Indien / Wie das kommunistisch regierte Kerala die Pandemie in Schach hält
Indien zählt inzwischen zu den Top 10 der Länder mit den meisten Corona-Fällen. Es gibt dort mehr als 140.000 bekannte Infektionen und mehr als 4.200 Menschen sind bereits gestorben. Doch ein Bundesstaat des Subkontinents fügt sich nur schwerlich in diese Statistik ein. Seit Wochen stemmt sich das kommunistisch regierte Kerala erfolgreich dem Coronavirus entgegen – besonders eine Frau gibt dabei die Richtung vor.
Wenn K. K. Shailaja nicht vorbereitet gewesen wäre, es hätte schief ausgehen können für Kerala. Der kleine, im Süden Indiens gelegene Bundesstaat mit seinen knapp 35 Millionen Einwohnern hatte am 24. März 100 Fälle. Das waren damals ein Fünftel aller nachgewiesenen Infektionen in Indien – in einem Bundesstaat, der gerade mal 2,5 Prozent der Bevölkerung des ganzen Subkontinents stellt. Doch die Gesundheitsministerin war vorbereitet.
Die ehemalige Lehrerin, die von den Menschen in Kerala nur Shailaja-Lehrerin genannt wird, hatte bereits früh im Januar vom neuartigen Coronavirus in China gelesen. Sie rief umgehend ihren Experten an und fragte ihn, ob das Virus nach Kerala kommen werde. Das wird es, bekam Shailaja dem Guardian zufolge als Antwort. Damit wurde ein Plan in Gang gesetzt, der den kommunistisch geführten Bundesstaat vier Monate später mit nur fünf Covid-19-Toten und weniger als 600 Erkrankten dastehen lässt. Die internationale Presse feiert Shailaja inzwischen als „Corona Slayer“ oder als „Corona Rockstar“.
Frühes Fiebermessen bei Ankünften aus China, eine effiziente menschliche Nachverfolgung einzelner Fälle, vor dem Rest Indiens erlassene Regeln zur Hygiene und zur Abstandshaltung haben den Bundesstaat vor Schlimmerem bewahrt. Doch das ist wohl nicht alles, denn Kerala ist ein politisches Kuriosum. Kommunistische Parteien sind im Bundesstaat Kerala fest verankert, stellen seit 1950 immer wieder die Regierung. Auch zurzeit ist das mit der regierenden marxistischen Communist Party of India der Fall.
Viel Gemeinwesen
Im Vergleich zum restlichen Indien geht es Kerala wirtschaftlich gut. Eine wichtige Einnahmequelle ist der Tourismus. Kerala hat die höchste Alphabetisierungsrate und die niedrigste Kindersterblichkeit Indiens. Das Gesundheitswesen, das zum Teil privatisiert ist, in das seit 2016, als Shailajas Partei an die Macht kam, aber wieder verstärkt investiert wurde, hat diese Krise gemeistert, auch dank einer vergleichsweise hohen Zahl an Betten.
Der relativ hohe Wohlstand und eine dadurch gesteigerte Mobilität der Einwohner Keralas sowie der Tourismus bedeuteten zu Beginn der Pandemie eine besondere Gefahr. Seinen ersten Fall hatte Kerala Ende Januar, wenig später waren es zwei mehr. Es handelte sich jeweils um Studenten, die über die Feiertage des chinesischen Neujahrsfestes aus Wuhan zurück in ihre Heimat geflogen waren.
Bereits vor der ersten nachgewiesenen Infektion in Kerala hatte Gesundheitsministerin Shailaja in ihrer Behörde ein Team zusammenstellen lassen, das sich um eventuelle Ansteckungen mit dem Coronavirus kümmern sollte. In der Folge stiegen die Fälle zwar rasch an – doch die Kombination aus Maßnahmen, frühem Handeln und klarer Kommunikation zahlte sich bald aus. Kerala steht jetzt auf dem indischen Subkontinent als der Bundesstaat da, der sich als erster wieder aus dem Lockdown winden möchte.
Klare Kommunikation
Keralas Regierung konnte bei der Bewältigung der Krise auf vergangene Erfahrungen zurückgreifen. Auch Gesundheitsministerin Shailaja war vor zwei Jahren bereits im Amt, als der Bundesstaat erfolgreich gegen Nipah kämpfte, ein Virus, das von Fledermäusen auf Menschen übertragen wurde und gegen das es weder eine Impfung noch ein Medikament gab. Daneben kam dem Bundesstaat jetzt zugute, dass die Politik seit der Unabhängigkeit Indiens insbesondere in den Bereichen Gesundheit und Bildung auf das Gemeinwesen statt auf eine Zentralisierung setzte. In jedem Dorf Keralas gibt es ein Gesundheitszentrum, in jedem Distrikt und in jedem Tehsil (einer dem Distrikt untergeordneten Verwaltungsstruktur) gibt es ein Krankenhaus.
Damit die Menschen sich einfacher an die Abstandsregelungen während der Corona-Krise halten konnten, wurde Kindern die vergangenen Wochen über das Schulessen nach Hause geliefert. Aufrufe zur Nachbarschaftshilfe wurden ernst genommen und umgesetzt, eine Telefon-Notsorge für Lockdown-bedingte psychische Probleme eingerichtet. Der hohe Alphabetisierungsgrad vereinfachte die Kommunikation der Regierung und damit den Kampf gegen Falschnachrichten. Die vielen Gastarbeiter und Binnenwanderarbeiter wurden in mehr als 20.000 Camps in Obhut genommen und versorgt, was in weiten Teilen Indiens nicht der Fall war und für neue Infektionsketten sorgte. Das menschliche Contact Tracing wurde hochgefahren, um Ansteckungsherde möglichst rasch aufzuklären. Risikopatienten mussten sich früh in Quarantäne begeben – sodass Ende April 90 Prozent aller Patienten unter 60 Jahre alt waren und damit der Krankheitsverlauf auch oft weniger schlimm ausfiel. Indien zählt derzeit knapp 4.200 Covid-19-Tote, Kerala fünf.
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