In Hamm / 12 points for Luxembourg: Mark Notschaele ist Europameister im Equipped Powerlifting
Im Equipped Powerlifting kommt es oft anders, als man denkt – in diesem Fall im positiven Sinne für den neuen Europameister Mark Notschaele. Der Luxemburger war keineswegs mit der Erwartung, Gold zu gewinnen, in den Wettkampf gestartet. Hinzu kommt, dass er mehr Versuche durchführen musste als alle anderen. Ein Rückblick auf die erste Woche in Hamm, mit ausschließlich Athleten über 40 Jahren.
Tapani Laitala oder Mark Notschaele? Gäbe es Wetten oder „Bookmakers“ im Powerlifting, hätten diese bei den Masters 3 -120 kg wohl auf den Finnen Laitala getippt – und der lieferte einen Wettkampf nach Maß. Der zweifache Weltmeister ist eine Referenz in dem Sport. Im Vergleich dazu stand für Notschaele das erste Turnier überhaupt im Equipped an. Jeweils ein gültiger Versuch pro Disziplin und ein Gesamtergebnis – das waren die Ziele, die sich der 61-jährige Athlet gesetzt hatte, wie er gegenüber dem Tageblatt verriet. Für eine solche, technisch sehr anspruchsvolle Sportart wäre dies bereits ein Meilenstein gewesen. Doch der amtierende Weltmeister im Classic Powerlifting übertraf die eigenen Erwartungen – und die wohl der anwesenden Zuschauer.
Unser Nationaltrainer Alain Hammang und Assistant Coach Tiziano Gasparro haben mich da super durchgelotst. Das gilt überhaupt für den ganzen Wettkampf. Beim Equipped lernt man, dass es auf Timing und Teamplay im Aufwärmraum ankommt.
Statt neun Versuchen wurden es letztendlich zehn. Der Grund war ein gut gemeinter, aber frühzeitiger Eingriff eines Spotters, der dem Athleten bei der Kniebeuge half, obschon sich dieser weiter in der Aufwärtsbewegung befand. „Dadurch bekam ich einen neuen Versuch, musste den aber schon ein paar Minuten nachher ausführen, was backstage zu einer sehr stressigen Situation führte – nicht optimal für meinen ersten Equipped-Wettkampf“, berichtete Notschaele gegenüber dem Tageblatt. „Doch unser Nationaltrainer Alain Hammang und Assistant Coach Tiziano Gasparro haben mich da super durchgelotst. Das gilt überhaupt für den ganzen Wettkampf.“ Sein Fazit: „Beim Equipped lernt man, dass es auf Timing und Teamplay im Aufwärmraum ankommt.“
So standen für den ersten – streng gesehen zweiten – Versuch im Squat 245 kg zu Buche. Laitala war wie erwartet bei 250 kg. Doch dann wendete sich das Blatt und der Finne konnte die beiden nächsten Versuche nicht durchführen. Anders hingegen der Luxemburger, der sich konsequent steigerte und schließlich souverän die 255 schaffte. Damit stand die erste Überraschung an, ist die Kniebeuge doch die Paradedisziplin seines direkten Konkurrenten. Ab dann waren die beiden Athleten Feuer und Flamme und schenkten sich nichts. Insgesamt setzte Notschaele die neun Versuche für die Endwertung erfolgreich um und nur einmal gab es Rot von einem Schiedsrichter. Für Laitala stand letztendlich nur ein gültiger Versuch pro Disziplin auf dem Konto: 155 gegenüber Notschaeles 190 im Bankdrücken und 220 vs. 250 im Kreuzheben. Damit erzielte der Luxemburger 695 kg insgesamt – ganze 70 mehr als der finnische Athlet.
„Dass ich ihn hinter mir lassen konnte, war ein großer Bonus, den ich so nicht erwartet hatte“, meinte der bodenständige neue Europameister dazu. „Es wird noch dauern, bis ich meine Equipped Lifts einfach und lässig aussehen lassen kann. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich unter der Führung unseres Nationaltrainers bei der Bankdrücken-EM im August und bei der Masters-WM in Südafrika viel dazugelernt haben werde.“
Man lernt eben ständig hinzu, und dieses Motto gilt wohl für alle Athleten, die bei dieser Masters-EM angetreten sind. Mehr als 120 Powerlifter ab 40 Jahren – eine Obergrenze gibt es nicht – bewegten vergangene Woche in Hamm schwere Gewichte, die nur staunen lassen.
Masters 4: über 70 Jahre alt und bärenstark
Gleich der erste Tag begann mit einem Paukenschlag. Am 1. Mai – auch an manchen Feiertagen ruht der Betrieb im Powerlifting nicht – fielen die ersten Rekorde. Der 73-jährige Brite Kevin Jane stellte derer ganze zehn bei den Masters 3 -93 auf – fünf auf Europa-Ebene und fünf weltweit und lieferte sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Deutschen Gustav Waidmann. Dieser war im Bankdrücken stärker als der Brite, doch Letzterer zog in den beiden anderen Disziplinen davon. 222,5 kg im Squat und 592,5 kg insgesamt für Kevin Jane sind die neuen Weltrekorde in dieser Klasse. Obendrauf wurden die direkten Konkurrenten zu den Best Lifters in der gesamten Alterskategorie gekürt.
Ein weiterer Rekord ging auf das Konto des Italieners Franco Giummarra, der mit 180,5 in der Kniebeuge eine neue europa- und weltweite Bestmarke bei den Masters 3 -59 aufstellte. Bedenkt man, dass der 74-jährige Athlet mehr als das Dreifache seines Körpergewichts auf dem Rücken trug und damit eine tiefe Kniebeuge nach IPF-Regeln durchführte, wird einem erst die Tragweite seiner Leistung bewusst.
Masters 3 mit Deutschland und Norwegen vorn
Weniger beliebt scheint Powerlifting in der Equipped-Variante bei den weiblichen älteren Semestern zu sein. Waren bei den Masters 4 keine Frauen gemeldet, so konnte die Kategorie der 60- bis 69-Jährigen auf die Teilnahme von erfahrenen Athletinnen wie der Britin Jacqueline Blasbery zurückgreifen, die seit nunmehr 20 Jahren an internationalen Turnieren teilnimmt und neue Europameisterin bei den Masters 3 +84 wurde. Sie wurde zweitbeste Masters-3-Athletin mit zugleich dem höchsten Gesamtgewicht von 407,5 kg. Platz eins ging in dieser Wertung an die Norwegerin Gro-Berit Stavheim, die in der Gewichtsklasse -69 antrat und 61,048 Goodlift Points ergatterte.
Ganze sechs Rekorde stellte Ronny Andersen, ebenfalls aus Norwegen, auf, von denen nun 283 im Squat, 236 im Bench Press und 779 insgesamt die neuen europäischen Bestmarken bei den Masters 3 +120 sind. Die beiden Letztgenannten sind auch neue Weltrekorde. Der erste Platz nach Goodlift Points ging ohne große Überraschung an den Athleten, die Mannschaftswertung gewann hingegen Deutschland mit 47 Punkten.
Masters 2: Briten räumen in der Teamwertung ab
Die Athletin mit dem niedrigsten Körpergewicht ließ bei den Masters 2 (50 bis 59 Jahre) in Sachen Gesamtwertung nach Goodlift Points alle anderen Teilnehmerinnen hinter sich: Die Italienerin Elena Borgatti, weniger als 47 kg leicht, schaffte im Bankdrücken mit 77,5 fast das Doppelte ihres Körpergewichts und in Kniebeuge und Kreuzheben – 140 bzw. 150 – mehr als das Dreifache. Einige Gewichtsklassen höher folgte die Schwedin Ulrika Johansson auf Platz zwei nach Goodlift Points, die in der hart umkämpften -76-kg-Klasse Gold holte.
Stärkster Mann war hingegen ein Schwergewichtler: Simon Scott brachte bei den Athleten unter 120 ganze 855 zur Strecke. 85,025 Goodlift Points gingen auf das Konto des Briten, der vor allem mit seinem Bankdrücken von 250 großen Applaus erntete. Besser hätte es nicht laufen können, denn quer durch die Bank gab es gültige Versuche.
Betrachtet man die Mannschaftswertung, zogen die Briten mit insgesamt 81 Punkten bei den Masters 2 davon. Besonders auffallend war die rege Teilnahme bei den Frauen in dieser Altersklasse: Nicht weniger als 23 Athletinnen traten hier an.
Masters 1 mit 45 Athleten
Wie erwartet waren die Kategorien bei den 40- bis 49-Jährigen am stärksten bei dieser EM besetzt. 45 Athletinnen und Athleten traten auf die Plattform, wobei es in der -105-kg-Klasse besonders spannend wurde. War gegen den Österreicher Christian Klotz (-105), der nicht nur mit mehr als 100 kg Vorsprung Europameister wurde, sondern auch als stärkster Athlet des gesamten Turniers hervorging, kein Kraut gewachsen, so entbrannte im Kampf um die weiteren Plätze eine gnadenlose Jagd nach jedem Kilogramm. Ganz knapp setzte sich der Deutsche Mykole Grapp gegen den Slowaken Csaba Csano durch, wobei nur 2,5 kg den Unterschied bildeten.
Sehr beeindruckend sind auch die 905 in der Gesamtwertung des Europameisters bei den +120-kg-Athleten, Milan Spingl aus Tschechien, der sich mit ganzen 125 kg Vorsprung gegen die Konkurrenz durchsetzte. Leichtgewicht Yngve Hopen aus Norwegen erbrachte eine Gesamtleistung von 700 kg – umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass er bei den Athleten unter 74 kg Körpergewicht angetreten ist.
Europameisterschaften
Die European Powerlifting Federation (EPF) organisiert jedes Jahr 13 Meisterschaften mit Athleten zwischen 14 und 93 Jahren. Laut EPF-Angaben beträgt das höchste Gewicht, das von einem männlichen Athleten bewegt wurde, 505 kg. Bei den Athletinnen sind es 318 kg.
Bei den Frauen führte kein Weg an Hege Berge (-63) vorbei, die mit 475 kg 86,36 Goodlift Points erzielte. Mit Hamm verbindet die norwegische Athletin so einiges: Nicht nur war sie bei den allerersten Western European Women’s Championships 2006 in Luxemburg dabei, sondern wurde ebenfalls Siegerin, damals noch in der Open-Klasse unter 67,5 kg. Das Comeback im Großherzogtum ist somit mehr als gelungen.
Aufsehen erregte ebenfalls die Italianerin Michaela Gubernati (-69), die vor allem in Squat und Deadlift groß auftrumpfte und mit den 480 kg in der Gesamtwertung 83,02 Goodlift Points erzielte. Die deutsche Mannschaft holte bei den Männern einen weiteren Sieg, während Team Norwegen bei den Frauen glänzte.
Alle Ergebnisse können online unter goodlift.info eingesehen werden.
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