„Wir wollten einen neuen Weg gehen“ / Biowein-Pioniere an der Mosel feiern 20. Jubiläum
Als sich die Geschwister Yves und Corinne Sunnen im Jahr 2001 in Remerschen dem Bioweinbau verpflichteten, steckte dieser in Luxemburg noch in den Kinderschuhen. Heute, nach 20 Jahren, sind Bioweine längst in Luxemburg etabliert und dank der jungen Önologin Marie Kox gilt auch die Zukunft des Winzerbetriebs als gesichert.
Was für den Sprung ins kalte Moselwasser gilt, gilt auch für einen Neuanfang: Es braucht viel Mut und Urvertrauen, seit Generationen eingetretene Pfade zu verlassen, in der Hoffnung, dass das Vorhaben gelingt. Womöglich beides brauchten die Geschwister Corinne und Yves Sunnen von der Kellerei „Sunnen-Hoffmann“ in Remerschen, als sie im Jahr 2000 beschlossen, dem konventionellen Weinbau den Rücken zu kehren und von nun an Biowein herzustellen.
Das neue Kapitel in der Geschichte der 1872 gegründeten Familienkellerei besiegelten sie 2001, als sie sich mit anfangs 3 bis 4 Hektar der Neuausrichtung verpflichteten und als Biowinzer zertifizieren ließen. Am vergangenen Donnerstag (1. Juli) feierten Corinne und Yves Sunnen gemeinsam mit Marie Kox, die für die nächste Generation im Winzerbetrieb steht, ihr 20-jähriges Jubiläum als Biowinzer.
Die Idee zum Bioweinanbau kam aus dem Ausland, erzählt Yves Sunnen im Tageblatt-Gespräch. Damals seien immer mehr Winzerkollegen auf Biowein umgestiegen, die Entwicklung der Weine habe auch in Remerschen beeindruckt.
„Wir wollten einen neuen Weg gehen. Man hat gemerkt, der konventionelle Weinbau war zu diesem Zeitpunkt an seine Grenzen gelangt“, sagt er. Während beim konventionellen Anbau Düngen und Spritzen den Ton angeben, böte – damals wie heute – der Bioweinanbau dem Winzer die Möglichkeit, „mehr in Harmonie mit der Natur“ zu arbeiten. Bio ermögliche es, den Terroir, den Charakter des Anbaugebiets, in den Weinen zu betonen, es verleihe ihnen eine andere Struktur, unterstreicht der Winzer.
Neubeginn bei null
Die Ausgangssituation für den Bioweinanbau war Anfang 2000 Neuland für alle Beteiligten. „Das ‚Institut fir biologesch Landwirtschaft an Agrarkultur’ (IBLA) gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, die ‚Biovereenegung’ existierte – aber wir waren der einzige Bio-Winzer“, erinnert sich Sunnen.
Für den ausgebildeten Winzer kam die Umstellung dem Erlernen eines neuen Berufs gleich. Die Anfangszeit beschreibt er mit „Learning by doing“. Stellten sich grundsätzliche Fragen nach Düngung, Beratung oder gar Marketing, gab es niemanden, der sie beantworten konnte. Sunnen eignete sich das nötige Wissen für die Umstellung selbst an: aus dem umfassenden Werk „Biologischer Weinbau“ des Önologen Uwe Hoffmann, bei zahlreichen Seminaren des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum in Deutschland, dem Pendant des „Institut viti-vinicole“ (IVV) in Remich, knüpfte Kontakte zu gleichgesinnten Winzern aus dem Elsass und Deutschland, um an ihrem Erfahrungsschatz teilzuhaben.
Wie groß die Skepsis gegenüber dem Bioweinanbau anfangs war, zeigen zwei Anekdoten aus der Anfangszeit der Umstellung. Der damalige Bürgermeister, selbst Winzer und direkter Nachbar im Weinberg, sorgte sich beim Biowinzer, dass durch den Bioweinbau möglicherweise noch Krankheiten in den Weinbergen einziehen könnten. Und der damalige Direktor des Weinbauinstituts machte sich offenbar Gedanken, ob wegen der Bioweine eine neue „Marque nationale“ für sie eingeführt werden müsse.
Heute, 20 Jahre später, belächelt niemand mehr in Luxemburg den Bioweinbau. Er hat endgültig die Nische aus seiner Anfangszeit verlassen und sich inzwischen in Luxemburgs Weinlandschaft etabliert. Spezialisierte Fachleute im Weinbauinstitut in Remich stünden den Winzern mit Rat und Tat zur Seite, ebenso helfen das „Institut fir biologesch Landwirtschaft an Agrarkultur“ (IBLA) und die „Biovereenegung“ bei Fragen weiter, so Yves Sunnen. Der Austausch mit Biowinzern aus der Großregion und der spezialisierte Wetterdienst „Vitimeteo“ leisten außerdem wertvolle Unterstützung, sagt er.
Als Biowinzer schlagkräftig sein
Nicht nur die Branche, sondern auch die Domaine durchlief in dieser Zeit eine beachtliche Entwicklung: von den anfänglichen 3 bis 4 Hektar Weinberge bewirtschafte sie heute rund 9 Hektar, seit 2010 arbeite sie biodynamisch, schildert der Winzer. Im Bioweinanbau müsse man schlagkräftig und zur Stelle sein, wenn im Weinberg Probleme aufkommen. „Als Biowinzer arbeiten wir vorsorgend, präventiv und nie kurativ“, erklärt der Biowein-Pionier.
Möglicherweise liegt darin eine Ursache, warum viele konventionelle Winzer den Grundsätzen des biologischen Weinbaus positiv gestimmt sind, eine Umstellung auf Bio jedoch scheuen. Die ersten zwei Jahre nach einer Umstellung steige der Arbeitsaufwand im Weinberg deutlich, sagt Yves Sunnen. „Das Risiko ist aber überschaubar“, habe man erst mal die Grundlagen des Bioweinbaus verstanden. Dazu gehöre es, aufmerksam für die Entwicklungen im Weinberg zu sein, flexibel darauf zu reagieren und nicht starr an Regeln haftenzubleiben, nur weil sie in einem Lehrbuch stünden, unterstreicht der Mosel-Winzer.
„Den Weg weitergehen“
Auch die neue Generation im „Domaine Sunnen-Hoffman“ hat sich den Grundsätzen des Bioweinbaus verschrieben. Marie Kox arbeitet mit ihrer Mutter und einem Onkel in Remerschen mit und steht stellvertretend für die Zukunftsausrichtung des Betriebs. „Ich finde, wir sind auf dem richtigen Weg, den ich weitergehen will – weiterhin auf biodynamischen Weinbau setzen.“
Ganz unvorbereitet tritt die junge Frau ihre neue Aufgabe nicht an. Sie hat Weinbau und Kellerwirtschaft zunächst drei Jahre in Wien studiert und ihren Bachelorabschluss dort gemacht, ihren Masterabschluss erhielt Kox im französischen Montpellier – beide im Zeichen der Bioweine.
Wertschätzung der Qualität
Die Entwicklung des „Domaine Sunnen-Hoffman“ vom Pionier zur etablierten Größe im Bioweinbau in Luxemburg steht exemplarisch für die Entwicklung der Biolebensmittel hierzulande. Laut einer Studie des Landwirtschaftsministeriums, die Anfang Juli vorgestellt wurde, lägen Verbraucher in Luxemburg seit Beginn der Pandemie mehr Wert auf regionale Produkte. Mehr als 90 Prozent der Befragten bescheinigten außerdem den heimischen Produkten eine hohe Qualität, für die sie teilweise bereit wären, mehr zu bezahlen.
„Ich finde, der Biowein ist einen deutlichen Schritt vorwärtsgegangen, vor allem jetzt während der Pandemie“, bestätigt auch Marie Kox. Immer mehr Menschen würden sich für die Herkunft ihrer Lebensmittel interessieren und gezielt nach biologischen Produkten Ausschau halten. „Vor allem junge Menschen machen sich mehr Gedanken darüber, wie viel Arbeit in der Herstellung von Bio-Produkten steckt“, berichtet die junge Winzerin.
Daraus entstehe auch ein neues Bewusstsein für den Preis der Produkte. Waren noch vor 15 Jahren die Preise von Biolebensmitteln und Wein kritisch beäugt, hätten die Menschen heute eine andere Einstellung dazu, stellt auch Yves Sunnen fest. „Die Qualität – ob bio oder nicht – bestimmt den Preis, das ist ganz klar“, sagt der Winzer. „Menschen, die früher gerne guten Weißwein aus Frankreich für 15 bis 20 Euro die Flasche kauften, sind jetzt bereit, diesen Preis für Luxemburger Weine zu zahlen“, fügt er hinzu.
Bisher bauen nur wenige Winzerbetriebe Biowein an. „Wir werden weiterhin authentische Weine machen“, sagt Marie Kox. Heutzutage sei es dank zahlreicher Zusätze einfacher geworden, gute Weine zu machen. „Charaktervolle Weine, die eine Geschichte erzählen, sind jedoch rar.“ Diese Geschichte, die im Terroir stecke, in den Wein zu „erzählen“, das will man bei Sunnen-Hoffmann weiterhin anstreben, so Kox.
Domaine viticole Sunnen-Hoffmann
6, Wisswee
L-5441 Remerschen
Tel.: 23 66 40 07
Web: www.sunnen-hoffmann.lu
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