/ Darf ich mir Ihr Gehirn ansehen? – Das tut sich in der Demenzforschung in Luxemburg
Mit innovativen Forschungsprojekten und dem Programm Demenz Prävention treibt Luxemburg den Kampf gegen die Demenz voran. Jessica Oé hat mit Prof. Dr. Rejko Krüger vom „Luxembourg Centre for Systems Biomedicine“ gesprochen.
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Darf ich mir Ihr Gehirn ansehen? Das tut sich in der Demenzforschung in Luxemburg
Von außen sieht das „Luxembourg Centre for Systems Biomedicine“-Gebäude auf dem Universitätscampus auf Belval aus wie jedes andere moderne Bürogebäude. Fährt man mit dem Aufzug allerdings einige Stockwerke nach oben, landet man in einem beeindruckenden Labor. Das ist der Arbeitsbereich von Prof. Dr. Rejko Krüger und seinen Kollegen. Sie sind auf der Suche nach den neusten Erkenntnissen über neurodegenerative Krankheiten wie Demenz und Parkinson.
„Luxemburg muss sich mit seiner Neurodegenerationsforschung nicht verstecken. Im Gegenteil, da spielen wir in der obersten Liga mit“, sagt Prof. Dr. Krüger stolz. Das liegt daran, dass Luxemburg sich vor einigen Jahren bewusst dafür entschieden hat, seine Forschungen an den verschiedenen Instituten auf gesellschaftlich zukunftsrelevante Bereiche auszurichten. Man möchte sich den Bedürfnissen einer alternden Bevölkerung stellen. Dazu gehören insbesondere Demenz- und Parkinson-Erkrankungen, die immer mehr Menschen treffen.
Hirnbank in Luxemburg
Die Luxemburger Demenzforschung hat zwei Schwerpunkte: das Verständnis der Krankheit und die Erforschung von Präventionsmaßnahmen. Es gibt Forscher, die sich mit den Fragen beschäftigen: „Woher kommt die Demenz? Und wie verläuft sie genau?“ So etwa Dr. David Bouvier, der Hirngewebe von verstorbenen demenzkranken Spendern untersucht, um zu verstehen, woher die Eiweiße kommen, die sich im Gehirn ablagern und welche Auswirkungen die verschiedene Stützzellen im Gehirn beim Nervenzellenuntergang haben.
Dazu greift Bouvier aktuell auf eine Hirnbank aus Kanada zurück. In Zukunft könnte er allerdings auch an Luxemburger Gehirnen forschen. Im Rahmen der Parkinson- und der Demenzforschung ist geplant, dass auch in Luxemburg eine Hirnbank durch Prof. Dr. Michel Mittelbronn am Laboratoire national de Santé aufgebaut werden soll. „Wir haben mittlerweile das grüne Licht von der Ethikkommission bekommen, dass wir Teilnehmer unserer Studien dazu einladen können, ihr Gehirn der Forschung zur Verfügung zu stellen, nachdem sie verstorben sind“, erklärt Prof. Dr. Krüger.
Demenz durch den Darm heilen
Ein interdisziplinäres „Flagship Project“ der Universität Luxemburg wird den Einfluss von sozioökonomischen Faktoren und Mikrobiomen, also die im Darm lebenden Bakterien, auf die Demenz erforschen. Dazu vergleichen Prof. Dr. Anja Leist und Prof. Paul Wilmes die Ernährungsweisen, Stuhlproben und sozioökonomische Faktoren von an Gedächtnisstörungen erkrankten Personen mit denen gesunder Menschen. „Es hört sich experimentell an, aber es gibt Krankheiten, die eine Art Fingerabdruck im Darm hinterlassen, dadurch dass bestimmte Bakterienpopulationen vermehrt auftreten oder komplett verschwinden.“
Das Luxemburger Team will sehen, ob das auch bei neurodegenerativen Krankheiten der Fall ist. Ob das ein Auslöser für oder nur ein Nebeneffekt von einer Demenz ist. Und welchen Effekt es auf eine an Demenz leidende Person hat, wenn die Bakterienpopulationen im Darm wieder ins Gleichgewicht gebracht werden.
Schützt Mehrsprachigkeit vor Demenz?
Frauen sind häufiger von Demenz betroffen als Männer. Es gibt verschiedene Thesen wieso. Einerseits wird erforscht, ob der schlechtere Zugang zur Bildung für Frauen zu Beginn des Jahrhunderts die Häufung erklären könnte, da Menschen mit einem höheren Bildungsgrad weniger häufig und später von Demenz betroffen sind. Andererseits könnte der Unterschied auch hormonell bedingt sein. Dr. Enrico Glaab vom LCSB der Universität Luxemburg hat durch seine Forschung nachgewiesen, dass es Biomoleküle gibt, die im weiblichen Organismus anders reguliert sind und ist dabei auf ein Protein gestoßen, das möglicherweise eine Demenz bei Frauen wahrscheinlicher macht.
„Wie kann ich eine Demenz früher diagnostizieren? Welche Faktoren können eine Demenz verhindern?“ Das sind die beiden zentralen Fragen der Präventionsforschung in Luxemburg.
Dazu gehört beispielsweise das Forschungsprojekt von Dr. Magali Perquin vom Luxembourg Institute of Health. Sie versucht aktuell nachzuweisen, inwiefern die Mehrsprachigkeit eine Demenzkrankheit beeinflusst oder sogar verhindern kann.
Prävention
„Mit seinem Programm Demenz Prävention (PDP) ist Luxemburg eines von nur ganz wenigen Ländern, die auf institutioneller Ebene den Kampf gegen die neurogenerative Krankheit vorantreiben“, sagt Prof. Dr. Krüger. Das PDP wurde im Zuge des Aktionsplan Demenz vom Gesundheitsministerium ins Leben gerufen. Mitmachen können Menschen, die entweder mit einem „Mild Cognitive Impairment“, einer Art Vorstufe der Demenz, oder einer leichten Demenz leben. Aktuell nehmen 140 Menschen daran teil. Ziel ist es, in das Programm die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Prävention von Demenz einfließen zu lassen und ihre Wirkung zu beobachten.
„Gegen jedwede Art der Demenz kann man Präventionsmaßnahmen einsetzen“, erklärt Prof. Dr. Krüger. „Das sind einfach klingelnde Ratschläge wie zum Beispiel: Bewegen Sie sich ausreichend. Dazu gehören aber auch nicht so intuitive Taktiken wie sicherzustellen, dass man ausreichend hört, dass man soziale Kontakte pflegt und sich ausgeglichen und gesund ernährt.“ Das PDP analysiert die individuellen Risikofaktoren der Teilnehmer und soll mit Hilfe von gezielten Maßnahmen ein Ausbrechen der Demenz zu verhindern oder den Verlauf der Krankheit deutlich zu verlangsamen.
Keine endgültige Heilung
Doch von einer endgültigen Heilung ist die Forschung noch weit entfernt, sagt auch Krüger. „In 20 Jahren können wir sicherlich einige Unterarten der Demenz heilen. Aber ein einziges Medikament gegen alle Arten gibt es dann wahrscheinlich nicht.“ Der Forscher sieht allerdings bessere Chancen, um zumindest den Verlauf der Krankheit irgendwann stoppen zu können, auch wenn man die verlorenen Fähigkeiten nicht zurückerlangt.
„Ich glaube, es geht in die Richtung von individualisierten Risikoprofilen. Wenn wir wissen, welche Faktoren eine Demenz begünstigen, und wer von diesen betroffen ist – etwa durch ein bestimmtes genetisches Profil –, können wir zu passend zugeschnittenen Präventionsmaßnahmen raten.“
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