/ Abenteurer Bertrand Piccard in Luxemburg: „Die Welt ist völlig ineffizient“
Der Abenteurer Bertrand Piccard umrundete den Planeten als erster Mensch in einem Ballon und in einem Solarflugzeug. Am Dienstag war er in Luxemburg, um von seinem letzten Abenteuer zu erzählen und über die Rettung des Klimas zu sprechen.
Bertrand Piccard hat in seinem Leben einiges gemacht, was noch nie jemand vor ihm gemacht hat. Gemeinsam mit Brian Jones umrundete er 1999 als erster Mensch den Planeten in einem Ballon. Gemeinsam mit André Borschberg umrundete er 2015 bis 2016 in mehreren Etappen den Planeten in einem eigens für den Versuch konstruierten Solarflugzeug, ohne einen Tropfen Treibstoff zu verwenden.
Die Umrundung des Planeten mit einem Solarflugzeug, „Solar Impulse“, nennt Piccard ein Symbol. Ein Zeichen dafür, dass es heute bereits möglich ist, Maschinen zu bauen, die effizienter sind und das Klima nicht kaputtmachen. Deshalb hat er die „Solar Impulse Foundation“ gegründet, die 1.000 Unternehmen auszeichnen will, die die Umwelt schützen und dabei gleichzeitig profitabel sind.
Piccard beginnt mit einer Erfahrung, die viele gemacht haben. Sie haben eine verrückte Idee, die sie verwirklichen wollen und alle sagen ihnen, dass es unmöglich ist. Fragt man dann nach, warum es unmöglich ist, lautet die Antwort: „Weil noch niemand es gemacht hat.“ Man soll, so Piccard, nicht auf die einstimmige Unterstützung seines Umfeldes warten, denn sonst wird man nie etwas umsetzen können.
Als Piccard und Jones 1999 mit ihrem Ballon landeten, hatten sie nur noch Propan für zweieinhalb Stunden. „Sky is not the limit; fuel is the limit“, so Piccard. Für sein nächstes großes Abenteuer sollte er keinen Treibstoff brauchen. Dafür aber Ideen, Ingenieure, Geld und Motivation. Erste Partner für seine Idee, die Welt in einem Solarflugzeug zu umrunden, fand er an der Universität in Lausanne. Dort war längst nicht jeder mit der Partnerschaft einverstanden. Seinen Partnern an der Uni wurde sogar gedroht. Sie würden das traditionsreiche Institut gefährden.
Viele Leute, so stellte Piccard fest, wollen ein Projekt nur unterstützen, wenn sie auch selbst einen persönlichen Profit davon haben. Deshalb, so der Schweizer, muss man Partnerschaften aufbauen, die „gagnant-gagnant“ sind.
Einfach ankündigen
Nach einiger Zeit hatten die Ingenieure trotz aller Widrigkeiten ein erstes Modell des Flugzeuges gebaut. Ein spielzeuggroßes Solarflugzeug. Da entschloss sich Piccard, eine Pressekonferenz einzuberufen und sein Vorhaben offiziell anzukündigen. Sein Umfeld riet ihm davon ab. Das Projekt sei noch nicht weit genug fortgeschritten. Piccard, er ist eigentlich Psychiater, wusste aber, würde er sein Vorhaben nicht ankündigen, dann bestünde die reelle Gefahr, dass das Team beim ersten Hindernis aufgibt. Nach der Ankündigung waren sie „verdammt, weiterzumachen“. Wenn man etwas erreichen will, muss man die Brücken hinter sich abbrechen, sagt Piccard.
Piccard warnt davor, sich mit Ja-Sagern zu umgeben. „In einer Mannschaft darf nicht jeder gleich denken“, sagt er. Er und sein Partner Borschberg würden sich ständig widersprechen. Deshalb seien sie ein so gutes Team. 1 und 1 müsse 3 ergeben. Und: Wenn alle Menschen eine Idee für machbar halten, dann war man wahrscheinlich nicht ambitioniert genug, sagt Piccard.
Das führte allerdings zu einem anderen Problem: Kein Flugzeughersteller wollte Piccards Flugzeug bauen. Sie alle hielten es für unmöglich. „Wir mussten also jemanden finden, der nicht wusste, dass es unmöglich war.“ Schließlich fand Piccard diesen Jemand in einer Schweizer Bootsmanufaktur. Sie war es gewohnt, Fahrzeuge aus extrem leichten Materialien zu bauen und setzte die Pläne der Ingenieure um.
Gleiches bei der Finanzierung. „Im Nachhinein hätte ich die Namen von Flugzeugbauern und Energielieferanten auf das Flugzeug schreiben sollen und sie dann bezahlen lassen, um sie zu entfernen“, sagt Piccard. Aus diesen Branchen wollte niemand ihn finanzieren. Am Ende waren es Finanzfirmen, Versicherer, Chemieunternehmen und Ingenieurbetriebe, die ihn unterstützten.
Lineare Denkweise
Experten, so Piccard, würden häufig linear in den Strukturen denken, die ihnen beigebracht worden seien. Um zu innovieren, brauche es oft Menschen von außen. Es sei kein Zufall, dass ein Unternehmer aus der Internetbranche das Elektroauto populär gemacht habe und die Automobilhersteller dem Trend nun hinterherliefen.
Wir haben gelernt, in linearen Bahnen zu denken. Dabei sollte man uns besser beibringen, dass es Millionen von Meinungen und Optionen gibt. Wer auf eine Frage mit einem „bien sûr que oui“ oder „bien sûr que non“ antworte, sei nicht frei, so Piccard. Es gelte, sich immer wieder infrage zu stellen und wenn man auf einem Pfad nicht mehr weiterkomme, einen neuen zu betreten. Man müsse sich immer die Frage stellen: Was passiert, wenn ich nicht das mache, was ich sonst mache, sondern das andere? Es gehe nicht darum, alle Werte über Bord zu schmeißen, aber es in Betracht zu ziehen. Wenn man dann an ihnen festhalte, dann weil man es so entschieden habe und nicht, weil man blind dem vertraue, was man gelernt habe.
Seine Erfahrung und seine Einstellung wendet Piccard auch auf den Klimaschutz an. Auch hier müsse man die Paradigmen hinterfragen. Uns sei immer gesagt worden, dass Klimaschutz Verzicht bedeute und teuer sei. Menschen seien aber so gestrickt, dass sie sich – außer in extremen Krisen – nicht verändern wollen. Man müsse Klimaschutz von einer anderen Seite denken. Klimaschutz könne profitabel sein.
Möglichkeiten, den Klimaschutz ohne Verzicht voranzutreiben, sieht Piccard in der Energieeffizienz. Mehr als 50 Prozent der Energie, die heute produziert werde, gehe verloren. „Die Welt ist komplett ineffizient.“ Man solle nicht Verzicht predigen, sondern den Menschen effiziente Geräte in die Hand geben. Von mehr Effizienz könne jeder profitieren. Der Gedanke, technische Geräte effizienter zu machen, dürfte selbst Klimaleugnern gefallen.
Piccard äußert sich auch zur Wachstumsdebatte. Negatives Wachstum führe zu sozialem Chaos. Ungezügeltes Wachstum sei destruktiv. Es brauche qualitatives Wachstum. Seine Vorstellung von mehr Effizienz, glaubt Piccard, könne dies verwirklichen.
Als er im Solarflugzeug gesessen habe, habe er sich wie in der Zukunft gefühlt. Nachdem er landete, sei er nicht nur aus dem Flugzeug gestiegen, sondern auch in die Vergangenheit zurückgekehrt, mit unisolierten Häusern und mit dreckigen Produktionsanlagen.
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