/ „Heimat ist, wo man sich wohlfühlt“ – Marzena Piotrkowska Adamska aus Polen
Menschen mit Migrationshintergrund gibt es viele in Esch. Einige von ihnen sind erst vor ein paar Jahren angekommen. So wie Marzena Piotrkowska Adamska, 41, aus Polen. Auf der Suche nach besseren Perspektiven hat die EU-Bürgerin vor sieben Jahren ihr Geburtsland verlassen. Mit ihrem Mann und den beiden Kindern lebt sie heute mitten in Esch – zufrieden. Zurück in ihr Geburtsland möchte Marzena eigentlich nicht.
Von Marco Goetz
Dienstagabend in Esch. Nahe der Alzettestraße. Ein großes Gebäude mit vielen Türklingeln. Hier ist es. Marzena lächelt. Ihr Mann und ihre beiden Söhne sind auch anwesend. Das Wohnzimmer ist geräumig. Helle Tapete mit vielen Familienfotos an den Wänden. Im Hintergrund läuft einer der vielen polnischen Fernsehsender, die via Satellit oder über Kabel zu empfangen sind. Marzena bietet etwas zu trinken an: Kaffee, Apfelsaft oder ein Gläschen Wodka aus der Flasche mit dem Grashalm drin. Herzlicher Empfang.
Marzena verständigt sich auf Deutsch: „Das habe ich mir selbst beigebracht!“ Sie erzählt, dass sie in der Schule noch Russisch habe lernen müssen. Gelebt habe sie in einer kleinen Stadt nahe Breslau und Kattowitz. 60.000 Einwohner. Sie schreibt den Namen der Stadt auf: „Kedzierzyn-Kozle.“ Nach Luxemburg seien sie der Arbeit ihres Mannes wegen gekommen. Er arbeitet bei einer Baufirma. Ein eher ruhiger Typ. Das gilt auch für den älteren Sohn. Der jüngere spricht perfekt Luxemburgisch. Schlecht sei das Leben in Polen nicht gewesen, halt anders, betont sie: „Aber wir wollten bessere Zukunftsperspektiven, besonders für die Kinder.“
Ihr erster Auslandsaufenthalt ist es allerdings nicht. Mit 26 Jahren arbeitet sie während fünf Jahren für eine Gesellschaft, die Seniorenbetreuer vermittelt. So kommt sie nach Deutschland – nach Bochum, Nürnberg und München, unter anderem. Das erklärt dann natürlich auch ihre guten Deutschkenntnisse. Mit 31 übernimmt sie eine Stelle bei einer Arbeitsagentur in Polen.
Deutsch selber beigebracht
Seit sieben Jahren ist sie nun in Esch. Offensichtlich gerne. Im Gespräch bedauert Marzena es jedenfalls nicht, nicht mehr in Polen zu sein: „Meine Heimat ist, wo meine Familie und ich uns wohlfühlen.“ Ihr Mann hingegen sei sich noch nicht so sicher, ob er nicht eines Tages nach Polen zurück möchte: „Aber ohne mich wird er sicher nicht gehen“, fügt sie augenzwinkernd hinzu.
Marzena gefällt es in Esch. Kontaktschwierigkeiten scheint sie keine zu haben. Sie gehe gerne auf Menschen zu. Das entspricht wohl auch ihrem Lebensmotto: „Liebe die Menschen so, wie sie sind.“ Sie schätze den multikulturellen Charakter der Minettemetropole: „Die Leute in Esch sind nett, keine Spur von Diskriminierung.“ Das liegt vielleicht auch daran, dass sie sich fast überall auf Deutsch verständigen kann. Und wenn einer Französisch redet? „Kein wirkliches Problem, ich war drei Jahre in Sprachkursen – auch Luxemburgisch.“
Ansonsten spricht sie Polnisch. Zu Hause – natürlich. Oder im kleinen Supermarkt mit den polnischen Spezialitäten in Luxemburg-Grund und mit Freunden. Die polnische Gemeinschaft in Luxemburg ist ziemlich groß und gut untereinander vernetzt. Jeder helfe jedem, sei es Babysittern, Arzttermine oder bei allgemeinen Fragen, was Administratives anbelangt. Zweimal im Jahr, im Juni und November, treffe man sich auf einem Moselschiff in Remich. Feste gibt es aber auch im kleineren Rahmen, wie beispielsweise am 9. März im Escher Café „New Tower“ oder aber bei Marzena zu Hause.
„Die Leute in Esch sind nett, keine Spur von Diskriminierung“
Mindestens einmal im Jahr fährt die Familie nach Polen: „Meine Mutter und mein Bruder sowie viele Freunde leben dort.“ Ansonsten, erzählt Marzena lächelnd, entfliehe man schon mal ganz gerne den familiären Verpflichtungen und mache Urlaub in Spanien: „Vor allem der Sonne wegen.“
Marzena bezeichnet sich als gläubig. Allerdings, schränkt sie ein, sei Religion gar nicht so wichtig: „Hauptsache, man ist ein guter Mensch“. Die polnische Messe in Esch oder in Luxemburg-Stadt besuche sie – aber nicht regelmäßig.
Marzena ist für die Hausarbeit zuständig. Und fürs Kochen – „nicht wirklich gerne“. Aber wenn, dann polnische Gerichte. Lieber betreut sie dagegen „ihre“ Webseite, die sie mit Jobangeboten füllt, die für Polen in Luxemburg interessant sein könnten. Ansonsten geht sie ihren Hobbys nach. Je nach Lust und Zeit: Tanzen, Singen und Lesen. Und Sport, in einem Escher Fitnessstudio. Wenn die Sonne scheint, so wie in diesen Tagen, kann man Marzena oft in der Alzettestraße begegnen. Inmitten ihrer Freunde und aller Menschen, die hier leben und Esch beleben.
In unserer Porträt-Serie geht es um Menschen „wie du und ich“. Um bekannte und unbekannte Gesichter und Namen. Um versteckte Hobbys, Träume und Gaben. Bezug zur Aktualität kann es geben – muss es aber nicht. Es sind Geschichten über Menschen, die in Luxemburg leben und unsere Gesellschaft beleben. Geschichten über „Menschen wie wir“.
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In Esch???
Schon die Roemer sagten:“Ubi bene, ibi patria“. An dieser Weisheit hat sich wohl in der langen Zeit nichts geaendert.