Olympia / „Alles ist schneller geworden, es wird viel mehr erwartet“: Frank Muller über seine Rolle als Welfare Officer
Ein Multisportevent, das für so einige Sportler bei Olympia in der Größenordnung neu ist, und steigender Erwartungsdruck. Das Thema der mentalen Gesundheit wird auch bei den Olympischen Spielen in Paris eine wichtige Rolle spielen. Erstmals wird Team Lëtzebuerg mit Frank Muller auch einen Sportpsychologen in seinen Olympia-Reihen haben.
Die Beispiele haben in den vergangenen Jahren zugenommen: Schwimmer Michael Phelps, Tennisspielerin Naomi Osaka und nicht zuletzt Simone Biles. Die Kunstturnerin ist wohl das bekannteste Beispiel, was mentale Gesundheit im Profisport betrifft. In Erinnerung geblieben dürfte vielen noch die Bilder sein, wie sich die 27-Jährige bei den Olympischen Spielen vor drei Jahren in Tokio während des Mannschaftsfinales aus dem Wettbewerb zog. Zuvor misslang der sonst so souveränen Turnerin ihr Versuch am Sprung. Sie hätte die Orientierung in der Luft verloren, betonte Biles später, was bei den Höchstschwierigkeiten, die sie zeigt, auch fatale Folgen hätte haben können. Die US-Amerikanerin scheute sich in der Folge dann auch nicht, über ihre psychischen Probleme zu reden. Viel hatte die junge Sportlerin in den Jahren zuvor mitgemacht, fühlte sich in Tokio dann so, als würde die ganze Last einer Nation, wenn nicht sogar der Welt, auf ihren Schultern lasten. Am Ende war der Erwartungsdruck einfach zu hoch.
Dass mit Simone Biles nicht irgendeine Sportlerin, sondern die erfolgreichste Turnerin der Geschichte so offen über ihre mentale Gesundheit sprach, ihr eigenes Wohlbefinden am Ende über den sportlichen Erfolg und eine fest eingeplante Goldmedaille stellte, zeigt, dass dieses Thema im Spitzensport längst kein Tabu mehr ist. Und so reist auch Team Lëtzebuerg mit einem Sportpsychologen zu den Sommerspielen nach Paris. Der Name Frank Muller ist mittlerweile den meisten im luxemburgischen Sport ein Begriff. Der 36-Jährige ist seit 2020 beim „Sportlycée“ fest angestellt sowie externer Experte beim LIHPS und COSL. In Paris begleitet er Team Lëtzebuerg in der Funktion des „Welfare Officer“.
Stressiger Qualifikationsprozss
„Das Thema kommt immer mehr auf, weil es heutzutage auch immer schwieriger wird, gerade weil die Sportler noch mehr im Rampenlicht stehen, vor allem auch mit dem Faktor der sozialen Medien. Es ist alles zudem schneller und intensiver geworden, von den Sportlern wird viel mehr erwartet“, erklärt der 36-Jährige. Hiermit meint Muller zum Beispiel auch die ganzen Strapazen, die von den Athleten alleine schon für eine Olympia-Qualifikation abverlangt werden. Diese Erfahrung machten auch die Sportler des luxemburgischen Teams, zum Beispiel die Tischtennisspieler, die darauf angewiesen waren, Weltranglistenpunkte zu sammeln. „Man muss sich nur anschauen, was verschiedene Sportler mitgemacht haben. Mit all den Reisen, dem Jetlag, um so viele Turniere wie möglich bestreiten zu können, um Punkte zu sammeln, damit sie sich qualifizieren konnten. Hinzu kommt dann noch das Rechnen und Vergleichen, ob es reichen wird oder nicht.“ All diese Faktoren haben laut Muller einen großen Einfluss auf die mentale Gesundheit. „Da muss man präventiv schauen, die Sportler so gut wie möglich zu begleiten, damit sie nicht nur performen können, sondern damit es ihnen auch gut geht und sie ihre sportliche Karriere auch genießen können. Hierfür gibt es beim LIHPS eine Expertengruppe bestehend aus Sportpsychologen, Psychotherapeuten und Psychiatern.“
Sportler sind Individuen, man kann nicht etwas pauschal auf alle anwenden
Bei den Olympischen Spielen in Paris kommen dann noch einmal ganz neue Eindrücke auf die Sportler zu. „Es ist alles noch einmal eine Nummer größer. Vor allem für diejenigen, deren Disziplin sonst nicht so im Fokus des Interesses steht, kann dies eine ganz neue Herausforderung werden“, meint der Sportpsychologe. Denn bei einem solchen Multisportevent kommen Athleten aus der ganzen Welt zusammen und das ganze Drumherum ist auf einmal viel größer. Da kann so etwas wie das Olympische Dorf auf einmal überwältigend wirken. „Das Medieninteresse wird zudem größer und der Erwartungsdruck steigt. Das kann der eigene sein, aber auch von Freunden und Familie kommen oder vom Verband, dem Trainer und einem Olympischen Komitee.“
Vor allem die Frage, wie man damit umgeht, hängt laut Frank Muller aber von jedem Athleten selbst ab. „Sportler sind Individuen, man kann nicht etwas pauschal auf alle anwenden. Die Idee ist, dass jeder seine individuelle Strategie entwickeln muss. Jeder muss für sich selbst herausfinden, was er braucht, was ihm guttut, was oder wer ihm in verschiedenen Situationen helfen kann. Es ist natürlich wichtig, sich im Vorfeld darüber Gedanken zu machen.“ Für die Athleten gilt es also auch in Paris ihren Routinen treu zu bleiben. „Die Leute, die bei Olympia dabei sind haben, ja auch ein gewisses Level an Professionalität, sonst hätten sie es gar nicht erst bis dorthin geschafft.“ Dass eine so erfahrene Athletin wie Ni Xia Lian ihre eigenen Strategien längst gefunden hat und am besten selbst weiß, wie sie in verschiedenen Situationen agieren soll, scheint auch nur logisch zu sein.
Kein Geheimrezept
Für einige Athleten im Team Lëtzebuerg, wie etwa Bogenschütze Pit Klein oder Kugelstoßer Bob Bertemes, werden die Olympischen Spiele in Paris zudem den Abschied vom professionellen Leistungssport darstellen. Könnte diese Tatsache dafür sorgen, dass gerade solche Sportler ohne den ganz großen Druck befreiter auftreten und damit bessere Leistungen abrufen können? Da ist sich Muller nicht ganz sicher: „Das kann ebenfalls bei jedem Sportler anders aussehen. Auf die einen kann sich eine solche Situation wirklich so auswirken, dass sie mit einem befreiteren Gefühl auftreten. Es kann aber auch so sein, dass man sich zu sehr unter Druck setzt, weil man gerade zum Schluss unbedingt noch einmal abliefern möchte und das einen dann zu sehr hemmt.“
Ein Geheimrezept, wie man genau mit dem Druck bei einem solchen Großereignis umgehen soll, gibt es für Frank Muller demnach nicht. „Wichtig ist vor allem die Fähigkeit, Irrelevantes auszublenden, und sich nur auf die eigene sportliche Aufgabe zu fokussieren.“ Sollte ein Athlet des Teams in Paris Rat brauchen, dann ist der 36-Jährige zur Stelle. „Es ist ein kleines Rad in dem ganzen komplexen System. Es ist nicht so, dass nur ich verantwortlich für das Mentale bin. Es spielen so viele Leute eine Rolle; es wäre utopisch, zu meinen, dass nur ich eine Rolle spiele. Es ist eine Teamleistung und auch die Ärzte, Physiotherapeuten und anderen Betreuer sind sehr wichtig. Am wichtigsten ist aber der Sportler und der Trainer, insgesamt der Mensch selbst.“ Aber nicht nur für die Athleten ist der Sportpsychologe zur Stelle, sondern auch für die Team-Mitglieder des COSL. Denn auch sie sollen in Paris auf ihr Wellbeing achten und sich die eine oder andere Auszeit gönnen.
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