Nachwuchsarbeit / Alarmierender Trend: Warum sich Jempy Drucker um Radsport-Talente sorgt
Fünf FSCL-Espoirs gehen bei der diesjährigen Tour de Luxembourg an den Start. Alle wollen den Sprung ins Profigeschäft schaffen. Doch als Espoir tickt die Zeit. Denn die Radprofis werden immer früher rekrutiert.
Es gibt einen Trend im Radsport, der FSCL-Nationaltrainer Jempy Drucker Sorgen bereitet: Immer früher werden junge Nachwuchstalente von großen Teams kontaktiert, immer früher wird nach dem nächsten Tadej Pogacar gesucht. „So wie es jetzt läuft, kann es nicht weitergehen“, sagt Drucker. „Manager kontaktieren bereits U16-Fahrer. Das ist für die Zukunft besorgniserregend.“
Doch was einige als Trend beschreiben, ist für viele Talente schon Realität geworden. Im jungen Alter trainieren sie wie Profis, um sich auf ihre Karriere vorzubereiten. „Es ist nicht gesund, wenn junge Radsportler drei Wochen im Höhentrainingslager sind, und das fünfmal im Jahr. Wenn du so lange alleine auf einem Berg sitzt und deine Freunde mal am Wochenende eine Party steigen lassen – das ist nicht gesund. Vier oder fünf Jahre später wird sich das auszeichnen. Wenn die Fahrer dann 23 Jahre alt sind, haben sie mentale Probleme und sind schon völlig ausgebrannt, bevor es richtig losgeht.“
Diesen Trend jetzt noch zu stoppen, scheint eine komplizierte Angelegenheit zu sein. „Es ist schwierig, aber ich glaube, dass einfach keine Panik ausbrechen darf. Wir sehen das an Mats (Wenzel): Er hat seine Zeit gebraucht und ist nun einer der besten U23-Fahrer. Wenn die Jungs gut sind, dann gehen sie früher oder später ihren Weg.“
FSCL-Espoirs vor Belgien und den Niederlanden
In Luxemburg ist dieser Trend noch nicht angekommen. Das kann einerseits daran liegen, dass in der jungen Generation kein außergewöhnliches Talent dabei ist, andererseits aber auch daran, dass in Luxemburg eine andere Mentalität herrscht und der Fokus erst mal auf die schulische Ausbildung gelegt wird. Drucker selbst wurde erst mit 24 Jahren Profi, doch dies ist in der heutigen Zeitrechnung viel mehr Ausnahme als Regel.
Doch es gibt eine Reihe luxemburgischer Talente, die den Sprung ins Profitum schaffen wollen. Die FSCL-Espoirs haben kürzlich den Nations Cup auf Platz vier beendet – hinter Dänemark, Großbritannien und Frankreich. Damit haben die Luxemburger große Radsport-Nationen wie Belgien oder die Niederlande hinter sich gelassen. „Es ist schade, dass die Jungs für ihre Leistungen nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Wenn man bedenkt, wie viele Lizenzen wir im U23-Bereich haben, dann fahren wir international doch auf einem sehr hohen Niveau“, sagt Drucker.
Drei Talente im letzten Espoirs-Jahr
Doch die FSCL-Espoirs sind im Vergleich zu dem angesprochenen Trend fast schon alt. Alexandre Kess, Noé Ury und Arno Wallenborn gehen in der kommenden Saison in ihr letztes Espoirs-Jahr. „Ich hoffe, dass die Jungs gute Verträge bekommen und den Sprung ins Profigeschäft schaffen. Es ist immer davon abhängig, welches Team Interesse an ihnen hat. Da können wir wenig machen. Wichtig ist, dass wir ihnen was anbieten. Nations-Cup-Rennen oder Tour de l’Avenir – dann liegt es an ihnen, sich zu zeigen und die Chancen zu nutzen.“ Mats Wenzel hat sich in dieser Saison bekanntlich durch gute Leistungen einen Vertrag beim spanischen ProTeam Kern Pharma gesichert.
In Luxemburg wird jedoch auch das Fehlen einer Kontinental-Mannschaft bemerkbar. Leopard fungierte in den letzten Saisons auch mal als Auffangbecken für luxemburgische Sportler – hat einer zum Beispiel keine gute Saison hingelegt und steht ohne Team da, hat Leopard den Fahrer aufgenommen. Das ist nun nicht mehr der Fall. Hinzu kommt die Tatsache, dass in den vergangenen Saisons immer mehr talentierte Luxemburger im Kampf um einen Profivertrag gescheitert sind. Colin Heiderscheid, Ivan Centrone oder Cédric Pries sind Beispiele. Das Tageblatt hat bei den FSCL-Espoirs, die bei der Tour de Luxembourg am Start sind, nach ihrer Zukunft gefragt:
Noé Ury (Jahrgang 2003): „Ich will mich definitiv hier zeigen. Wir haben hier ein gutes Team und wollen uns auch auf die WM vorbereiten. Bei mir ist für nächstes Jahr noch nichts in trockenen Tüchern. Deswegen ist das Rennen hier umso wichtiger, um mich zu zeigen. Ich will einen guten Job vor der Kamera machen. Durch die Fernsehübertragung und die großen Jungs hier am Start ist das Rennen doch sehr wichtig. Nach dem Kreiz Breizh hat mir mein Team (Storck – Metropol Cycling) gesagt, dass es meinen Vertrag nicht verlängert. Das hat mich überrascht. Ich denke, ich gehöre zu den besten Fahrern des Teams, aber es ist ihr gutes Recht. Seitdem schaue ich mich um. Ich gebe mir noch nächstes Jahr, um Profi zu werden. Danach muss man schauen. Wenn es nicht klappt, hatte ich die Idee, Sportsoldat zu werden oder auf die Bahn zu gehen. Ich bin nicht bereit, den Sport zu verlassen, dafür habe ich zu viel geopfert. Wenn aber alle Stricke reißen sollten, denke ich an eine Polizeiausbildung. Im Winter werde ich aber nun erst8 mal drei Monate nach Calpe (Spanien) ziehen, um mich voll auf die Saison vorzubereiten. Ich will mir am Ende nicht sagen, dass ich nicht alles probiert hätte.“
Alexandre Kess (Jahrgang 2003): „Ich will mich hier bei der Tour de Luxembourg zeigen. Mit dem Nationalteam sind wir das ganze Jahr über sehr gut gefahren. Ich weiß noch nicht, was in Zukunft passiert. Ich will noch im Radsport bleiben und alles darin investieren. Wenn ich nach dem letzten Jahr bei den Espoirs nichts Konkretes habe, werde ich studieren. Die Entscheidung wird mir aber schwerfallen, aber irgendwann muss man sich halt zwischen dem Radsport und einer banalen Karriere entscheiden. Ich denke aber, dass es viel schlimmer ist, es nicht zu versuchen. Ich will keine Ungewissheit haben. Wenn du aber nicht in professionellen Strukturen eines Development-Teams bist, dann wird es heutzutage schwer, Profi zu werden. So kannst du mit den Profis ins Trainingslager, bekommst Einsätze mit den Profis und hast im Team ein höheres Budget. Das macht viel aus.“
Arno Wallenborn (Jahrgang 2003): „Die Tour de Luxembourg ist mein erstes Profirennen, das Niveau ist doch sehr hoch. Für nächstes Jahr habe ich eine Mannschaft, aber ich darf noch nicht mehr sagen. Es ist eine Continental-Mannschaft. Ich hatte zum Glück einen guten Start in die Saison, die zweite Hälfte war nicht mehr so gut. Ziel ist weiter das Profigeschäft, das nächste Jahr ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Dieses Jahr mache ich noch mein Studium (Sportwissenschaft an der Lunex, Anm. d. Red.) zu Ende. Ich bin in beiden Bereichen gut aufgestellt, aber der Fokus liegt darauf, sportliche Fortschritte zu machen. Die Arbeit von Snooze hat sich sehr gelohnt – das ist nicht zu unterschätzen. Sie haben mir Rennen gegeben, bei denen ich mich zeigen konnte. Für mich kommt nun in der nächsten Woche noch die WM als Highlight, dann ist die Saison vorbei.“
Mathieu Kockelmann (Jahrgang 2004): „Ich fühlte mich in den letzten Rennen nicht so gut, obwohl die EM okay war. Ich weiß nicht, woran es liegt. Hoffentlich wird es besser. Ziel ist es nun hier, so weit wie möglich zu kommen und zu schauen, ob das Gefühl besser wird. Ich habe für das nächste Jahr schon ein Team. Ich habe etwas Neues gebraucht, das wird mir guttun (laut dem Internetportal directvelo.com wechselt Kockelmann zum Development Team von Lotto Dstny, Anm. d. Red.). Meine Zukunft liegt im Radsport. Ich bin davon überzeugt, dass ich noch besser werden kann und es schaffen werde.“
- Espoirs: Souveräner Mathieu Kockelman- Debatte um den Start - 13. Januar 2025.
- Rennen der Elite: Bettendorff feiert Start-Ziel-Sieg - 13. Januar 2025.
- Luc Wirtgen wird 2025 als „Capitaine de route“ für Alaphilippe und Hirschi fahren - 8. Januar 2025.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos