Leichtathletik / Patrizia Van der Weken katapultiert sich in Europas Spitze: „Immer noch surreal“
Schnell, schneller, Patrizia Van der Weken – die luxemburgische Sprinterin lief vor einer Woche in 11,02 Sekunden über 100 m die viertschnellste europäische Zeit des Jahres. Bei den „European Team Championships“ in Polen holte sie zudem einen Sieg und stellte einen weiteren Rekord auf. Den Abstieg Luxemburgs in die dritte Division konnte sie aber nicht verhindern.
100 Meter in 11,02 Sekunden – mit ihrer Zeit brach Patrizia Van der Weken vor einer Woche nicht nur den luxemburgischen Landesrekord, sondern katapultierte sich auch endgültig in die Spitze Europas. „Es ist immer noch surreal“, blickt sie am Rande der European Team Championships in Chorzow zurück. „Es kam unerwartet. Arnaud (Starck, Van der Wekens Trainer; Anm. d. Red.) meinte zwar davor schon, ich könnte unter 11,10 laufen. Ich war aber skeptisch und habe eigentlich nicht damit gerechnet.“
Umso überraschender kam die schnelle Zeit, die auch von Van der Wekens Konkurrenz nicht unbemerkt blieb. „Ich habe einen großen Schritt gemacht. Das merkt man auch daran, wie die Leute einen behandeln“, so die Luxemburgerin, die mit ihrer Zeit aktuell den vierten Platz der diesjährigen europäischen Bestenlisten belegt. 11,02 bedeuteten in Dessau auch Meetrekord. „Darüber müssen wir nochmal reden“, richtete sich die deutsche Europameisterin Gina Lückenkemper, die diese Bestmarke davor innehatte, auf Instagram an die Luxemburgerin. „Letztes Jahr hatte ich fast gar keinen Kontakt zu ihr. Wir sind einmal bei dem gleichen Wettbewerb gestartet und da hatte ich gar nichts zu melden. Sie ist an mir vorbeigeflitzt. Es war total krass. Jetzt sind wir zum Teil auf Augenhöhe. Das ist schon cool“, erzählt Van der Weken mit einem Strahlen im Gesicht. „Es sind Leute, die vorher ein Vorbild waren. Jetzt sprinte ich mit ihnen und lache mit ihnen. Das ist schon etwas Besonderes.“
Für sie selbst habe die schnelle Zeit allerdings nichts geändert. Sie bleibt bescheiden. „Ich fühle mich nicht wie ein Star und möchte mich auch jetzt nicht zu sehr auf diese 11,02 konzentrieren.“
Zu früh für Paris
Ärgerlich ist allerdings, dass die Zeit etwas zu früh kam. Denn wäre Van der Weken diese zwei Wochen später gelaufen, hätte sie sich über die Norm (11,07) für die Olympischen Spiele 2024 in Paris qualifiziert. Die Qualifikationsphase beginnt am 1. Juli. „Das ist ein bisschen schade“, sagt die 23-Jährige, ist sich aber zugleich sicher, dass sie ihre Fabelzeit wiederholen kann. „Ich glaube, wenn man es einmal geschafft hat, dann wird es auch noch ein zweites Mal klappen. Vorsichtig und ohne mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, würde ich sagen: Ich fühle mich gut, um nochmal so schnell zu rennen.“ Auf die Frage, wie weit runter die Zeit denn noch in dieser Saison gehen kann, antwortet Van der Weken: „Es hängt vieles von der Tagesform ab. Ich hoffe, dass ich nach dem 1. Juli noch einmal daran anknüpfen kann. Dann hätte ich die Olympianorm schon in der Tasche für nächstes Jahr. Das würde mir sehr viel Stress wegnehmen. Mal sehen, ob mir das gelingt.“
Neben der schnellen Zeit blieb Dessau Van der Weken allerdings auch schmerzhaft in Erinnerung. Sie wurde von einem Insekt, „vermutlich einer Spinne“, in den Fuß gestochen und musste um ihren Start bei den European Team Championships, die von Dienstag bis Donnerstag in Chorzow stattfanden, bangen. „Mein Knöchel war angeschwollen. Bis zum Tag vor meinem Rennen konnte ich nicht einmal Spikes anziehen“, erzählt sie „Ich wusste nicht, ob ich starten kann. Das war ein blöder Moment. Ich wollte natürlich mein Team nicht hängen lassen, aber meine eigene Gesundheit musste natürlich vorgehen. Ich bin sehr dankbar, dass es am Ende doch geklappt hat.“
In Chorzow holte sie am ersten Wettkampftag über 100 Meter in 11,24 Sekunden sogar den Sieg. Am dritten Tag legte sie noch einmal nach – auf mittlerweile gewohnte Manier: schnell und mit Landesrekord. Van der Weken schraubte die nationale Bestmarke mit ihrem zweiten Platz über 200 m auf 23,19 Sekunden herunter und unterbot damit ihre eigene Bestzeit von 2021 um 0,75 Sekunden.
Auch die luxemburgische „4 x 100 m“-Männerstaffel um François Grailet, Pol Bidaine, Olivier Boussong und David Wallig (40,98 Sekunden) und die „4 x 400 m“-Mixed-Staffel um Olivier Juncker, Fanny Arendt, Philippe Hilger und Charline Mathias (3:29,34 Minuten) stellten in Chorzow Landesrekorde auf. Für den Klassenerhalt in der zweiten Division der European Team Championships sollte es allerdings nicht reichen. Luxemburg belegte am Ende mit 198 Punkte den 15. Platz und muss den Gang in Division 3 antreten.
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