/ The Dead Don’t Die: "Food For Your Senses" verabschiedet sich mit "Funeral Feast"
Eines der wichtigsten Festivals dieses Landes verabschiedet sich ohne Pathos – und lässt eine bereits ziemlich leere Festival-Landschaft zurück.
Von Tom Haas und Jeff Schinker
Die letzte Auflage des Food For Your Senses war kleiner angedacht als noch vor zwei Jahren – das Konzept, internationale und hiesige Bands in einem hierarchielosen Potpourri ohne große Headliner an einem Festival, das auf DIY setzt, spielen zu lassen, bleibt aber auch für diese „Funeral-Edition“ bestehen.
Alle Musiker bedankten sich bei den Organisatoren für das langjährige Engagement, viele bespielten das „Food“, das seit der 2017er Auflage ausgerechnet am Finanzplatz Kirchberg das jahrelange Suchen nach einem Veranstaltungsort beenden konnte, nicht zum ersten Mal.
Highlight der Auflage war das Festival im Festival – der „Coup de coeur“ versammelte sechs der einflussreichsten Luxemburger Bands in einem zweistündigen Set. Neben Größen wie The Disliked, Versus You, De Läb und Mutiny On The Bounty (die die Hälfte der Bühne in ein für Brillenträger verdammt gefährliches Moshpit-Inferno verwandelten) waren es vor allem die beiden Sets von Eternal Tango und Inborn, die im Vorfeld begeisterten: Beide Bands versammelten sich zum ersten Mal seit ihrer Trennung wieder auf der Bühne, um das Ende einer Ära auch musikalisch passend zu verdichten.
Zukunftspläne sind jedoch nicht ausgeschlossen (siehe unser Interview mit Inborn), weswegen die Stimmung auf dem Festivalgelände auch alles andere als morbid war.
„Nostalgie ist überbewertet“
Im Gespräch mit Cédric Kayser und Jeff Braun von Inborn
Tageblatt: Wie kam es dazu, dass ihr heute eure große Reunion feiert?
Cédric Kayser (Gesang/Gitarre): Seit unserer Trennung haben wir zwar nicht mehr zusammen gespielt, wir haben aber eine Art Ritual und sehen uns einmal pro Jahr. Nach ein paar Gläsern taucht das Thema einer Reunion dann immer wieder auf. Eigentlich haben wir nur auf den richtigen Moment gewartet – und die letzte FFYS-Auflage war die Gelegenheit.
Die Spielzeit von 20 Minuten ist schon relativ knapp …
Jeff Braun: Wenn man nicht jede Woche proben kann, ist es schon emotional und technisch herausfordernd, die Spannung über eine Spielstunde aufrechtzuerhalten. Da sind 20 Minuten schon sehr passend. Der Aufwand war schon ziemlich groß: Wir mussten die Musiker aus Montreal oder Berlin zusammentrommeln, die Parts wieder erlernen, teilweise fehlte Material.
Wie schwer war es, euch überhaupt wiederzufinden – ihr seid ja ein bisschen über den Erdball verteilt?
Cédric: Psychisch sind wir seit sechs Monaten auf dieses Konzert eingestellt. Wir sind aber alle erst seit zwei Wochen wieder in Luxemburg – und seit einer Woche gemeinsam in einem (Probe-)Raum.
Jeff: Max (Thommes) war vor zwei Monaten hier in Luxemburg für die Theaterproduktion „Kafka’s Cave“. Wir beide haben dann schon mal die Rhythmus-Sektion geprobt – und das Vibe, der Groove, die waren sofort wieder da.
Wie beim Fahrradfahren, das man ja nicht verlernen soll …
Cédric: Diese Metapher ist in letzter Zeit viel gefallen. Wir identifizieren uns aber nicht damit. Es gibt in dieser Band ein destruktives, chaotisches Element, was mit sich bringt, dass wir nicht von Anfang an wussten, was passieren würde.
Jeff: Klar gibt es ein paar Reflexe und Erinnerungen, die bleiben. Und trotzdem fährt man mit dem Fahrrad nicht sofort wieder die Treppe runter.
Ihr wart für Luxemburg eine wichtige Band, der auch der Durchbruch im Ausland gelang – ihr habt u.a. eine Platte mit Ross Robinson aufgenommen. Ergibt dies ein Gefühl von Bedauern, von Nostalgie?
Cédric: Nostalgie ist überbewertet.
Jeff: Eine Rockband, die über zehn Jahre zusammenspielt: Das ergibt einen emotionalen Verschleiß. Eine Band versammelt eine Reihe von sehr verschiedenen Persönlichkeiten, was psychisch irgendwann anstrengend wird. Für Rockbands, die nicht wahnsinnig viel Geld verdienen und damit diese Probleme wegkaufen können, wird das echt schwierig. Eine statistisch normale Musikerexistenz ist hart, weil es an die Substanz geht. Ich bekam damals Probleme mit meinen Ohren. Als Ross Robinson uns fragte, mit ihm eine Platte aufzunehmen, waren wir auf Tournee und wussten eigentlich, dass unsere Existenzen in sehr verschiedene Richtungen gehen würden. Max musste sein Studium an der Ernst-Busch-Schauspielschule, ich mein Jura-Studium unterbrechen.
Cédric: Wir bedauern natürlich irgendwie, dass wir nicht mehr getourt und eine Reihe von Ideen nicht umgesetzt haben. Dies lässt Luft nach oben – und falls das hier jetzt gut laufen und es ein neues Kapitel geben sollte, hätten wir eigentlich ausreichend neues Material, um weiterzumachen.
Falls es weitergehen sollte – wie würdet ihr das bewerkstelligen?
Cédric: Distanz war nie ein Kriterium. Wenn wir Bock haben, neues Material zu schreiben, treffen wir uns – egal ob das in Luxemburg, in Frankreich oder in Montreal ist –, sperren uns dort ein und machen Musik. Wesentlich ist das Engagement.
Wie wichtig war Musik über all die Jahre?
Cédric: Für mich ist Musik so ziemlich das Wichtigste. Ich stehe jeden Tag auf, höre Musik, habe Ideen für Songs.
Jeff: Ich habe über all die Jahre nicht gespielt, keine Musik gemacht. Ich sehe mich nicht als Vollblutmusiker, habe mein Instrument erst im Bandkontext gelernt, verspüre deswegen auch nicht den Drang, Musik mit anderen zu spielen. Intern gibt es bei uns viele Spannungen, der Umgang ist manchmal rau, aber auch sehr menschlich – ich könnte mir nicht vorstellen, etwas Vergleichbares bei anderen Bands zu finden.
Cédric: Große Kunst muss aus einer Grundspannung stammen. Es war nie bequem, in dieser Band zu sein.
Internationale Perspektiven
Im Gespräch mit Maz und Juri Galaxi/David Galassi
Tageblatt: Woher kam die Entscheidung, auf Englisch zu rappen?
Maz: Eigentlich gab es da keine großen Hintergedanken, es war eine absolut natürliche Entscheidung. Zu Beginn habe ich sogar versucht, luxemburgische Texte zu schreiben, aber ich habe es nie gefühlt. Mit Englisch bin ich aufgewachsen – nicht von zu Hause aus, aber durch Filme und Musik. Es war letztlich das, was sich richtig angefühlt hat. Meine Vorbilder kommen hauptsächlich aus dem britischen Hip-Hop, und ich mag das schnelle Flowen – anfangs habe ich das nur aus dem englischen Rap gekannt. Das hat vermutlich die Entscheidung fürs Englische mitunter unbewusst beeinflusst.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit luxemburgischen Künstlern in Bezug auf beispielsweise Features?
Maz: Bisher habe ich nicht wirklich mit luxemburgischen Künstlern zusammengearbeitet. Es hat sich noch kein Featuring ergeben, auf das ich wirklich Lust gehabt hätte. Mittlerweile habe ich auch erkannt, dass Rap mein Traum ist, dass es das ist, was ich mein Leben lang machen möchte – und in dieser Hinsicht denke ich dann auch etwas strategischer, mit Blick auf den internationalen Markt. Die Musik soll exportfähig sein. Das heißt nicht, dass ich kein Feature machen würde – es ist nur gerade nicht mein Hauptfokus.
Thema Export – gibt es da bereits eine Zusammenarbeit mit music:LX?
Galassi: Wir arbeiten jetzt seit ein paar Monaten eng mit music:LX zusammen und erhalten große Unterstützung für das Projekt. Wir wollen nicht zu viel verraten, aber es befindet sich etwas Großes auf dem Weg – wir arbeiten gerade an dem internationalen Vertrieb. Angepeilt hierfür ist derzeit der Monat September – bis dahin bringen wir jeden monatlich Freestyles, Singles und Features raus.
Das „Food For Your Senses“-Festival ist ein großes Showcase für luxemburgische Künstler. Wird es Ihrer Meinung nach einen Ersatz dafür geben?
Galassi: Ich weiß nicht, was das Festival ersetzen könnte. Das FFYS hat ein gewisses Esprit, eine gewisse Seele – ein „je ne sais quoi“, was in diesem Land von nichts ersetzt werden kann. Für mich geht die Welt quasi ein wenig unter, wenn es weg ist. Wir sind seit 2009 dabei und es ist ein emotionaler Moment, obwohl ich das, was die Organisatoren gerade erleben, nicht ansatzweise nachfühlen kann.
Ist denn ein luxemburgisches Hip-Hop-Festival denkbar?
Galassi: Das wird kommen. Mehr kann ich dazu leider noch nicht sagen, außer dass es sich nicht ausschließlich auf Rap und Hip-Hop beschränken wird, auch wenn das zurzeit ein sehr populäres Musikgenre ist. Aber die Musikszene hier im Land ist zu vielfältig, als dass man den Blick derart einengen sollte.
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