Boxen / Caroline André spricht über ihre Profikarriere, ihren Verein und den Polizistenberuf
Nach nur sieben Monaten geriet der Boxklub von Caroline André aufgrund der Corona-Pandemie in eine Existenzkrise: Wie der Verein die Wende schaffte und warum die 38-Jährige trotzdem einen weiteren Profikampf an diesem Wochenende ablehnte, erzählte die Polizistin dem Tageblatt.
„Vielleicht können Menschen, die nie geboxt haben, das nicht verstehen.“ Als Caroline André über ihr technisches Knock-out vom Dezember 2017 spricht, wird deutlich, wie schwer der Athletin der Weg zurück in den Ring gefallen sein muss. Bei der einzigen Luxemburger Profiboxerin wurde nach diesem Kampf eine bilaterale Gesichtsfraktur diagnostiziert. Sie hörte damals nicht auf ihre Betreuer, die sie nach dem harten Treffer zum Weiterboxen überreden wollten: die einzig richtige Entscheidung, wie sich später rausstellte. Durch einen zusätzlichen Schlag und die damit verbundene Versplitterung des Gewebes hätte sie damals womöglich das Augenlicht verloren. „Ich bin daraufhin in eine Depression gefallen. Die Art und Weise, wie die Niederlage zustande kam, war ein großer Rückschlag für mich. Zudem hatte ich zu dieser Zeit aufgrund meiner Schichten im Job viel Stress.“
Die Polizistin sollte ihre Boxhandschuhe daraufhin über ein Jahr lang nicht mehr überstreifen. „Ich habe lange an diesem Kampf genagt.“ Eine Veränderung im Privatleben hat 2018 schließlich auch die sportliche Karriere beeinflusst: Erst durch den Zuspruch ihrer aktuellen Verlobten, Christine Lafontaine, die sie damals kennenlernte, kehrte die Lust am Training – und daran, in den Ring zu steigen – zurück. Eine psychologische Behandlung führte parallel zu der Überwindung des Traumas.
Neubeginn
Als sie im vergangenen November ihren siebten Profikampf bestritt, waren die bösen Erinnerungen vergessen: „Ich habe mich voll auf den Kampf konzentriert und nicht über die Vergangenheit nachgedacht.“ Der Sieg im Ring war aber nicht nur ein persönlicher Neubeginn – sondern Teil der ersten Gala ihres eigenen Vereins. Zwei Monate zuvor, im September 2019, stellten André, Lafontaine und Box-Urgestein Toni Tiberi den neu gegründeten Differdinger Verein offiziell vor. 70 Mitglieder – Jugendliche, Frauen und Männer – haben seither dreimal wöchentlich in der rue Emile Mark trainiert. Mit dem ehemaligen Mitglied der französischen Nationalmannschaft, Christophe Joniaux, kam erst kürzlich ein weiterer Trainer ins Team. Er wird ebenfalls eine Profi-Trainerlizenz beantragen.
„Ich habe ihn erst vergangene Woche damit aufgezogen, dass er mich ja bei meinem nächsten Kampf coachen könnte“, sagt André. Der wäre eigentlich schon früher möglich gewesen. Nach ihrer Knie-Operation im Dezember war sie für ein Profimatch im April in Kanada vorgesehen, doch Corona funkte dazwischen. Auf den Anruf eines Promoters, der sie für dieses Wochenende nach Düsseldorf holen wollte, reagierte die Boxerin mit Bedenken: „Ich bin aufgrund der Covid-Einschränkungen noch nicht wirklich bereit, gewichtstechnisch auch nicht unbedingt. Hinzu kommt, dass ich am 17. Juli heiraten werde … Auch wenn es beim Kampf gut ausgehen könnte, ich möchte nicht unbedingt mit einem blauen Auge heiraten“, schmunzelt die 39-Jährige. „Im August bin ich wieder bereit und werde abwarten, welche Vorschläge man mir macht.“
Die berufstätige Sportlerin erzählt von ungarischen Boxerinnen, die ihre Familie mit rund 25 Kämpfen im Jahr ernähren. Auf solche Torturen ist die Luxemburgerin nicht angewiesen. „Mich interessiert die Gage nicht, sondern die Tatsache, auf hohem Niveau zu boxen. Ich bin Polizistin.“ Mit einer sozialen Ader. Nicht nur für die Verbesserung des Rufs ihrer Sportart setzt sich André ein (da sie nicht davor zurückscheut, dem Verband Fehler bei der Vermarktung des Boxsports aufzuzeigen). Auch in ihrer Heimat will sie zur Verbesserung des Images beitragen: „Man kann es nicht verheimlichen: Differdingen gehört zu den sozialen Brennpunkten. Durch meinen Beruf bemerke ich das jeden Tag.“
Den Jugendlichen Perspektiven bieten und sie von der Straße holen, das ist der Wille der Boxerin: „Statt im Schulhof zu kiffen oder sich gegenseitig zu beklauen, sollen diese jungen Leute in unseren Klub kommen. Sie können sich beschäftigen und tun gleichzeitig etwas Gutes für ihre Gesundheit. Ich alleine kann Differdingen nicht retten. Das Problem sind ja nicht nur die Jugendlichen. Aber ich kann ein Stück zur Verbesserung beitragen.“ Besonders stolz ist André deshalb auf das Feedback von Erziehern aus dem Jugendhaus: „Man sagte mir bereits, dass einige Jungs bei uns den richtigen Weg eingeschlagen hätten.“
Gut vorbereitet
Sowohl die eigenen Erfahrungen als auch die positiven Kritiken haben André zum Erfolg des Vereins verholfen. Über Video wurden während des Lockdowns Fitnesstrainingseinheiten angeboten. Ein Spendenaufruf trug gleichzeitig einen Teil zur finanziellen Rettung des Klubs bei. Mittlerweile können sich die Vereinsverantwortlichen fast nicht mehr vor Anfragen retten. Doch die Infrastruktur macht es nicht möglich, alle Anfragen zu beantworten, „da ich den Mitgliedern ein professionelles Training bieten will, so wie ich selbst trainiere. Der Raum ist einfach irgendwann zu klein.“
„So wie sie“ trainieren mittlerweile auch zwei junge Frauen, die sich statt der simplen Loisirs-Lizenz nun erste Amateurkämpfe zutrauen. Mindestens ein Jahr Vorbereitungszeit will André in jeden Sportler investieren, bevor der Gang in den Ring überhaupt einen Sinn hat. Eigentlich wäre das im November der Fall gewesen, doch aufgrund von Covid-19 wurde die zweite Gala auf 2021 verschoben: „Dann haben sie noch zusätzliche zwölf Monate und werden besser vorbereitet sein …“
André selbst hat erst mit 27 den Weg zum Boxen gefunden. „Ich habe spät begonnen und ebenfalls etwas Zeit gebraucht.“ Weshalb sie die nötige Ruhe und Gelassenheit mitbringt. „Mich bereichert der Trainerjob sehr“, sagt sie nach neun Monaten. „Es ist kein Muss, als Coach selbst bereits im Ring gestanden zu haben, aber für mich steht fest, dass man von niemandem verlangen kann, auszuteilen und einzustecken, wenn man selbst nie ein paar auf die Schnauze bekommen hat.“ Wer die Nächste sein wird, die von André auf die Bretter geschickt wird, steht demnach noch nicht fest. Dass es sich allerdings nicht mehr lange hinziehen wird, scheint klar, „denn irgendwann muss ich meinen Weltmeistertitel (Superleichtgewicht) ja verteidigen“.
Steckbrief
Caroline André
Geboren am 13. Oktober 1981
Aktuelle Weltmeisterin im Superleichtgewicht
Derzeit Trainerin und Vizepräsidentin des Differdinger Boxklubs, zuvor Profiboxerin in Düdelingen und Rümelingen
Profikämpfe: 7 (4 Siege, 3 Niederlagen durch Punkte)
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