/ Nostalgie ohne Retro-Effekt: Die Lemonheads begeistern in den Rotunden
Für alle, die mit den Lemonheads jetzt wirklich nur die großen Hits verbinden, wie etwa die Coversongs „Miss Robinson“ und „Luca“, und höchstens alle paar Jahre das Album „It’s A Shame About Ray“ in den CD-Player schieben, sei gleich das mögliche Missverständnis ausgeräumt: Was am Freitagabend in den Rotunden stattgefunden hat, verströmte zwar durchaus Nostalgie, war aber trotzdem keine schale 90er-Retro-Kiste – sondern einfach ein Abend mit einer Alternative-Band, die mit ihrem Publikum die Ansicht teilt, dass man auch noch ironiefrei Spaß an Songs haben darf, wenn diese und man selbst weit jenseits der 20 sind.
Gewiss: Die erste der vielen Formationen, in denen sich eine Gruppe namens Lemonheads um Evan Dando (*1967) geformt hat, stammt aus dem Jahr 1986. Die Glanzzeit mit ein bisschen Chart-Erfolg war dann während der 90er Jahre, als Indie und Alternative auch gar kein echtes Nischendasein fristeten, sondern fast der Mainstream waren. Nach neun veröffentlichten Alben bis zur Jahrtausendwende kamen die Releases dann in immer größerem Abstand. Das aktuelle Album ist, wie sein zehn Jahre alter Vorgänger, eine Sammlung von Cover-Versionen.
Aus der Sicht von Evan Dando war er jedenfalls nie wirklich weg, dieser Indie-Rock: Er füllt ihn über regelmäßige Auftritte mit Leben, genauso wie ein gar nicht so kleiner, unverwüstlicher Stamm mit Mitgliedern, die etwa J Masci, Juliana Hatfield oder Greg Ginn heißen.
Ganz selbstverständlich lebt mit Dando uns seinen Songs ein Gestern weiter, das ansonsten so nah und doch so fern scheint und das so langsam auch immer mehr Leute vermissen, die es gar nicht erlebt haben: Weil man vielleicht ahnt, wie unmittelbarer das Leben doch irgendwie war, kurz bevor dieser Irrsinn losging, dass wir alle Produzenten unserer eigenen Reality-Show und Relais-Station für Milliarden Informationsschnipsel wurden – über Smartphone und Internet ständig im Blick von Peers, Kollegen, Mama und der Marketing-Abteilung der NSA. Auffällig jedenfalls, wie selten am Abend in den Rotunden Handys in die Höhe gehalten werden.
Statt sie digital auf Irgendwas zu „bannen“, feierte die recht dicht gepackte Menge im vorderen Drittel des Saales lieber ganz direkt und ausgelassen die Band-Klassiker (wie eben „It’s A Shame About Ray“ oder „Into Your Arms“). Aber nicht nur die: Eigentlich werden alle der weit über 20 Lieder der Setlist von nicht wenigen der Anwesenden freudig erkannt und textsicher mitgesungen.
Dando seinerseits lässt sich auch nicht beirren, als seine Stimme ziemlich am Anfang des Konzerts ein paar mal eine heisere Grätsche macht: „Don’t worry, my voice will come back“, bellt er in einen Song und behält, einigermaßen, auch Recht: Er bestreitet später bravurös einen überraschend langen Teil des Abend alleine mit einer Akustikgitarre auf der Bühne, wo er keinem Schlussakkord mehr als drei Sekunden Zeit zum Verklingen lässt, um kreuz und quer durch die Lemonheads-Discographie zu springen. Und weil die letzten beiden Alben ausschließlich aus Covern von Genre-Kollegen bestehen, gibt es auch reichlich davon, also Songs wie Abandoned von Lucinda Williams oder Outdoor Type von Smudge
Für Ansagen und persönliche Worte ist da auch kaum Zeit: Vom gelegentlichen, herrlich verpeilten Genuschel ist sowieso nur wenig zu verstehen. Dando gefielen offenbar die Rotunden, die Leute vor ihm und irgendwas von Luxemburg, das er sich vor dem Auftritt angesehen hat. (Wahrscheinlich dürfte es aber doch nur um das nähere Areal gewesen sein und vielleicht die Bar.)
Leider ist nicht immer sicher, wie viel Spaß die (jüngeren) Musiker auf der Bühne am Abend hatten: Die Mienen des Gitarristen und des Bassisten bleiben jedenfalls weitgehend unbewegt sowohl während der Americana- und Blues-geprägten Songs als auch der lässig-windschiefen Indie-Gitarren-Eskapaden. Das Publikum jedenfalls hat im gut gefüllten, aber nicht ausverkauften Rundbau erkennbar eine Menge Spaß an der Band, die ihr Set so ganz unprätentiös nach rund anderthalb Stunden ohne Zugaben beendet.
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