„Wein ist Leidenschaft“ / Als Jurorin beim Weinwettbewerb: Drei Expertinnen aus Bulgarien erzählen
Mit den Jurorinnen des „Concours mondial de Bruxelles“ sprach Daisy Schengen über ihren Weg und Liebe zum guten Wein sowie über die Entwicklung ihrer Heimat Bulgarien als Weinnation im Wandel.
Wein, Weib und Gesang – die Formulierung in einem älteren Gedicht mag dort lustig klingen, im Zusammenhang mit der Weinwelt stimmt sie jedoch nicht. Beim Besuch des „Concours mondial de Bruxelles“ im Juni dieses Jahres, der in Luxemburg stattfand, fiel auf, dass die Mehrheit der internationalen Weintester Männer waren. An den Tischen der Juroren haben aber auch einige Frauen Platz genommen. Mit drei Expertinnen aus Bulgarien sprach die Autorin dieser Zeilen über ihren Weg in die Weinwelt. Jede von ihnen hat im Laufe der Jahre einen enormen Erfahrungsschatz aufgebaut und auf dem Gebiet des Weinbaus und der Entwicklung der Weinkultur in Bulgarien echte Pionierarbeit geleistet.
Tageblatt: Wie verlief Ihr Weg zum Wein?
Julia Kostadinova: 1999 begann ich als junge Redakteurin sofort nach meinem Journalistik-Studium für Backhus, die erste Gourmet-Zeitschrift in Bulgarien, zu arbeiten. Nach rund zehn Jahren habe ich mit einem ihrer Gründer Di Vino, eine Alternative zur Zeitschrift, gestartet. Wir haben den Wettbewerb „Restaurant des Jahres“, den ersten Concours für Restaurants in Bulgarien, ins Leben gerufen.
Nach einer ersten und einzigen, wenig erfolgreichen Ausgabe eines Weinconcours haben wir uns gegen die Veranstaltung von Weinwettbewerben entschieden. Jedoch haben wir daraus die größte Expo für bulgarische Weine im Land „DiVino Taste – Bulgarian Wine Expo“ ins Leben gerufen.
Gleichzeitig sind wir mit einem neuen Format der Weinbesprechung treu geblieben. Dafür senden uns die Weingüter ihre Proben zur Verkostung und Bewertung zu. Folgend einem mathematischen System zur Punktevergabe erstellen wir daraus unseren „DiVino Top 50“-Ranking, bei dem wir ausschließlich bulgarische Weine besprechen, während wir in der Zeitschrift und auf unserer Webseite auch auf internationale Tropfen eingehen.
Unser neuestes Projekt: Gemeinsam mit einem anderen Kollegen haben wir einen YouTube-Kanal gestartet, wo wir kurze Videos hochladen, in denen wir auf eine zugängliche, nicht-akademische Art Weine besprechen und verkosten. Damit wollten wir aus der Sphäre der „ernsten“ Weinexpertise ausbrechen (lacht).
Katia Iontcheva: Mein Weg zum Wein führte über ein Wirtschaftswissenschaftsstudium. Kurz bevor ich meine Diplom-Arbeit schrieb, begann ich, für einen Spirituosenhersteller in Russe (Industriestadt in Nordbulgarien, Anm. d. Red.) zu arbeiten, der damals einem US-Eigentümer gehörte. Die Arbeit in einem internationalen Team und die Besuche von internationalen Ausstellungen haben dazu beigetragen, dass mich das Weinfieber packte, unter die Haut ging und bis heute da blieb.
Anfang 2000 wurde der Spirituosenhersteller von einem Konkurrenten aufgekauft. Als ich nach meinem Mutterschaftsurlaub wieder ins Berufsleben zurückkehren sollte, konnte ich es nicht übers Herz bringen, für den größten Konkurrenten meines damaligen Arbeitgebers zu arbeiten.
Also beschloss ich, Wein zu importieren. Das war bisher meine einzige berufliche Erfahrung, damit kannte ich mich aus. Zunächst fing ich mit einem Container Wein aus Südafrika an. Es gab Menschen, die mich damals belächelten und mir prophezeiten drei Jahre für den Verkauf zu brauchen. Gott sei Dank war es nicht so. Bis 2019 importierte ich hauptberuflich Wein nach Bulgarien.
Allerdings eröffnete sich in der Zwischenzeit, ab 2012, eine Möglichkeit, über Wein zu sprechen. Im Laufe der Zeit hatten mich Weinkataloge aus Südafrika fasziniert, ihre Skala der Bewertung mit fünf Sternen entsprach meiner Vorstellung. Meine Freundin und Kollegin, mit der ich den Weinführer verlege, interessierte sich für Weinguides aus Israel, Frankreich und Slowenien. Uns wurde klar, dass ein solcher Weinführer auf dem bulgarischen Markt fehlte. Und weil wir für den Wein brennen, machten wir uns an die Arbeit. Allerdings ahnten wir nicht, welche Stolpersteine uns unterwegs begegnen würden. Oft hatten wir die Winzer für einen Besuch kontaktiert, jedoch verlief der Kontakt im Sand und der Besuch der Kellerei konnte doch nicht stattfinden.
Also beschlossen wir, einen Weinführer zu schreiben, der sich an genau solche Weinenthusiasten wie wir beide sind, richtete. Darin sollten alle nötigen Angaben wie Öffnungszeiten, Anfahrtsbeschreibung und Kontaktdaten enthalten sein.
Anfangs erzählten wir niemandem davon, bis die erste Ausgabe herauskam. Und zunächst kannten den Guide nur Weinbegeisterte wie wir. Aber ich spürte, dass wir so keinen Erfolg haben werden, und machte einen Master als Weintechnologin. Anschließend schloss ich eine Ausbildung beim „Wine & Spirit Education Trust“ in London ab. Jetzt studiere ich „Master of Wine“. Dieses über die Jahre gesammelte Fachwissen gibt uns einen anderen Blick auf die Weine und verändert zum Besseren die Art der Besprechungen von rund 900 bulgarischen und mehr als 100 ausländischen Tropfen jährlich in unserem Weinführer.
2012 war ein entscheidendes Jahr für den bulgarischen Weinbau. Damals entstanden neue Kellereien, langsam erwachte die Branche, das Marketing wurde professioneller. Insgesamt entwickeln sich die Dinge in die richtige Richtung, leider ist der Weinbau kein allzu viel gewinnbringender Wirtschaftsbereich. Inzwischen gibt es rund 300 Kellereien in Bulgarien.
Anna Petkova: Ich arbeitete damals für ein Außenhandelsunternehmen, Vinimpex, als es in Bulgarien noch ein Spirituosenmonopol gab. Meine Aufgabe war der Weinexport, ich handelte mit den Märkten in Holland, Belgien und Dänemark.
Nach der Wende kam es zu Privatisierungen in diesem Bereich. Die Produzenten übernahmen selbst die Rolle der Weinhändler und wurden so zu ihren eigenen Konkurrenten und boten Dumpingpreise an. Zu dieser Zeit besaßen nur wenige Kellereien eigene Weinberge, denn vorher hatten die Kooperativen das Monopol. Nach dieser Zeit als Weinhändlerin arbeitete ich für eine große Handelskette und baute ihr Weinsortiment auf.
Margarita Levieva: Ich habe bulgarische Philologie studiert, ein zweites Managementstudium folgte. Allerdings wollte ich von Beginn an Lehrerin werden. Doch der Wein hat mich „erwischt“. Denn wie der Zufall es wollte, fing ich während des Studiums 1978 für das Wein-Institut in Sofia an, als Bibliothekarin zu arbeiten. Später konnte ich den eingeschlagenen Weg nicht mehr verlassen und blieb am Institut bis 1994.
Mitte der 90er wurde auch eine „Vereinigung der Wein- und Spirituosen-Produzenten in Bulgarien“ gegründet. Zu ihren Aufgaben zählte auch die Herausgabe eines Weinanbaumagazins, das seit 1952 existierte. Ich wurde Redakteurin und leitete die Publikation bis vor zwei Jahren, als ich in Rente ging und die Zeitschrift eingestellt wurde. Allerdings nicht für lange. Mithilfe einer neuen Vereinigung setzte ich die Zeitschrift unter dem Namen Rebe und Wein fort. Gleichzeitig gebe ich auch die Zeitschrift Bulgaria – Land of Wine heraus, die sich der Promotion der bulgarischen Weine widmet.
Mein jüngstes Projekt geht auf meinen Traum, Lehrerin sein zu wollen, zurück. In einem Fachgymnasium für Transport, unweit von der Hauptstadt Sofia, unterrichte ich bulgarische Sprache und Literatur. Die Schüler dort – Kinder aus dem ländlichen Raum und der Roma-Minderheit – sind unglaubliche Kinder. Meine Leidenschaft für Wein versuche ich ihnen, im Rahmen eines außerschulischen Programms näherzubringen. Dort eignen sie sich die nötigen Grundlagen an, um sich für Studienplätze am Institut für Lebensmitteltechnologie, im Studiengang „Wein- und Spirituosentechnologie“, zu bewerben. Gleichzeitig erlernen wir gemeinsam Verkostungstechniken und den richtigen Umgang mit Alkohol.
2012 wurde ich zum ersten Mal gefragt, als Jurorin am „Concours mondial de Bruxelles“ teilzunehmen, um die Position der bulgarischen Weine zu unterstreichen. Als ich zum ersten Mal den Raum betrat und die mehr als 300 Juroren dort sah, wusste ich, dass der Wettbewerb auch nach Bulgarien kommen muss. 2017 wurde mein Wunsch wahr und der Concours wurde in Plovdiv, der europäischen Kulturhauptstadt 2019, ausgetragen.
Suchen Ihre Leser gezielt nach den heimischen, bulgarischen Weinen? Sind sie stolz drauf?
Julia Kostadinova: Ja, natürlich. Immer mehr Einheimische, aber auch Weinkenner aus dem Ausland interessieren sich für die Weine aus Bulgarien.
Jetzt mal Hand aufs Herz: Bricht die Expertin aus Ihnen heraus, wenn Sie privat Wein verkosten?
Leider ja. (Alle vier Jurorinnen antworten unisono mit einem breiten Lächeln auf den Lippen). Das nennt man wohl „Déformation professionnelle“.
Margarita Levieva: Diese Art der Prüfung überträgt sich auch auf andere Lebensmittel und es wird zu deiner zweiten Natur.
Gibt es eine Zukunft für den bulgarischen Wein?
Oh, ja (alle vier mit einer Stimme).
Margarita Levieva: Dem bulgarischen Wein fehlt die Werbung. Leider gibt es keine Richtung der Politik, um den Weinbau weiterzuentwickeln und ihn zu bewerben.
Julia Kostadinova: Es gibt bisher keine funktionierende Marketing-Vereinigung, die alle Weinproduzenten unter einem Dach versammelt.
Katia Ioncheva: Die nicht nur die Winzer vereint, sondern auch von der Regierung unterstützt wird. Während in Mazedonien eine kleine Vereinigung mit den größten Produzenten arbeitet und von der dortigen Regierung finanziell unterstützt wird.
Mehr über unsere Weinexpertinnen und ihre Arbeit gibt es hier:
Lozaivino.org und Bulgaria – Land of Wine (Zeitschriften auch auf Englisch)
Kata.bg (Weinkatalog mit bulgarischen Weinen und Kellereien)
taste.divino.bg (Online-Plattform der gleichnamigen „DiVino“-Ausstellung)
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