„déi gréng“ / Sozialer und weniger extrem als zu Beginn: Frenz Schwachtgen über die Grünen
Vor 35 Jahren – je nach Lesart etwas früher – wurde die grüne Partei in Luxemburg gegründet. Frenz Schwachtgen, damals hauptsächlich Umweltaktivist und Kämpfer gegen Atomkraft, war mit dabei, als die Partei aus GAP und GLEI entstand. Vor dem Nationalkongress der Partei, der am Wochenende stattfinden sollte und gestern wegen des Kronenvirus abgesagt wurde, sprachen wir mit dem früheren Lehrer über die Partei, aber auch über die spezielle Differdinger Situation.
Als sich Roberto Traversini nach der „Gaardenhaischen“-Affäre von all seinen politischen Ämtern zurückzog, hätte Schwachtgen Differdinger Bürgermeister werden können. Die Betreuung seiner Enkelkinder, von denen das jüngste gerade mal ein paar Wochen alt ist, und die Pflege seiner Gesundheit waren ihm allerdings wichtiger – und „mit 70 muss man sich den Stress und die 40-Stunden-Woche in dem Amt nicht mehr antun“, so der Urgrüne, der auch so noch ausreichend politisch unterwegs ist. Die Nachfolgerin von Traversini, Christiane Brassel-Rausch, und seine Parteisektion unterstützt er mitunter durch die Arbeit in zahlreichen Gemeindesyndikaten recht intensiv, unter anderem vertritt er die Kommune im Syndikat Pro-Sud. Und auch wenn der Hobby-Schafzüchter keine spezielle Funktion mehr in der Grünen-Sektion hat, so hat er als einer der bekanntesten und best gewählten Vertreter seiner Sektion doch eine anstrengende Zeit hinter sich.
Den Fall Traversini kommentiert er als eine schwere Zeit, wie sie nur einmal im Leben zu bewältigen sei. Anfangs habe die Sektion den Bürgermeister noch verteidigt, doch als nach und nach die Wahrheit ans Licht gekommen sei und Traversini selbst seine Fehler eingeräumt habe, sei das ein böses Erwachen inklusive moralischer Krise gewesen. Dennoch blieben die Mitglieder der Parteisektion der Grünen treu, so Schwachtgen, an Parteiversammlungen würden oft 20 bis 30 vor allem junge Menschen teilnehmen, eine Ausnahme in einer von Politikverdrossenheit geprägten Epoche. Die Sektion habe die Krise zwar noch nicht überwunden, habe sich aber stabilisiert und werde sich erholen. Inwieweit die unsauberen Machenschaften von Traversini wirken, ist noch offen – die Justiz hat ihre Untersuchungen noch nicht abgeschlossen.
In Differdingen vernahm Schwachtgen übrigens keine öffentliche Schuldzuweisung an die grüne Partei. Sippenhaft-Attacken habe es keine gegeben – wohl auch, weil sich die Sektion in der Frage Transparenz auf die Fahne geschrieben habe und offensiv betone, ein verantwortungsbewusster Politiker, der nicht absolut korrekt in seiner Amtsführung sei, habe in dem Amt des Bürgermeisters nichts verloren. Ein Comeback des einst beliebten Politikers schließt Frenz Schwachtgen denn auch aus.
Gewachsene soziale Sensibilität
In Bezug auf „déi gréng“ und deren Entwicklung im Lauf der Jahrzehnte verweist der Pädagoge auf die gewachsene soziale Sensibilität der Partei, die sich ursprünglich fast ausschließlich mit Naturschutz, Umweltproblematik und Atomkraft beschäftigte. Die Industriemülldeponie „Ronnebierg“ war zu Beginn der Differdinger Grünen, die übrigens immer eine Sonderposition innerhalb der Bewegung hatten und noch lange als „déi gring“ auftraten, als alle anderen „déi gréng“ hießen, ein wichtiges Thema.
Soziale Themen, so Schwachtgen, waren damals noch nicht so präsent, heute sind die Grünen eine komplette Partei, die zu allen politischen Sparten Stellung nimmt. In Differdingen seien zum Beispiel die meisten Veranstaltungen der Parteisektion weiterhin öffentlich; jeder könne kommen. Die Ursprünge der grünen Partei – und dies erkläre die beschriebene offene Tradition – waren stark beeinflusst von der Herkunft aus „Mouvement écologique“ und Bürgerbewegungen.
Die basisdemokratische Ausrichtung, die weiterhin gelte, sei ebenso wie das immer noch starke Engagement für Umwelt und Klima aus diesen Gründerzeiten weiter präsent geblieben. Und trotz der inzwischen vielen Wähler aus bürgerlichem Milieu, die gerne als Mittelschicht qualifiziert werden, und einer wohl stattgefundenen Verschiebung in Richtung politischer Mitte seien die Grünen immer noch eine linke, fortschrittliche Partei.
Möglichkeiten und Grenzen der Realpolitik
Im Rahmen der unlängst in Deutschland entbrannten Diskussion über Sinn oder Unsinn von schwarz-grünen Koalitionen, einer auch hierzulande möglichen künftigen Regierungsmehrheit, verweist der Vertreter einer Sektion, die diesen Weg vor Jahren eingeschlagen hat, auf die Möglichkeiten und Grenzen der Realpolitik. Viel hänge von den Möglichkeiten der Umsetzung der eigenen Politik ab. Auch gemeinsam mit einer konservativen Partei könne grüne Politik gemacht werden. In der Regierung könne viel von den grünen Ideen und Programmpunkten umgesetzt werden, trotz des liberalen Regierungspartners DP. Obwohl nur jeder Fünfte Grün wählt, sei so relativ viel zu erreichen, auch wenn sich beispielsweise Minister Claude Turmes mit konsequenter Politik im Sinne von mehr Klimaschutz regelmäßig Anfeindungen aussetze.
Vielleicht hat es auch mit dieser Realpolitik zu tun, dass die Grünen inzwischen stärkere Kritik seitens des „Mouvement écologique“ zu spüren bekommen (der, das betont Méco-Mitglied Schwachtgen, mit seinen Forderungen weiterhin richtig liege) und im Verhältnis mit den Forderungen der „Fridays For Future“-Bewegung weniger extrem erscheinen. Als die Grünen gegründet wurden, hätten manche den Verbleib auf dem außerparlamentarischen Weg vorgezogen; er selbst habe die Möglichkeiten der Umsetzung seiner Ideen in den gewählten Gremien bevorzugt, den Weg durch die Institutionen (frei nach Dutschke) beschritten.
Während unseres Gesprächs schnitt Frenz Schwachtgen, ganz Lokalpolitiker und nie mit großen nationalpolitischen Ambitionen unterwegs, mehrmals lokale Differdinger Themen an, die allerdings den Rahmen dieses Beitrags sprengen würden. So kennt er sich hervorragend mit der Müllproblematik, den Altlasten der Arbed auf dem „Déifferdenger Bierg“, den Schwimmbad-Preisen im privatisierten Spaßbad und der wachsenden Verkehrsproblematik in den Straßen der Grenzgemeinde aus. Jedenfalls genug, um seiner Parteisektion und der Gemeinde auch weiterhin, wenn auch nicht in erster Reihe und an vorderster Front, eine wichtige Stütze zu bleiben.
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