EU-Recht / Anwalt Marc Theisen nach Super-League-Urteil: „Das europäische Modell hat Risse bekommen“
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: FIFA und UEFA agierten in ihrem Verbot marktbestimmend – jetzt ist der Weg für eine Super League frei. Das Tageblatt hat mit dem Luxemburger Anwalt und Jeunesse-Präsident Marc Theisen über die drei Urteile vom Donnerstag gesprochen und erfahren, warum jetzt auch die FLF große Hausaufgaben zu erledigen hat.
Tageblatt: Wie ist der Erfolg der „Super League Company“ am europäischen Gerichtshof zu bewerten?
Marc Theisen: Ein eindeutiger Sieg ist es zwar nicht, dennoch ein großer Erfolg. Der europäische Gerichtshof gab der „Super League Company“ (SLC) in ihrem Hauptargument Recht, das besagt, dass es sich um einen Interessenkonflikt handelt. Die internationalen Verbände (UEFA und FIFA) stellen einerseits die Regeln auf, haben aber gleichzeitig ökonomische Aktivitäten. Deshalb können sie Dritten, wie in diesem Fall den Gründern der Super League, keine unbegründeten Verbote auferlegen. Es handelt sich für UEFA und FIFA um einen Konkurrenten.
Gleichzeitig heißt es im Urteil auch, dass es sich nicht nur um den Fall der SLC handelt, sondern grundsätzlich um Prinzipien, bei denen der Verband eine doppelte Rolle spielt – also als Organisator auch wirtschaftliche Interessen hat. Es dürfen weiterhin Einschränkungen geben, solange sie objektiv und transparent sind. Zudem müssen sie detailliert sein. Ein Verbot auszusprechen oder den Sportlern ohne Begründung eine Teilnahme zu untersagen, ist nicht mehr möglich.
Was bedeutet dieses Urteil für die Dachverbände UEFA und FIFA?
Sie müssen jetzt transparente Regeln aufstellen. Gleiches gilt für die Internationale Eislaufunion (ISU), die Athleten mit lebenslangen Sperren gedroht hatte, würden diese an einem Privatevent teilnehmen. So etwas geht jetzt nicht mehr. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hat große Auswirkungen. Es ist keine Revolution, aber sie beweist, dass der Sport sich nicht in einem rechtsfreien Raum befindet. Die großen europäischen Verbände müssen umdenken. Eine Bewegung wie die Super League kann nicht einfach verhindert werden.
Wie könnte das in Zukunft aussehen?
Man sollte davon ausgehen, dass sich die Fußballlandschaft mittel- oder langfristig ändern wird. Wie wird die Super-League-Bewegung weitergehen? Vielleicht wird die Champions League jetzt neu durchdacht. Fakt ist, dass das europäische Modell, bei dem die internationalen Verbände das Monopol haben, definitiv Risse bekommen hat. Der Weltverband wird damit leben müssen, dass Konkurrenz aufkommt. Ansonsten müssen FIFA und UEFA rechtfertigen, dass es Einschränkungen geben muss.
Das dritte Urteil betrifft indirekt den Luxemburger Fußball.
Die Frage war, inwiefern Einschränkungen wie das „homegrown“-Modell in Belgien (also eine bestimmte Anzahl an Eigengewächsen pro Spielerbogen) diskriminierend gegenüber Spielern aus anderen Herkunftsstaaten ist. Das Urteil geht nicht so weit, wie es in den beiden anderen Affären der Fall ist. Laut Urteil können einige Einschränkungen tatsächlich diskriminierend – also nicht EU-konform – sein. Prinzipiell handelt es sich dabei um die gleiche Überlegung, die den Swift Hesperingen dazu bewegte, vor das Zivilgericht zu ziehen. Jetzt liegt es an den nationalen Richtern, zu entscheiden, ob die Restriktionen der FLF-Regeln legal sind. Der belgische Verband und die UEFA müssen ihrerseits rechtfertigen, dass die „homegrown“-Statuten nicht diskriminierend sind. Das wird nicht einfach werden – und auch für die FLF eine große Herausforderung sein.
Könnte der FLF das Argument reichen, dass es sich bei der BGL Ligue um eine „Amateur-Meisterschaft“ handelt?
Es könnte ein Argument sein, aber es wäre utopisch. Vereine, wie eben beispielsweise Swift Hesperingen, sind mit Unternehmen gleichzustellen. Wenn FIFA und UEFA als Unternehmen gelten, dann ist die FLF in diesem Sinne auch eines, wenn auch kleiner. Fakt ist, dass Einnahmen generiert werden, es Marketing-Strategien gibt usw. Aus meiner Sicht handelt es sich also um ein Unternehmen – und diese unterliegen den Richtlinien der EU. Auf die FLF kommt daher eine schwere Hausaufgabe zu. Aus sportlicher Sicht geht es natürlich darum, die Eigengewächse zu schützen und zu fördern. Werden die Türen groß geöffnet, könnte das ein Problem für diese Spieler werden. Ich bezweifle allerdings, dass dies als Grund ausreichen wird. Im Sport können weiterhin Restriktionen eingeführt werden, etwa wenn es um Dopingkontrollen geht. In diesem Fall spielt der gesundheitliche Aspekt eine übergeordnete Rolle. Die FLF wird ebenfalls Argumente brauchen, die übergeordnet sind.
Auf jeden Fall hat dieses Urteil denjenigen Aufwind gegeben, die eine Erstlizenzenregelung als Einschränkung ansehen. Hesperingen hat in seinen Überlegungen Recht bekommen – und in der Überzeugung, dass sie Durchsetzungspotenzial haben.
Wie geht es jetzt weiter?
Sowohl das spanische als auch das belgische Gericht hatten den europäischen Gerichtshof um Antworten, sprich allgemeine Prinzipien, gebeten. Die Fälle gehen also jetzt zurück vor die jeweiligen, lokalen Richter. In Spanien dürfte es nach dem Urteil am EuGH eigentlich keine Überraschung mehr geben. Das Super-League-Verbot, das die UEFA ausgesprochen hatte, ist nicht rechtens. In Belgien hatten die Richter wohl auch ihre Zweifel an der Sache.
Barça und Real begrüßen EuGH-Urteil
Die spanischen Fußball-Topklubs FC Barcelona und Real Madrid haben erfreut und mit „Genugtuung“ auf das Urteil des Europäischen Gerichtshof reagiert, das den Weg für die Gründung einer Super League freimacht. Beide Vereine zählen seit Beginn zu den Treibern der Milliardenliga. „Der FC Barcelona ist der Ansicht, dass das Urteil den Weg für einen neuen Elite-Fußballwettbewerb in Europa ebnet, indem es sich gegen das Monopol in der Fußballwelt wendet“, teilten die Katalanen in einem Statement mit.
Real-Präsident Florentino Perez betonte, der europäische Klubfußball werde „nie wieder ein Monopol sein. Wir werden weiterhin für ein modernes Projekt eintreten, das voll und ganz mit den nationalen Wettbewerben vereinbar ist.“
Die spanische Liga hingegen brachte erneut ihre Ablehnung für das Projekt zum Ausdruck. „Heute bekräftigen wir mehr denn je, dass die Super League ein egoistisches und elitäres Modell ist“, schrieb LaLiga auf X: „Alles, was nicht völlig offen ist, mit direktem Zugang nur über die nationalen Meisterschaften, Saison für Saison, ist ein geschlossenes Format.“
Der Europäische Gerichtshof hatte in seinem Urteil am Donnerstag die Monopolstellung der Europäischen Fußball-Union (UEFA) sowie des Weltverbandes FIFA als nicht vereinbar mit europäischem Wettbewerbsrecht eingestuft. Damit wäre nach 17-monatigem Verfahren in dieser Hinsicht der Weg für den Start der im April 2021 gescheiterten und umstrittenen Milliardenliga frei. (SID)
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