Tokyo 2020 / 1.500-m-Läufer Charel Grethen: „Da wurde mir erst klar, dass ich das Halbfinale wohl erreicht habe“
Charel Grethen hat sein Ziel erreicht und ist ins olympische Halbfinale über die 1.500 m gelaufen. Der Luxemburger überzeugte durch ein taktisch cleveres Rennen, sieht aber noch Verbesserungspotenzial für Donnerstag.
Nachdem Charel Grethen die Linie überquert hatte, musste er erst einmal die Konkurrenten zählen, die vor ihm ins Ziel liefen. Er zählte deren fünf. „Da wurde mir erst klar, dass ich das Halbfinale wohl erreicht habe.“ Und Grethen hatte sich nicht verzählt. Sein sechster Platz in 3:41,90 Minuten war gleichbedeutend mit der direkten Qualifikation für das olympische Halbfinale über 1.500 m. Es ist der größte Erfolg des luxemburgischen Mittelstreckenläufers. „Ich stand zwar schon bei einer Europameisterschaft im Halbfinale, aber ein olympisches Halbfinale ist noch so viel größer. Hier sind nur die Besten der Welt am Start.“
Im Vorfeld hatte Grethen, dessen Bestzeit bei 3:36,75 Minuten liegt, auf einen relativ schnellen Vorlauf gehofft, da sich neben den sechs Ersten der drei Vorläufe auch noch die sechs weiteren Zeitschnellsten für das Halbfinale qualifizieren. Aber bereits vor dem Start des 2. Vorlaufs war Grethen klar, dass es wohl eher ein taktisches Rennen werden würde und er sein Ziel somit über die Platzierung schaffen müsste. Mit dem US-Läufer Matthew Centrowitz hatte sich der Olympiasieger von Rio gleich an die Spitze des Rennens gesetzt. „Er kontrolliert gerne von vorn, da war mir klar, dass es kein ganz schnelles Rennen werden würde“, so Grethen, der einen guten Start hatte und sich in den vorderen Positionen einreihte. Der 29-Jährige blieb ruhig. „Ich weiß, dass ich ein gutes Finish habe. Von daher hat mich der Rennverlauf jetzt nicht speziell nervös gemacht.“
Reserven für das Finale
Nach dem guten Start hat Grethen anschließend einige Positionen verloren und fand sich etwas weit hinten im Feld wieder. Zwischen 650 und 750 m kam es zu zwei kleineren Rempeleien, von denen der Luxemburger sich aber nicht beirren ließ. „Ich wollte nicht zu viel Kraft mit Positionskämpfen verlieren. Deshalb habe ich einfach auf den richtigen Moment gewartet, um mich wieder nach vorne zu arbeiten.“ Wer zu schnell die Geduld verliert und gleich auf Teufel komm raus nach vorne will, riskiert dann wieder zurückzufallen und muss sich erneut durchkämpfen. „Auf dieses Spielchen wollte ich mich nicht einlassen.“
Grethen blieb ruhig, arbeitete sich nach vorne und ging an zweiter Stelle, Schulter an Schulter mit dem amtierenden Olympiasieger, in die letzte Runde. „Ich war noch nicht bei 100 Prozent und hatte noch Reserven für das Finale.“ So etwas gibt noch einmal zusätzliches Selbstvertrauen für die letzten 400 m. Ein paar Konkurrenten arbeiteten sich noch an Grethen vorbei. „Auf den letzten 100 m hofft man einfach nur, dass man seine Position halten kann und es bis ins Ziel schafft.“ Der Äthiopier Samuel Zeleke schaffte es noch an Grethen vorbei, fürs Halbfinale reichte es für den Luxemburger dennoch. Der Ökonom aus dem Arbeitsministerium hatte schließlich selbst nachgezählt.
Du musst innerhalb des Bruchteils einer Sekunde Entscheidungen treffen, da kannst du nicht lange über die beste Taktik nachdenken
Das Halbfinale – Grethen wird am Donnerstag um 13.10 Uhr MESZ im zweiten Lauf starten – kann der Luxemburger nun ganz ohne Druck angehen. Er erwartet ein schnelleres Rennen als im Vorlauf. Vor allem der Australier Stewart McSweyn, der diese Saison schon 3:29,51 gelaufen ist, läuft seine Rennen gerne von vorn. Mit dem Norweger Jakob Ingebrigtsen und Centrowitz sind noch zwei Läufer in Grethens Halbfinale, die schon 3:30 beziehungsweise 3:29 gelaufen sind. Der Luxemburger hat mit 3:36,75 Minuten die langsamste Zeit unter den 13 Konkurrenten.
Grethen wird im Vorfeld mehrere taktische Szenarien durchspielen, um optimal vorbereitet zu sein, auch wenn es am Ende auf den Instinkt ankommt. „Du musst innerhalb des Bruchteils einer Sekunde Entscheidungen treffen, da kannst du nicht lange über die beste Taktik nachdenken“, so Grethen, der trotz seines starken Vorlaufs noch Verbesserungspotenzial sieht. „Auf den letzten 50 m bin ich etwas verkrampft, da muss ich versuchen, lockerer zu bleiben.“ Vielleicht gelingt es ihm ja bereits am Donnerstag im Halbfinale.
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