Luc Holtz im Interview / „Arroganz? Nein, ich muss Überzeugung ausstrahlen.“
Luc Holtz ist der erfolgreichste Nationaltrainer in der 112-jährigen Länderspielgeschichte der Nationalmannschaft Luxemburgs. Trotz der vielen Siege ist der 54-Jährige nicht immer unumstritten. In einem sehr persönlichen Interview mit dem Tageblatt erklärt Holtz, was ihm wichtig ist, denkt über seine Außenwirkung nach und erklärt, warum ihm die Diskussionen um seine Vertragsverlängerung nicht gefallen haben.
Tageblatt: Herr Holtz, gerade erst wurden Sie von unserem Fotografen abgelichtet. Wie sehr haben Sie sich an Ihre Rolle als öffentliche Person gewöhnt?
Luc Holtz: Erst kürzlich war ich in einer Metzgerei und plötzlich stand ein Mann vor mir und hat gesagt: „Er ist es wirklich.“ (lacht) Vor allem in den vergangenen Monaten kam es immer wieder vor, dass ich angesprochen wurde. Wenn ich mit meiner Frau ins Restaurant gehe, starren uns sehr oft viele Leute an. Ich habe mich daran gewöhnt und freue mich sehr darüber, dass die Reaktionen immer sehr positiv und freundlich sind. Komischerweise werde ich nie mit Kritik konfrontiert. Es traut sich wahrscheinlich keiner, diese in der Öffentlichkeit anzusprechen (lacht).
Vor rund einem Monat war das letzte Länderspiel des Jahres. Am 21. März steht das wichtige Play-off-Spiel gegen Georgien an. Wie sieht Ihr Alltag in der Länderspielpause aus?
Georgien, Georgien, Georgien. Es gibt derzeit nur ein Thema für mich (er zeigt dabei auf einen hohen Stapel mit Scoutingberichten; Anm.). Demnächst treffe ich mich mit einem externen Scout, der für uns ein Heimspiel dieses Gegners analysiert hat. Aber auch über die möglichen Finalgegner Griechenland oder Kasachstan müssen wir das Maximum an Information einholen. Ganz nebenbei müssen wir jedoch auch bereits für die Europameisterschaft planen. Wir können es uns nicht leisten, bis Ende März zu warten, um dann erst mit der Organisation anzufangen. Im Moment müssen wir uns Gedanken machen, welche Hotels wir wollen, wo unser Basecamp sein könnte und welche Trainingszeiten wir belegen wollen. An den Wochenenden besuche ich dann sehr oft die Spieler, um zu sehen, wie sie in ihren Vereinen eingesetzt werden. Vor den Länderspielen haben wir so wenig Zeit, um einen Spieler auf seine Aufgabe vorzubereiten. Da ist es Gold wert, wenn man weiß, welche Systeme und Laufwege er im Verein gewohnt ist und welche Ansagen ich ihm mit auf den Weg geben muss.
Ich plane ein, dass alles passieren kann. Wenn man mit dieser Einstellung nach Georgien fährt, gerät man nicht so schnell aus der Fassung.
In der Vergangenheit gab es einige komische Zwischenfälle vor oder während Länderspielen. Sie selbst wurden 2015 in Minsk Opfer einer wohl nicht ganz sauberen Spaghetti-Sauce und die Damen-Nationalmannschaft musste in Tiflis noch während des Spiels einen Stromausfall über sich ergehen lassen. Welche Rolle spielen diese Vorfälle in Ihren Gedanken?
Ich plane ein, dass alles passieren kann. Wenn man mit dieser Einstellung dahin fährt, gerät man nicht so schnell aus der Fassung. Auf manche Dinge können wir Einfluss nehmen, auf andere nicht. Nach Georgien wird auf jeden Fall ein Koch mitreisen, der die Küche überwachen wird. Wir sind dabei, diesen auszusuchen. Der Transport scheint in Georgien ebenfalls ein Problem zu sein. Die Damen-Nationalmannschaft war deutlich länger zum Abschlusstraining unterwegs als geplant. Die Routen der Busse können wir aber nur sehr schwer beeinflussen. Wir werden diesmal trotzdem etwas früher zum Spielort anreisen, da der Flug relativ lang ist und es auch einen Zeitunterschied von drei Stunden gibt. Vor Ort werden wir nur ein Abschlusstraining abhalten. Die taktischen Anweisungen werde ich den Spielern mündlich zukommen lassen. Da wir mit Sicherheit auch bei nicht-öffentlichen Trainingseinheiten beobachtet werden, wird es keine taktischen Übungen in Tiflis geben.
Anfang Dezember haben Sie Ihren Vertrag um zwei Jahre verlängert. Diesmal gab es mehr Diskussionen um dieses Thema als in der Vergangenheit. Hat Sie das gestört?
Es gehört zum Business dazu, dass über Vertragsverlängerungen diskutiert wird. Ich fand es nicht so gut, wie diese Diskussion in der Öffentlichkeit teilweise geführt wurde und wer Einfluss auf die Entscheidung nehmen wollte. Ein Spielerberater versuchte, mich durch das gezielte Streuen von Falschinformationen zu destabilisieren und seinen Kandidaten in eine aussichtsreiche Position zu bringen. Es ist für mich als Trainer keine Hilfe, dass so lange mit der Vertragsverlängerung gewartet wurde. Das hätte durchaus Einfluss auf die Spieler haben können. Wenn man als Präsident oder CEO von etwas überzeugt ist, dann sollte man es tun und nicht zu lange warten und sich auf ein Politikum einlassen. Ich glaube nicht, dass zwei gewonnene Spiele mich zu einem besseren Trainer machen. Vor allem nicht, nachdem ich bereits seit 13 Jahren im Amt bin. Wenn die Leistung nicht mehr stimmen würde oder die Chemie zwischen Mannschaft und Trainer nicht mehr passen würde, dann könnte ich verstehen, dass man eine Entscheidung hinauszögert. Es war ein lehrreiches Jahr für mich – auf sehr vielen Ebenen.
Ihr Kader-Management stand oft zur Diskussion. Würden Sie heute Sachen anders machen?
Die öffentliche Debatte über dieses Thema hat mich gestört. Ich hinterfrage mich immer wieder selbst und versuche, an mir zu arbeiten. Das Management einer Mannschaft gehört meiner Meinung nach aber zu meinen Stärken. Alle Entscheidungen, die ich getroffen habe, würde ich noch einmal so treffen. In diesen Momenten hatte ich keine Wahl und konnte nur in eine Richtung gehen. Die Öffentlichkeit weiß nicht alles – und das ist auch gut so. Ich will und kann nicht alles preisgeben, was intern läuft. Alle Entscheidungen, die getroffen wurden, habe ich nicht gerne gefällt. Sie waren aber im Interesse der gesamten Mannschaft.
Welche Charaktereigenschaften haben Ihnen auf Ihrem Weg bisher am meisten geholfen?
Ehrlichkeit und Respekt stehen für mich an erster Stelle. Wenn man die Spieler dementsprechend behandelt, bekommt man dies auch zurück. Ich bin auch sehr ehrgeizig, akribisch und kann mich an viele Situationen anpassen. Ich bin kein Trainer, der ein System durchboxen will, sondern passe mich immer der Qualität meiner Spieler an. Wie bereits erwähnt, stelle ich mich selbst immer infrage und bin ehrlich mit mir selbst.
Umgekehrt gefragt: Durch welche Charaktereigenschaften bremsen Sie sich auch mal selbst aus?
Vor ein paar Jahren war ich noch impulsiver und emotionaler. Durch die Erfahrung habe ich eine gewisse Ruhe, die ich früher nicht hatte. Manchmal sind Emotionen notwendig, wenn ich aber merke, dass mein Gemüt sich erhitzt, schaffe ich es mittlerweile meistens, in mich zu kehren und mir etwas mehr Zeit zu lassen, um auf eine Situation zu reagieren. Eine Portion Verbissenheit und Sturheit habe ich auch in mir. In unserem Business kann das ein Vorteil, aber auch ein Nachteil sein. Sturheit ist oft auch ein Zeichen, dass man weiß, was man will. Als Trainer ist Inkonsequenz das Schlimmste, was es gibt. Fehler gehören aber weiterhin dazu, ich kennen keinen, der alles richtig macht. Ich versuche, sie allerdings auf ein Minimum zu reduzieren.
Mit lauter netten Jungs, die nicht von sich selbst überzeugt sind, gewinnt man keinen Blumentopf
Ihnen wird auch oft vorgeworfen, arrogant zu sein.
Arroganz wird häufig mit Überzeugung verwechselt, die ich ausstrahlen muss. Mit lauter netten Jungs, die nicht von sich selbst überzeugt sind, gewinnt man keinen Blumentopf und auch keinen Zweikampf. Das ist leider so. Wenn ich als Trainer permanent Zweifel hege und es auch zeige, kann ich nicht von meinen Spielern verlangen, dass sie mit Überzeugung auftreten. In diesem Play-off-Spiel gegen Georgien brauche ich eine Mannschaft, in der jeder daran glaubt, dass wir gewinnen können.
In den vergangenen Monaten erregte die FLF-Auswahl aufgrund der Ergebnisse auch international sehr starkes Medieninteresse. Welche war die stärkste Respektbekundung, die Sie erhalten haben?
Nach der 0:1-Niederlage in der EM-Qualifikation gegen die Slowakei habe ich sehr viele Nachrichten aus dem Ausland erhalten. Das zeigt, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Insgesamt sind es die Resultate, die uns in unserer Arbeit bestätigen. Besonders geprägt hat mich 2023 jedoch die Beziehung zwischen der Mannschaft und dem Publikum – das war nicht immer so. Unsere Zuschauer stehen hinter der Mannschaft und haben es auch ermöglicht, dass wir in manchen Situationen noch einen Zahn zulegen konnten. Die Siege 2023 und der Rückhalt der Zuschauer haben dazu beigetragen, dass die Spieler noch mehr Selbstvertrauen tanken konnten.
Sie sind mittlerweile 54 Jahre alt und stehen seit 13 Jahren an der Spitze der Nationalmannschaft. Wie weit ist Ihre Entwicklung als Trainer fortgeschritten?
Ich lerne an jedem Tag dazu. Ich bin noch nirgendwo angekommen und werde es wahrscheinlich auch nie. Im Fußball gibt es keine Wahrheit. Mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass verschiedene Methoden richtig sind und andere falsch sind. Seit meinem Amtsantritt habe ich versucht, nach und nach an jeder Schraube zu drehen und im Laufe der Jahre die Mannschaft und mich selbst zu entwickeln. Da ich eher ein Offensiv-Trainer bin, habe ich in der Vergangenheit sehr viel im Defensiv-Bereich hinzugelernt. Der Fußball entwickelt sich permanent. Ich versuche, mich immer den neuen Tendenzen anzupassen, sonst laufe ich Gefahr, irgendwann zu den Trainern der alten Schule zu gehören.
Wie sehr lassen Sie sich von Ihrem Trainerteam beraten?
Bei diesem Thema kommt meine Sturheit zum Vorschein. Ich lasse mich ungern spezifisch von einer bestimmten Person beraten. Das hat auch damit zu tun, dass ich eine gewisse Zeit brauche, um einer Person zu vertrauen. Zu oft bin ich zu misstrauisch. Aus Gesprächen nehme ich Dinge auf, die ich danach vielleicht verwende, die Entscheidungen treffe ich schlussendlich aber selber. Tage vor einem Länderspiel habe ich den kompletten Tunnelblick und meine Gedanken drehen sich 24 Stunden um das Spiel. Es ist ein permanenter Zyklus von Überlegungen. Ich bin in einer eigenen Welt und dann kommt man nicht mehr an mich heran. In diesen Momenten reagiere ich dann auch schon mal emotionaler. Als größten Berater würde ich aber meine Frau bezeichnen. Sie ist eine sehr nette Person und versucht immer, mich darauf hinzuweisen, auch nett zu sein. Das klappt im Fußball aber nicht immer.
Nach Ihrer Vertragsverlängerung ist es derzeit kein Thema mehr, ob Sie demnächst Vereinstrainer werden. Was würde ein solcher Job an Ihrem Tagesablauf ändern?
Als Vereinstrainer ist es sehr wichtig, kompetente und vertrauenswürdige Personen im Trainerteam zu haben. Wenn man teilweise alle drei Tage ein Spiel hat, kann man nicht alles allein machen. Der Tagesablauf ist natürlich ein ganz anderer. Im Verein hat man jedoch einen größeren Einfluss darauf, wie ein Team mental und körperlich vorbereitet ist. Das ist in der Nationalmannschaft nur begrenzt der Fall. Auf den körperlichen Zustand habe ich zum Beispiel überhaupt keinen Einfluss. Bei der Nationalmannschaft kann man jedoch mehr ins Detail gehen. Ich weiß eigentlich alles über jeden Gegner.
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Also ech fannen dass hien absolut net arrogant eriwwer kénnt. Hien steet mengen ech mat zwee Féiss fest um Buedem, a mecht een ausgeglachenen Androck. Weider esou, dee beschten dee bis elo do wuar.
De soziale Fred :Ech sinn awer ahnerer Mehnung
artkau: jo ech och