/ „Was heißt öffentlich-rechtlich?“ – Regierung und Parlament wollen Radio 100,7 neu definieren
Nach der Kritik an der Gouvernance von Radio 100,7 hatte Premierminister Xavier Bettel eine „große Debatte“ im Parlament angekündigt. Am Montag hat sich Bettel erstmals den Fragen der Parlamentarier gestellt. Es ist dabei erst der Anfang einer ergebnisoffenen Diskussion über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Luxemburg.
„Endlich“, sagt Claude Wiseler (CSV). Endlich hat sich Premier- und Medienminister Xavier Bettel (DP) den Fragen der Abgeordneten im Dossier 100,7 gestellt. Seit dem Rücktritt von Jean-Paul Hoffmann als Direktor von Radio 100,7 im Oktober des vergangenen Jahres gab es öffentliche Kritik an der Gouvernance des öffentlich-rechtlichen Radios. Es waren die beiden Chefredakteure selbst, Jean-Claude Franck und Pia Oppel, die in einer Medienchronik „Eng Gefor fir d’Onofhängegkeet” auf Missstände im eigenen Haus aufmerksam machten.
Noch während des Wahlkampfes haben daraufhin sowohl Politiker von „déi Lénk“, der CSV aber auch der neue Präsident der LSAP, Franz Fayot, beim Premier um Aufklärung gebeten. Doch Bettel spielte auf Zeit und stellte lediglich eine „große Debatte“ im Parlament in naher Zukunft in Aussicht.
Auch über öffentlichen Auftrag von RTL reden
Drei Monate nach dem Eklat hat sich Bettel am Montag gegenüber den Abgeordneten in der zuständigen Parlamentskommission geäußert. Laut Wiseler betonte der Premier, dass er keine Unstimmigkeiten beim öffentlich-rechtlichen Radio feststellen könne: weder bei der Nominierung seines „Vertrauten“ Laurent Loschetter zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats, der eine „saubere Arbeit“ abliefere, noch in Sachen etwaige Eingriffe in das Radioprogramm.
Doch Wiseler will sich mit diesen ersten Antworten nicht zufriedengeben, sondern fordert ähnlich wie andere Oppositionspolitiker eine breite Debatte um die Zukunft von Radio 100,7. „Wir müssen darüber reden, was für ein öffentlich-rechtliches Radio wir wollen“, so Wiseler. Oder noch konkreter: „Was heißt öffentlich-rechtlich?“
Laut Wiseler geht es darum, zu garantieren, dass der Staat als einziger Aktionär des Radios zu keinem Zeitpunkt in die Unabhängigkeit des journalistischen Mediums eingreifen kann. Er verweist dabei auf die Kritikpunkte des Berichts der Europäischen Rundfunkunion (EBU), in dem vor allem zwei Schwachstellen in der Gouvernance von 100,7 ausgemacht wurden. Erstens: die Nominierungshoheit der Regierung. Zweitens: die Finanzierungshoheit der Regierung.
„Wir arbeiten daran“
In den kommenden Wochen sollen dabei unterschiedliche Experten aus dem Ausland (BBC, RTÉ), die Experten der EBU, aber auch Journalisten von Radio 100,7 selbst ins Parlament eingeladen werden. Auch soll der neue Direktor, der gerade durch eine Beratungsfirma ermittelt wird, in die Debatte miteinbezogen werden. „Das Haus benötigt schleunigst einen neuen Direktor“, so der CSV-Politiker.
Die Diskussion soll dabei nicht nur hinter verschlossenen Türen der Parlamentskommission unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, sondern auch im Plenarsaal. Wichtig ist es, laut Wiseler, dass der neue Gesetzestext fürs Radio 100,7 erst nach diesem Prozess verfasst wird. Kurz: „Wir müssen uns Zeit geben.“ Die Abgeordnete Djuna Bernard („déi gréng“) kann sich dabei vorstellen, dass in Zukunft auch das Parlament ein Mitspracherecht bei den Nominierungen von 100,7 hat. Auch andere Abgeordnete sollen diese Idee begrüßen. Wiseler betont zudem, dass parallel zu 100,7 auch über den öffentlich-rechtlichen Auftrag von RTL Télé geredet werden muss. Auch das habe der Premier bereits in Aussicht gestellt.
Xavier Bettel selbst wollte sich am Montag gegenüber dem Tageblatt nicht zum Thema äußern: Nur so viel: „Wir arbeiten daran.“
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