Handball / Aus Differdingen zur WM: Red-Boys-Profi Elledy Semedo erfüllt sich seinen Traum
Elledy Semedos Herz schlägt für zwei Dinge: Familie und Handball. Für erstere wechselte er vor anderthalb Jahren nach Luxemburg, im Handball erfüllt sich der Red-Boys-Profispieler nun im Alter von 34 Jahren einen Lebenstraum. Mit dem Kap Verde spielt er bei der Weltmeisterschaft, die ab dem 11. Januar in Schweden und Polen ausgetragen wird.
Elledy Semedo wurde beim Verlassen der Halle in Niederkorn von seinen Differdinger Mitspielern umarmt und herzlich verabschiedet. Gut gemeinte Sprüche wie „zeig, was du kannst“ oder „mach uns stolz“ bekam er mit auf den Weg. Während sich seine Teamkollegen nach dem knappen 30:29-Erfolg gegen den HBD am 22. Dezember in die Weihnachtsferien verabschiedeten, machte sich Semedo wenige Tage später auf den Weg nach Portugal, um sich dort der WM-Vorbereitung der kapverdischen Nationalmannschaft anzuschließen. Ab dem 11. Januar werden die „blauen Haie“ bei der Weltmeisterschaft in Gruppe C auf Europameister Schweden, Uruguay und Brasilien treffen. Für Semedo geht ein Lebenstraum in Erfüllung.
Elledy Ronyvon Fernandes Semedo war gerade mal zehn Monate alt, als seine Eltern mit ihm von Kap Verde nach Portugal auswanderten, um dort ein neues Leben zu beginnen. „Ich bin dort groß geworden und habe auch in Portugal mit dem Handballspielen angefangen“, erzählt er von seiner Kindheit: „Meinen Eltern war es aber immer wichtig, dass ich weiß, wo ich herkomme und dass ich auch die Kultur des Kap Verde kenne. Meine Wurzeln sind auch mir selbst sehr wichtig.“ Deswegen spielt er auch für den Kap Verde und nicht etwa für Portugal – dies, obwohl er die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt.
Karriere in Portugal
Dass sein Herz gerade für den Handball schlägt, ist dabei kein Wunder. Denn genau diese Sportart spielte von klein auf eine Hauptrolle in Semedos Leben. „Meine Mutter war meine erste Trainerin“, erinnert sich der heute 34-Jährige. Sie arbeitete als Trainerin einer Jugendmannschaft in Oeiras, einem Distrikt von Lissabon. Und er begleitete sie als Kind zum Training. „Ronny“, wie er aufgrund seines Zweitnamens Ronyvon genannt wird, schaute zunächst nur zu – bis seine Mutter meinte „ich sollte mitmachen, anstatt nur herumzusitzen. Es war damals eine Mixed-Mannschaft, aber es waren nur Mädchen im Team“, erzählt Semedo mit einem Schmunzeln: „Die Jungs haben lieber Fußball gespielt. Meine Mutter hat mir damals gesagt, ich könnte auch eine andere Sportart machen, solange ich irgendwas mache.“ „Ronny“ hatte allerdings sofort Spaß am Handball. Seine Leidenschaft war entfacht.
Steckbrief
Elledy Ronyvon Fernandes Semedo
Geboren am 21. März 1988
Nationalität: kapverdisch/portugiesisch
Größe: 1,87 Meter
Position: Linker Rückraum
Klubs: Pedreira dos Hungaros, Porto Salvo, Paco de Arcos, Amadora, OS Belenses, S.L. Benfica, AM Madeira Andebol SAD (alle POR), Al-Khor (KAT), HB Käerjeng, Red Boys Differdingen (LUX)
Den Großteil seiner Karriere hat Semedo in Portugal verbracht. Über Belenses kam er 2013, nach einem kurzen Abenteuer in Katar, zum SL Benfica. Für den Traditionsverein lief er bis 2017 auf. Es folgten drei Jahre bei Madeira Andebol, ehe er 2021 nach Luxemburg kam, wo er sich mittlerweile sehr wohlfühlt. Während einer Saison spielte Semedo beim HB Käerjeng, danach schloss er sich den Red Boys an.
Ins Großherzogtum kam er einerseits mit dem Ziel, seine Karriere nach vielen Profijahren noch um „einige Jahre zu verlängern und ausklingen zu lassen“. Andererseits begründet der Vater dreier Kinder diese Entscheidung aber auch mit der „besseren Lebensqualität in Luxemburg“. Semedo ist nicht nur Vollbluthandballer, sondern auch absoluter Familienmensch. „Die Gelegenheit ergab sich, mit meiner Familie und mit meinen Kindern hierherzuziehen. Und ich wollte ihnen diese Chance geben, hier zu leben und eine gute Bildung zu bekommen. Das ist enorm wichtig – auch wenn sie danach wie ich Handball spielen wollen.“
Junge Nationalmannschaft
Familie ist dem 34-Jährigen unglaublich wichtig. „Die Zeit mit ihr ist sehr wertvoll“, sagt er. Über Weihnachten blieb ihm aber nicht viel Zeit mit ihr. Drei Tage nach dem letzten Ligaspiel der Red Boys am 22. Dezember brach er schon in Richtung Portugal auf, wo die Nationalmannschaft des Kap Verde sich auf die WM vorbereitet. „Viel konnte ich an Weihnachten nicht feiern. Ich kann es mir nicht erlauben, so kurz vor der Weltmeisterschaft zuzunehmen“, erzählt er mit einem Lächeln: „Also bin ich weiter ins Fitnessstudio gegangen und habe sehr darauf geachtet, dass ich in guter Form zur Nationalmannschaft stoße.“
Offiziell beginnt die WM am 11. Januar. Semedo wird mit dem Kap Verde erstmals am 12. gegen Uruguay im Einsatz sein. „Egal, welchen Sport man macht, eine Weltmeisterschaft ist immer das Größte. Dort sind die besten Teams und die besten Spieler. Sich gegen sie messen zu können, ist großartig, auch wenn man den Pokal am Ende nicht in die Höhe stemmen kann“, gerät der sympathische Rückraumspieler ins Schwärmen.
Damit gerechnet, bei einer WM zu spielen, hat er allerdings lange nicht wirklich. Bis vor dreieinhalb Jahren gab es im Kap Verde nämlich noch keine richtige Nationalmannschaft. „Erst danach hat man einige gute Spieler, die im Ausland aktiv sind, zusammengetrommelt und mit dem Aufbau eines Teams begonnen“, erzählt Semedo, der zu dem Zeitpunkt in Portugal lebte und zu einem der Spieler der ersten Stunde wurde: „Ich wurde damals eingeladen, da ich am Kap Verde geboren bin.“
Die neu formierte Mannschaft nahm anschließend erst einmal an Turnieren in Afrika teil. Die Entwicklung ist seither unverkennbar. 2020 belegte der Kap Verde bei den African Championships den fünften Platz. Zwei Jahre später musste man sich im Finale nur Ägypten geschlagen geben. Mit dem zweiten Platz ergatterten Semedo und Co. auch ihr Ticket für die WM.
Corona 2021 als Spielverderber
Eigentlich war der Traum von einer Teilnahme an der Weltmeisterschaft schon 2020 in Erfüllung gegangen. Erstmals in der Geschichte des Landes hatte man sich damals für eine WM qualifiziert. Semedo stand im Kader. Doch das Coronavirus machte ihm und seinen Teamkollegen einen Strich durch die Rechnung. „Das halbe Team, ich eingeschlossen, hatte Covid. Wir haben, im Vergleich zu großen Nationen, nicht die Möglichkeit, Spieler nachzunominieren. Es gibt nicht genug Spieler auf diesem Niveau. Und so waren wir nach nur einem Spiel zum Rückzug gezwungen“, erinnert sich der Profispieler von den Red Boys. Das erste Spiel gegen Ungarn ging damals mit 27:34 verloren. Die weiteren Begegnungen mit Deutschland und Uruguay fanden nicht mehr statt. Semedo hatte auch die erste Partie aufgrund des Virus verpasst. „Ich war richtig traurig. Obwohl wir das erste Spiel verloren hatten, hatten wir trotz des Fehlens vieler Spieler eine gute Leistung und viel Potenzial gezeigt. Dass es so zu Ende ging, war sehr enttäuschend.“
Programm
12.1.: Kap Verde – Uruguay (18.00 Uhr)
14.1.: Schweden – Kap Verde (20.30 Uhr)
16.1.: Brasilien – Kap Verde (18.00 Uhr)
Die Gelegenheit, ihr Potenzial zu zeigen, wird die kapverdische Mannschaft nun also erneut bekommen. Bei der diesjährigen Weltmeisterschaft trifft sie in Gruppe C auf Europameister Schweden, Brasilien und Uruguay. „Ich glaube, gegen Uruguay könnten wir gewinnen. Es wird sicherlich nicht einfach, denn dort ist der Handball, genau wie auf Kap Verde, auf dem Vormarsch. Gegen die anderen beiden Länder wird es noch schwieriger. Uns ist es aber wichtig, auch gegen sie ein gutes Spiel zu machen und zu zeigen, dass wir auch guten Handball spielen und Fortschritte machen können“, so Semedo, der damit auch schon bei den Zielen des Kap Verde angelangt ist. „Wir würden uns gerne für die ‚main round’ qualifizieren. Uns geht es aber hauptsächlich darum zu zeigen, dass der Kap Verde nicht nur eine kleine Insel für Touristen ist, sondern dass man dort auch weiß, wie man Sport macht. Wir möchten unseren Namen ‚on the map’ bringen. Das ist uns wichtig. Nicht nur uns Spielern, sondern dem ganzen Land.“
Auch Diekirch-Legionär im Kader
Neben Elledy Semedo steht mit Gilson Correia ein weiterer Spieler, der in der luxemburgischen AXA League aktiv ist, im WM-Kader des Kap Verde. Der 27-Jährige spielt seit dieser Saison beim CHEV Diekirch, davor stand er bei Mersch75 unter Vertrag. Mit Ariel Pietrasik wird ein weiterer langjähriger AXA-League-Spieler bei der WM im Einsatz sein. Der 23-Jährige, der auch die luxemburgische Staatsbürgerschaft hat, trifft mit Polen in Gruppe B auf Frankreich, Saudi-Arabien und Slowenien.
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