LSAP, CSV und „déi gréng“.
Die DP ist als einzige der vier großen Parteien in allen Proporzgemeinden mit Parteilisten angetreten. Damit war schon vor der Wahl klar, wer als Gewinner aus den Wahlen hervorgehen würde. Belohnt hat das der Wähler mit einem mächtigen Plus, das sonst keine Partei am Sonntagabend aufweisen konnte. Symbol des DP-Erfolgs: ein weiterer Sitz in Luxemburg-Stadt, in der die DP ihre Mehrheit souverän festigte. Insgesamt bedeutet das Wahlergebnis für die DP ein Zuwachs von mindestens 25 Gemeindemandaten auf nationaler Ebene – wobei die Anzahl der Gemeinderatsplätze allenfalls eine Tendenz aufzeigen kann.
Beachtlich ist jedoch, dass die DP bei der Anzahl der Listenstimmen zur LSAP aufschließen konnte – und den Wandel von einer rein wirtschaftsliberalen Partei zu einer Partei der Mitte vollzogen hat. Womöglich ein Plus im Wahlkampf: Vier Wahlversammlungen mit Premierminister Xavier Bettel, der sich getreu dem Parteimotto „no bei dir“ dem Wähler stellte. „Geschadet hat es nicht“, resümierte Xavier Bettel schelmisch grinsend am Wahlabend auch bei RTL. Xavier Bettel und Wahlkampf, das passt einfach.
Grüne Verluste
Und die Tendenz zeigt: Die CSV und die Grünen müssen als Verlierer der Wahl angesehen werden. Die Grünen verlieren mit 100.000 Listenstimmen weniger als noch 2017 mehr als zehn Gemeindemandate. Besonders schmerzhaft ist der Verlust des Bürgermeisterpostens in Differdingen, dessen Erhalt nach der „Gaardenhaischen“-Affäre allenfalls nur noch von den größten Optimisten in der Cité du Fer angestrebt wurde. Doch auch in Mamer oder Echternach, wo Christophe Origer vor wenigen Monaten öffentlichkeitswirksam von der CSV zu den Grünen wechselte, wurden die Grünen auf ihre (Oppositions-)Plätze verwiesen.
Für die Grünen war es beileibe kein einfacher Wahlkampf, der mit einer toten Katze auf einem Grünen-Wahlplakat in Echternach gipfelte. Alles Vorfälle, die in einer Demokratie keinen Platz haben. Der teilweise blinde Hass, der den Grünen entgegenschlug, scheint aber weniger in der lokalen als in der nationalen Politk seinen Ursprung zu haben. Es ist kein Zufall, dass in Zeiten der Klima- und Energiekrise, in der fast jede Partei für Klimaschutz und Energietransition kämpft, die Partei abgestraft wird, die diese beiden Ressorts auch auf Nationalebene besetzt. Die Grünen boten auf Lokalebene eine perfekte Projektionsfläche für die Frustration der Bürger auf Nationalebene.
Die CSV scheiterte an den eigenen Ambitionen – und dürfte noch einmal mit einem blauen Auge davon kommen. In Luxemburg-Stadt ist Spitzenkandidat Serge Wilmes angetreten, um Bürgermeister zu werden. Die Wähler in der Hauptstadt haben den CSV-Schöffen schnell wieder auf den Boden der Tatsachen geholt: Minus fünf Prozent und ein Sitz weniger bedeuten, dass die CSV künftig kleinere Brötchen backen muss. Interessanterweise ist Luxemburg-Stadt eine der wenigen Gemeinden, in der die Grünen ihre Resultate aus dem Jahr 2017 bestätigen konnten – wohl auch, weil die Koalition aus DP und CSV mit ihrer Verkehrspolitik und dem Bettelverbot eine großzügige Angriffsfläche bot.
Späte Entscheidung
Doch nicht nur in Luxemburg-Stadt: In den (einstigen) Hochburgen der CSV mussten teils heftige Verluste eingefahren werden. Auch in Esch hat die CSV den Erfolg von 2017 nicht wiederholen können und die Stadt Esch zumindest wahltechnisch der LSAP überlassen müssen. Einziger Trostpunkt: Noch am Wahlabend rettete man sich in eine Koalition mit den Grünen und der DP – während die LSAP ihren vermeintlichen Erfolg ausgelassen feierte und sechs weitere Jahre auf der Oppositionsbank verbringen darf.
Ein Umstand, der besonders deshalb schmerzen wird, weil die LSAP quasi mit einem Ziel bei den Wahlen angetreten war: Das Land der roten Erde im Süden Luxemburgs zurückzuerobern. Ein LSAP-Bürgermeister für Esch wäre ein symbolischer Erfolg gewesen – doch wie meinte LSAP-Spitzenkandidatin Paulette Lenert bei RTL: „Beide Parteien (LSAP und CSV, Anm. d. Red.) haben den Anspruch, den Bürgermeister zu stellen.“ Die CSV dankt für die Vorlage der LSAP-Spitzenkandidatin und weitere sechs Jahre im Escher Rathaus. Wahltechnisch kann die LSAP sich mit Erfolgen in Sanem, Petingen, Schifflingen, Rümelingen und allen voran Differdingen zumindest rehabilitiert sehen. Ein schwacher Trost für die Escher Sektion.
Rote Verluste
Richten wir den Blick über den traditionell eher rot gefärbten Süden hinaus, muss man jedoch auch feststellen, dass die LSAP in einstigen Hochburgen mächtige Verluste eingefahren hat. Die Mannschaft um den skandalumwitterten Fränk Arndt (Wiltz) hat ebenso herbe Verluste eingefahren wie die Diekircher Sektion. Top oder Flop – so lässt sich der Wahlabend für die LSAP in wenigen Worten resümieren.
Und abseits der großen Parteien? Da können sich die Piraten und die ADR als Wahlsieger sehen. Die Piraten haben in zahlreichen Südgemeinden Mandate errungen – allen voran in Petingen, wo das Team mit Piraten-Präsident Marc Goergen auf prominente Unterstützung zählen konnte. Insgesamt scheint die Oppositionspolitik der Piraten der vergangenen Jahre auf Nationalebene auch in den Gemeinden zu fruchten. Die Piraten dürfen sich jedenfalls gestärkt für die kommenden Nationalwahlen sehen.
Liebäugeln mit der ADR
Und auch die ADR hat entweder Gewinne einfahren können oder aber ihre Sitze verteidigt. Das sorgt für Freude im rechtskonservativen Lager – und für Stirnrunzeln bei den anderen Parteien. Bedenklich ist auch, dass einige Politiker der CSV eine Koalition mit der ADR auf kommunaler Ebene nicht mehr notwendigerweise ausschließen wollen. Wodurch die ADR ihrem eigentlichen Ziel wieder etwas näher kommt: Den rechten Diskurs in der Mitte der Gesellschaft verankern.
„déi Lénk“ werden mit gemischten Gefühlen auf den Wahlabend zurückblicken. Bemerkenswert ist, dass in Esch keiner der beiden Spitzenkandidaten Line Wies oder Samuel Baum an erster Stelle gewählt wurde, sondern der Linken-Abgeordnete Marc Baum. Das dürfte jedoch nicht wirklich überraschen. Spannend bleibt, ob Marc Baum gemäß linker Tugenden sein Mandat mit der nur knapp an zweiter Stelle gewählten Line Wies teilen wird. Samuel Baum bleibt vorerst nur der dritte Platz und somit kein Platz im Escher Gemeinderat.
Und Fokus? Die neu gegründete Partei um Frank Engel hatte sich große Hoffnungen auf ein oder zwei Gemeindemandate gemacht. In keiner der großen Gemeinden ist ihnen das gelungen. Jedoch können sie sich mit einem halben Bürgermeistermandat trösten: Luc Recken, Neu-Mitglied bei Fokus, bekleidet bis zur Legislatur-Halbzeit den höchsten Gemeindeposten in Vichten. Bleibt der Partei um Frank Engel eigentlich nur ein Hoffnungsschimmer: die Chamberwahlen im Oktober, wo der ehemalige CSV-Präsident dann auch als Zugpferd wichtige Stimmen sammeln soll. Stimmen, die Fokus auch bei den Lokalwahlen gut hätte gebrauchen können.
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