Leichtathletik / François Grailet, der neue Rekordmann über 110 Meter Hürden, hat die richtigen Entscheidungen getroffen
Bob Bertemes oder Charel Grethen – wenn es um luxemburgische Leichtathleten geht, dann hatte der Sportfan im Großherzogtum vor zwei Wochen den Namen François Grailet noch nicht wirklich auf der Rechnung. Dies dürfte sich in den vergangenen Tagen jedoch geändert haben. Denn gleich zweimal binnen gerade einmal einer Woche knackte der 27-Jährige den nationalen Rekord über 110 Meter Hürden.
Es war eine Entscheidung, die François Grailet schwerfiel, doch schlussendlich entschied sich der Leichtathlet dafür, nicht an den nationalen Meisterschaften Ende Juni in Esch teilzunehmen. Der 27-Jährige bevorzugte die belgischen Meisterschaften in Brüssel, die am gleichen Wochenende ausgetragen wurden. „Es hat mich schon ziemlich geärgert, dass beide zur gleichen Zeit stattfanden, ich wäre wirklich gerne in Luxemburg angetreten. Doch die Konkurrenz in Brüssel war einfach stärker besetzt“, betont der Hürdenspezialist. Im Endeffekt war es eine Entscheidung, die sich als goldrichtig erweisen sollte. Denn im Windschatten des Belgiers Michael Obasuyi, der sich in einer Zeit von 13.32 Sekunden das Ticket für Olympia in Tokio sicherte, unterbot Grailet seine persönliche Bestleistung über 110 Meter Hürden deutlich und knackte mit seinen 13.93 Sekunden gleichzeitig den fast 15 Jahre alten luxemburgischen Rekord von Claude Godart.
„In den vergangenen Monaten wurde mir bewusst, dass dies im Bereich des Möglichen liegt“, erklärt der Athlet des CSL. Umso erleichterter war der 27-Jährige dann auch in Brüssel, denn gerade einmal eine Woche vorher geriet er bei der Team-EM in Zypern noch ins Zweifeln: „Ich hatte im Ziel das Gefühl, dass ich eine gute Zeit von unter 14 Sekunden gelaufen sei, im Ziel stand dann 14.12 auf der Anzeige, da hadert man mit sich selbst.“ Dass er dann jedoch am vergangenen Wochenende im belgischen Heusden – ein Rennen, das Obasuyi in einer Zeit von 13.82 ebenfalls gewann – seine neue Bestmarke ein weiteres Mal, auf 13.88, verbessern sollte, hat ihn dann schon etwas überrascht. „Die Marke von 13.90 Sekunden zu knacken, war eigentlich das Ziel für 2022. Dass es jetzt schon geklappt hat, ist ein echter Bonus.“ Mit einem guten Gefühl kann Grailet, der eventuell noch ein Rennen in Frankreich laufen wird, somit einen Schlussstrich unter seine Saison ziehen. Denn seine erste Teilnahme an einer Europameisterschaft ist auf einmal sehr realistisch geworden, wie er erklärt: „Wenn man sich die Norm für Paris 2020, das ja nicht stattfand, anschaut, dann war eine Zeit von 13.90 gefordert.“ Ob es bei dieser auch für München 2022 bleiben wird, ist aber noch nicht bekannt: „Die Normen werden schon ziemlich oft geändert, doch auch nicht um mehrere Zehntel“, und somit wartet Grailet nun ungeduldig darauf, dass der europäische Verband endlich die neue Liste mit den Normen veröffentlicht: „Sollte es mit 13.88 doch nicht reichen, habe ich bereits ein neues Ziel für 2022“, gibt der FLA-Athlet mit einem Lachen zu. „Mein großer Traum in Sachen Zeit ist es, irgendwann mal die 13.60 zu erreichen. Noch mache ich viele technische Fehler, wenn ich weiter hieran arbeite, wäre dies durchaus möglich.“
Starker Weitspringer
Dass seine starken Ergebnisse nach dem komplizierten Corona-Jahr 2020 kommen, überrascht den 27-Jährigen hingegen nicht wirklich. „Ich habe in dieser Zeit viel trainiert, bin dadurch entschlossener geworden. Ich glaube, diese ganze Situation hat mich nur noch mehr motiviert.“ Wichtig war dabei auch die Entscheidung, den Weitsprung – eine Disziplin, in der er ebenfalls den luxemburgischen Rekord hält – ruhen zu lassen. „Ich hatte es satt. Irgendwie stagnierten meine Leistungen, ich sah keine großen Steigerungsmöglichkeiten mehr.“ Eine Disziplin, die er auch eigentlich nicht vermisst, wie er selbst betont: „Ich gebe zu, ein einziges Mal, bei der Team-EM in Zypern, wurde ich nostalgisch.“ Es war immerhin dieser Wettbewerb, bei dem er 2017 in Malta den Landesrekord aufstellte. „Doch mit der Entscheidung bin ich wirklich sehr glücklich.“
Dass sich François Grailet in Luxemburg noch keinen wirklichen Namen gemacht hat, verwundert ihn unterdessen nicht. „Meine Leistungen kann man ja auch nicht mit denen von Bob Bertemes, Charel Grethen oder Charline Mathias vergleichen. Um einmal bei einer WM oder an Olympia teilnehmen zu können, bin ich auch nicht gut genug“, gibt der bodenständige Athlet zu. „Zudem spreche ich ja auch nicht die luxemburgische Sprache, etwas, das mir wirklich leidtut und woran ich gerne in Zukunft etwas ändern möchte.“ Dass der Leichtathlet – der die belgische und luxemburgische Staatsbürgerschaft besitzt – sich dazu entscheiden konnte, international für Luxemburg anzutreten, hat er seiner Mutter zu verdanken, denn ein Teil ihrer Familie stammt aus Steinfort. „Ihre Geschwister haben die luxemburgische Nationalität schon früher beantragt, sie hat das mit mir gemeinsam im Jahr 2015 gemacht.“ Seither tritt er für die FLA an und 2017 machte François Grailet dann mit seinem Rekord im Weitsprung ein erstes Mal in Luxemburg auf sich aufmerksam. Und bevor der Rekord im Juni über 110 Meter Hürden hinzukam, war er im Jahr 2019 ebenfalls Teil der Mannschaft, die einen „Uralt-Rekord“ über 4×100 Meter brach, der ganze 40 Jahre bestanden hatte.
Mein großer Traum in Sachen Zeit ist es, irgendwann mal die 13.60 zu erreichen
In Zukunft dürfte man vom dreifachen Rekordhalter jedenfalls noch mehr hören und auch an seinen Sprachkenntnissen will er weiter arbeiten: „Ich habe in Lüttich nach einem Kurs gesucht, der nächste ist aber leider in Bastogne.“ Doch will Grailet – der Medizin studiert hat und sich auf „Médicine physique“ spezialisieren möchte – einen Teil seiner Lehrjahre am liebsten in Luxemburg verbringen: „Das wäre die perfekte Gelegenheit, auch das mit der Sprache nachzuholen.“
Claude Godart, der übrigens mit seinen inzwischen 40 Jahren immer noch aktiv ist und sich zu dem Zeitpunkt, als Grailet seinen Landesrekord in Brüssel knackte, den nationalen Titel über 110 Meter Hürden sicherte, nimmt Grailet den neuen Rekord nicht übel. „Wir planen sogar, in nächster Zeit zusammen essen zu gehen“, so der neue Rekordhalter. Und auch der Sohn von Godart probiert sich schon an der Hürden-Disziplin, wie Grailet mit einem Lachen verrät: „Ich habe ihn am letzten Wochenende gesehen, vielleicht knackt er ja irgendwann mal meinen Rekord.“ Doch bis es so weit ist, will der 27-Jährige seine Bestmarke am liebsten selbst noch weiter unterbieten.
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