EU-Parlament / Neue Strategie im Umgang mit dem „Systemrivalen“ China
Wie sollen die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China künftig gestaltet werden? Ihre Vorstellungen dazu haben die EU-Parlamentarier in einem Initiativbericht zusammengetragen, der am heutigen Mittwoch zur Abstimmung steht und über den gestern im Europäischen Parlament (EP) in Straßburg debattiert wurde.
China ist neben Russland eine der großen außenpolitischen Herausforderungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten. Denn das Land, das in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Wirtschaftsriesen herangewachsen ist, ist mittlerweile „in einer zunehmenden Anzahl von Bereichen auch ein wirtschaftlicher Konkurrent und Systemrivale“, wie es im Bericht der EP-Abgeordneten heißt. Und die Beziehungen zwischen der EU und China sind dabei, sich zu verschlechtern. Denn nachdem der EU-Rat am 22. März dieses Jahres gegen vier chinesische Staatsbürger Sanktionen wegen deren Rolle bei der Unterdrückung der Volksgruppe der Uiguren in der Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas verhängt hatte, folgte prompt die Antwort aus Peking. Die kommunistische Führung setzte Gegensanktionen gegen europäische Einrichtungen und zehn Personen ein, darunter fünf EP-Abgeordnete. Sie hatten sich allesamt kritisch, vor allem was die Menschenrechtslage im Land anbelangt, mit China auseinandergesetzt.
Zu einer Eskalation wollen es die EP-Abgeordneten nicht kommen lassen, klein beigeben ist aber auch keine Option. Deshalb wollen sie, dass die EU im Rahmen ihrer auf sechs Säulen basierenden, neuen China-Strategie sehr wohl einen offenen Dialog und die Zusammenarbeit mit China sucht, wenn es um globale Herausforderungen geht. Dabei wurde gestern immer wieder der Kampf gegen den Klimawandel angeführt, bei dem China eine bedeutende Rolle zukommt. Denn in den letzten 30 Jahren hätten sich die Kohlenstoffemissionen des Landes verdreifacht und machten nun 27 Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes aus. Gleichzeitig aber solle sich die EU stärker „für universelle Werte, internationale Normen und Menschenrechte“ einsetzen. In diesem Zusammenhang kommt einer weiteren Säule der Strategie Bedeutung zu, nämlich dem „Aufbau von Partnerschaften mit gleichgesinnten Partnern“.
Doch China geht auf internationaler Bühne längst ähnliche Wege. Denn Peking versucht in internationalen Organisationen, allen voran den Vereinten Nationen (UNO), „Normen, Standards und Gepflogenheiten im Sinne von Chinas langfristiger Strategie und seinen wirtschaftlichen Interessen weltweit umzugestalten“, wie es im EP-Bericht heißt. Und über das Projekt einer neuen Seidenstraße versucht das kommunistische Regime, Staaten und ganze Regionen wirtschaftlich an sich zu binden. Was die Berichterstatterin Hilde Vautmans von den Liberalen gestern zur Forderung bewog, die EU sollte dem eine europäische Alternative entgegensetzen.
Riskante Geschäfte
Doch noch tun sich die EU-Staaten schwer mit China, weshalb der estnische EP-Abgeordnete Sven Mikser eine größere Einigkeit in der EU einforderte. Wobei der Sozialdemokrat wohl nicht zuletzt Ungarn im Visier hat, das nicht nur die Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen in China im Rat blockierte, sondern geradezu um die Gunst Pekings buhlt, indem die Regierung von Viktor Orban etwa die Niederlassung einer chinesischen Universität in Budapest fördert. Sehr zum Leidwesen des Bürgermeisters der ungarischen Hauptstadt. Den ungarischen Fall dürfte auch Nathalie Loiseau im Sinn gehabt haben, als sie den EU-Europäern Naivität gegenüber China vorwarf. Denn gerade im Bereich der Universitäten und mittels der Konfuzius-Institute in der EU, versuche Peking Einfluss auf die Lehre und Forschung in Europa auszuüben, insbesondere wenn es um China betreffende Themen gehe, so die französische Liberale.
Dass Geschäfte mit China aber „sehr riskant“ sein können, darauf wies der litauische EVP-Abgeordnete Andrius Kubilius hin, dessen Land sich den Ärger Pekings zugezogen hat, da es eine Vertretung in Taiwan eröffnen wollte, das China bekanntlich für sich beansprucht. Nun werden litauische Unternehmen in China boykottiert, weshalb Vilnius unlängst entschieden hat, sich aus dem Konsultationsforum „17+1“ zurückzuziehen, das der Förderung der geschäftlichen Beziehungen zwischen hauptsächlich mittel- und osteuropäischen (EU-)Staaten einerseits und dem Reich der Mitte andererseits dient.
Um sich künftig gegenüber China zu behaupten und grundlegende europäische Interessen und Werte zu verteidigen, sollte sich die EU zu einem „wirksamen geopolitischen Akteur“ umwandeln, empfehlen die EP-Abgeordneten. Das aber habe seinen Preis, den die Europäer nicht unbedingt gewillt seien, zu bezahlen, monierte gestern der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Philipp Lamberts, bei einer anderen Gelegenheit.
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