Im Praxistest / Nissan Leaf 10+ überzeugt mit Vorbild-Rolle
Vor etwas mehr als zehn Jahren kam mit dem Nissan Leaf die erste vollelektrische, fünftürige Familien-Limousine eines Großserien-Herstellers auf den europäischen Markt, ein E-Auto mit Signalwirkung, das die Branche nachhaltig beeinflusste und auch heute noch als Referenz für erschwingliche E-Mobilität angesehen wird. Zum Jubiläum führte Nissan im Laufe des Jahres 2021 ein Sondermodell Leaf 10 ein. Grund genug für Marc Schonckert, sich mit diesem Modell zu befassen.
Der Nissan Leaf ist auch zehn Jahre nach Markteinführung bestens aufgestellt, um seine Beliebtheit als erschwinglicher Familien-Elektriker auszubauen. Seine Vorteile sind Komfort, Raumangebot, Ausstattung und unkompliziertes Fahrverhalten bei annehmbarer Reichweite.
Der Leaf ist 4,49 m lang, hat vier Türen und eine Heckklappe und bietet viel Platz und Komfort für fünf Personen. Das Sondermodell Leaf 10 hebt sich in der Farbe Keramik Grau mit glänzendem schwarzen Dach von den anderen Modellen ab und zeigt im Innenraum und an einigen Außenelementen Ansätze japanischer Handwerkskunst in Form von dekorativen Mustern, die aus Holzleisten zusammengefügt wurden und Carbon-Einlagen ähnlich sehen, die man auch an den Außenspiegeln und den Dachlinien findet, was dem Leaf 10 einen aparten Look verleiht. Ansonsten lässt sich zum Interieur nur feststellen, dass hier Funktionalität und Übersichtlichkeit in dezenter Eleganz dominieren und Fahrer wie Mitfahrer über großzügiges Platzangebot und viel Beinfreiheit auf der Rückbank verfügen. Der Leaf ist ein Familienauto, das in der Stadt mit Handlichkeit und auf der Strecke mit gemütlichem Fahrverhalten glänzt, dies unter Berücksichtigung aller Besonderheiten, die ein E-Auto in puncto Reichweite und Stromverbrauch begleiten.
Den Leaf kann man zu Hause an der normalen Steckdose laden, das dauert bei 3,6 kW Wechselstrom allerdings seine Zeit, was einen Eigenheimbesitzer mit Garage nicht weiter beunruhigen wird, vorausgesetzt, er benutzt die Nacht zum Ausruhen und das Auto diese Zeit zum Laden. Schneller geht es an der 50-kW-Ladesäule mit Chademo-Anschluss, der allen japanischen E-Autos eigen ist. Hier dauerte es knapp eine Stunde, um wieder Nachschub für etwa 200 km Autonomie zu laden, damit kann man leben. Vorausgesetzt, man findet einen solchen Schnelllader, der mehr hergibt als die bei uns üblichen Chargy-Säulen.
Unser Leaf 10+ hatte eine Batterie mit 62 kWh Kapazität, das reicht laut Hersteller für eine Reichweite nach WLTP-Testverfahren von theoretischen 385 km, dafür dürfte man allerdings einen Durchschnittsverbrauch von 16,1 kWh auf 100 km nicht überschreiten, was in der Praxis, vor allem bei schlechten Witterungsverhältnissen, nicht gerade einfach sein wird.
Unsere Fahrt mit dem Leaf 10 begann bei voller Batterie und angegebener Reichweite von – theoretischen – 386 km. Es waren 2 Grad draußen, es regnete und es war dunkel. Also beim Start die Heizung, das Gebläse, die Wischer und die Scheinwerfer eingeschaltet und schon sank der Autonomie-Pegel auf knapp 360 km. Nach dem Warnschuss ging es auf die Reise, im Fahrmodus „Normal“, daneben stehen „Eco“ und „Sport“ zur Verfügung. Den „Eco“-Modus mit beschränkter Heizungsfunktion schalteten wir nicht ein, bei diesem Wetter wollten wir nicht auf 23 Grad Innentemperatur verzichten. Es folgten 180 km Autobahn im Regen, mit ordentlichem Tempo zwischen 100 und 110 km/h und diese 180 km kosteten uns 244 km Autonomie. Errechneter Durchschnittsverbrauch: 17,6 kWh pro 100 km Fahrt. Auf einer zweiten Reise fuhren wir 165 km auf hügeliger Landstraße mit vielen Bergaufpassagen und dieses Mal zeigte die Autonomie-Anzeige einen Verbrauch von 213 km. Verbrauch: 17,7 kWh pro 100 km. Rechenbeispiele im Zeitalter der E-Mobilität.
Erstaunlicherweise zeigte sich der Leaf bei der Autobahnfahrt gar nicht so gierig, wie bei E-Fahrzeugen behauptet wird, die ja im langsamen Stadtverkehr weniger verbrauchen sollen als bei zügiger Fahrt über Land. Doch wer auf der Autobahn gefühlvoll und sanft mit dem Fahrpedal umgeht und rasante Beschleunigungen vermeidet und auf flacher und abfallender Strecke gemütlich dahinsegelt, kann hier Werte erreichen, die im Stadtverkehr nicht immer angesagt sind. Denn wer von Ampel zu Ampel beschleunigt und immer wieder neue Fahrt aufnehmen muss, wird dies mit hohem Energieverbrauch bezahlen, den auch die bestmögliche Rekuperation beim Bremsen und Auslaufen nicht wettmachen wird. Doch auch bei einem Verbrauch, der bei zügiger Fahrweise immer noch unter 20 kWh/100 km liegt, sind mit der 62-kWh-Batterie gut 300 km drin.
Fazit: Der Nissan Leaf+ hat mit seinem Fahrkomfort, seinem Raumangebot, seiner vorbildlichen Ausstattung mit allen relevanten Assistenz-Systemen und seiner Reichweite immer noch die Nase vorn im Segment der erschwinglichen E-Autos für die ganze Familie.
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