Derby in Esch / Schlechter sah es selten aus
Es wäre etwas verfrüht und reißerisch, vom „El Catastrofico“ anstatt vom „El Clasico“ zu sprechen. Das Duell zwischen den beiden Escher Teams Jeunesse und Fola fand aber selten auf einem niedrigeren Niveau statt als in diesem Jahr. Beide Teams sind laut aktuellem Stand der Dinge Abstiegskandidaten. Fola steht auf dem 14., Jeunesse auf dem 11. Platz. Schlechter waren beide Teams vor einem Derby nicht platziert – seit die „Doyenne“ wieder in der BGL Ligue antritt (2008/2009). Die Mannschaft, die das Derby gewinnt, kann zumindest für ein paar Tage durchatmen.
Manchmal haben Trainerwechsel einen dauerhaften, manchmal auch nur einen temporären Effekt. Bei der Fola scheint die zweite Variante der Fall zu sein. Nach der Entlassung von Miguel Correia Mitte Oktober übernahm sein bisheriger Assistent Serge Wolf die „Doyenne“. Bis auf Weiteres – denn der Verein will dem ehemaligen Mondorfer Cheftrainer eine Chance geben, sich zu bewähren. Seine Premiere verlief nach Plan: 4:1-Sieg gegen Rosport. Danach fiel die Fola in ihr bisheriges Saisonmuster zurück. In Wiltz gab es eine deftige 5:1-Klatsche gegen einen Gegner, der wohl über Talent verfügt, aber eigentlich zu den Teams zählt, mit denen die Fola auf Augenhöhe sein sollte.
Nun könnte man behaupten, dass der starke personelle Aderlass, bedingt durch die finanziellen Engpässe, zu diesem Ergebnis geführt hat. Betrachtet man jedoch die Anfangself der Fola und die Bankspieler, dann kann man nur zum Schluss kommen, dass auf dem „Gaalgebierg“ etwas faul ist. Akteure wie Nationalspieler Diogo Pimentel, Abwehrroutinier Julien Klein, Flügelspieler Lucas Correia oder Nenad Dragovic, sind mehr als nur mittelmäßige BGL-Ligue-Spieler. Die Eigengewächse der Fola haben ein gewisses Niveau und könnten theoretisch in dieser Liga mithalten. Man könnte argumentieren, dass der Fola zuletzt erfahrene Spieler wie Gilson Delgado, Jules Diallo oder Stefano Bensi fehlten. Eines der Hauptprobleme ist aber, dass der Mercato im vergangenen Sommer nahezu ein kompletter Reinfall war – wohl auch aus finanziellen Gründen.
Trotz der schlechten Abwehr fehlt der Fola aber vor allem ein Spielmacher. In den vergangenen Jahren lebten die Escher auch von ihren starken Zehnern, wie Dejvid Sinani und Nachfolger Mirza Mustafic. In dieser Saison ist kein Spieler im Kader, der nur annähernd in diese Fußstapfen treten könnte.
Flagrant ist aber vor allem die Untergangsstimmung, die teilweise auf dem Platz herrscht. Vor dem Derby hat die Fola ein Torverhältnis, das um 20 Einheiten schlechter ist als das der Jeunesse. Der Verein des neuen Präsidenten Paul Olk hat die schlechteste Abwehr der Liga (32 Gegentore in elf Spielen) und ging bereits dreimal mit fünf oder mehr Gegentoren vom Platz. Vor etwas mehr als einem Monat sagte Sportdirektor Pascal Welter im Tageblatt-Interview, dass die Führungsspieler derzeit ihrer Leistung hinterherlaufen und deshalb keinen Einfluss auf ihre unerfahrenen Nebenspieler nehmen können. An dieser Situation scheint sich noch immer nichts geändert zu haben.
Schlechte Voraussetzungen vor dem Derby gegen die Jeunesse. Ein Spiel, das umso wichtiger ist, als die Fola in den drei verbleibenden Spielen der Rückrunde zweimal auf Teams trifft, die sich derzeit im Kampf um die Europapokalplätze positioniert haben (Progrès und Racing). Verliert die Fola also gegen Jeunesse, wird das Abstiegsgespenst allgegenwärtiger auf dem „Gaalgebierg“.
Jeunesse defensiv besser
Etwas, wenn auch nicht viel besser sieht es beim Erzrivalen von der „Grenz“ aus. Die Jeunesse hat drei Punkte mehr auf dem Konto stehen und, wie schon erwähnt, das deutlich bessere Torverhältnis. Die Schwarz-Weißen können also auch bei einer Niederlage am Sonntag nicht vom Nachbarn überholt werden.
Genau wie die Fola hat die Jeunesse bereits einen Trainerwechsel hinter sich. Henri Bossi wurde am 16. Oktober nach dem 2:0-Sieg gegen Strassen offiziell entlassen. Bossi hatte kurz nach dem Spiel von der „besten Saisonleistung“ gesprochen. Für den Vorstand war das Tischtuch zwischen Trainer und Mannschaft aber bereits lange davor zerschnitten. Das Interim übernahm Sportdirektor Jacques Muller. Dieser Wechsel zeigte seine Wirkung. Zunächst mauerte man sich zu einem 0:0 gegen Petingen. Nach dieser Partie bemängelte der Meistertrainer von 2010 vor allem die schlechte Fitness einiger Spieler.
Die schien sich gegen Etzella bereits verbessert zu haben. Am vergangenen Wochenende schoss sich die Jeunesse gegen die kriselnden Ettelbrücker beim 6:0-Sieg den Frust von der Seele. Eine erstaunliche Offensivleistung, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Bianconeri in zehn Partien gerade einmal acht Treffer erzielt. Der große Unterschied zur Fola ist, dass die Jeunesse in besagten Spielen nur 13 Gegentore kassierte.
Das größte Problem der Elf von der „Grenz“ bleibt aber weiterhin der Angriff. Im Winter soll nachgelegt werden. Aktuell verfügt die Jeunesse über keinen treffsicheren Stürmer. Bester Torschütze ist derzeit Spielmacher Alexis Larrière (sechs Tore). Der einzige richtige Mittelstürmer im Kader, Demba Seck, war sehr lange „durchsichtig“, feierte aber am vergangenen Wochenende gegen Etzella eine Art Coming-out mit zwei Toren und einer Vorlage.
Insgesamt ist die derzeitige Stammelf der Jeunesse ausgeglichener aufgestellt als die der Fola. Im Kader tummeln sich vor allem Spieler mit viel BGL-Ligue-Erfahrung wie Kapitän Milos Todorovic, Mittelfeldspieler Maxime de Taddeo, Offensivspieler Luca Duriatti, Sechser Irvin Latic und eben Larrière. Am Sonntag wird allerdings Flügelspieler Almir Klica wegen einer Verletzung fehlen.
Aber genau wie für den Lokalrivalen, ist auch für den Rekordmeister ein Sieg am Sonntag wichtig, da bis zur Pause noch die Schwergewichte Differdingen und Hesperingen warten.
Auf die Escher Zuschauer wartet also ein Derby, wie es schon lange keines mehr gab. Es geht nicht um Europapokal oder Titel für eine der beiden Mannschaften, sondern um Punkte, die im Überlebenskampf wichtig sind. Auch diese Ausgangslage kann sehr viel Spannung und Kampf auf dem Platz versprechen.
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