Sportwissenschaft-Serie / Citius, Altius, Fortius (IV): Wo liegen die Grenzen des menschlichen Körpers?
11.000 Athleten kämpfen bei Olympia um Medaillen. Auf der Jagd nach Edelmetall und Rekorden wird nichts dem Zufall überlassen. In den vergangenen Jahren hat die Sportwissenschaft einen immer wichtigeren Platz im Hochleistungssport eingenommen. Während Olympia werden die Sportwissenschaftler Eric Besenius und Frédéric Margue vom „Luxembourg Institute for High Performance in Sports“ (LIHPS) einige wissenschaftliche Aspekte des Sports für das Tageblatt beleuchten. Im vierten Teil geht es um Rekorde und Grenzen des menschlichen Körpers.
Immer schneller, immer weiter, immer höher: Im Spitzensport werden ständig neue Maßstäbe gesetzt. Eliud Kipchoge hat die Zwei-Stunden-Schallmauer im Marathon eingerissen (wenn auch nicht in einem normalen Rennen), der Kugelstoßer Ryan Crouser, Konkurrent von Bob Bertemes, verbesserte den Uralt-Weltrekord aus dem Jahr 1990 um 25 Zentimeter auf 23,37 m. Gibt es eigentlich Grenzen für den menschlichen Körper? Ja, sagt Frédéric Margue. „Ich denke schon, dass es Grenzen gibt, aber wir sind noch weit von ihnen entfernt.“
Die Leistung des Menschen hänge von zu vielen Faktoren ab und das gesamte System sei einfach zu komplex. „Es gibt noch sehr viele Bereiche, die nicht erforscht sind, beziehungsweise die wir noch nicht ganz verstehen“, so Margue. Er nennt das Zusammenspiel zwischen Ausdauer- und Krafttraining. „Dazu wurde schon viel geforscht, aber wie sich das Zusammenspiel der beiden Aspekte wirklich auf die sportartspezifische Leistung eines Sportlers auswirkt, wissen wir immer noch nicht vollständig.“
„Schippe wird immer kleiner“
Sein Kollege Eric Besenius stimmt zu. Es gebe immer noch Verbesserungspotenzial in vielen Bereichen, um noch eine Schippe draufzulegen. „Die Schippe wird halt nur immer kleiner.“ Besenius nimmt als Beispiel die Entwicklung des 100-m-Weltrekords. Dieser sei vor allem dann stark verbessert worden, wenn große Veränderungen vorgenommen wurden, zum Beispiel die Einführung der Startblöcke oder der Tartanbahn, besseres Schuhwerk usw. Die Grenze beim 100-m-Sprint liegt einer australischen Studie zufolge bei 9,27 Sekunden, der aktuelle Weltrekord von Usain Bolt liegt bei 9,58 Sekunden.
Ob die 9,27 Sekunden allerdings irgendwann in einem normalen Rennen zu erreichen sind, bezweifelt Besenius. „Dafür müsste ja alles optimal ausgereizt werden und das Rennen absolut perfekt ablaufen. Es sind ja keine Roboter, die da rennen.“ Man habe das bei Kipchoges Marathon, den er in 1:59:40 Stunden lief, gesehen. Er und sein Umfeld haben sich zwei Jahre lang auf dieses Unterfangen vorbereitet und optimale Bedingungen geschaffen. Die Zeit wurde quasi unter Laborbedingungen gelaufen.
Rekordjagd nicht abgeschlossen
Allerdings kommt auch der mentale Aspekt mit ins Spiel. Jetzt, wo gezeigt wurde, dass die zwei Stunden unterboten werden können, ist die Motivation noch größer, es auch in einem normalen Marathon zu schaffen. Besenius erklärt, dass der menschliche Körper sich immer eine kleine Reserve hält, die nicht abgerufen werden kann, um zum Beispiel in Gefahrensituationen noch weglaufen zu können. „Sportler kommen durch viel Training näher an diese Reserve heran als andere Menschen.“ Allerdings gibt es im Sport auch immer wieder Betrüger, die versuchen, die Grenzen durch Einnahme von leistungssteigernden Substanzen zu verschieben. Was nicht nur verboten ist, sondern durchaus lebensgefährlich werden kann, wie Besenius betont.
Ist denn zu erkennen, ob ein Rekord sauber oder durch Dopingmissbrauch erzielt wurde? „Das können wir Sportwissenschaftler im Grunde auch nicht abschließend beurteilen“, so Besenius. Natürlich gebe es Leistungen, wo man Zweifel habe, aber es gebe halt auch in fast jeder Disziplin noch Steigerungspotenzial. „Wenn man sich allerdings Weltrekorde anschaut, die Ende der 80er, Anfang der 90er – also zu der Zeit, in der das Doping mit Steroiden weit verbreitet war – erzielt wurden und an die man heute noch nicht einmal rankommt, dann besteht ein relativ breiter Konsens, dass diese nicht sauber erzielt wurden“, so Frédéric Margue.
Die umgekehrte Schlussfolgerung, also dass die heutigen Leistungen, die die Weltrekorde von damals übertreffen, ebenfalls unsauber erzielt wurden, sei falsch. „Sowohl das Material wie die Qualität des Trainings haben sich seitdem so sehr verändert, dass solche Leistungen heute durchaus normal sein können.“ Die Jagd nach Rekorden kann also weitergehen.
- Wie der Ochse vorm Weinberg: Die Tageblatt-Redaktion versucht sich als Winzer - 20. November 2024.
- Auf der Suche nach besseren Zeiten - 9. November 2024.
- Wie die Lokaljournalisten Kayla und Micah gegen die Polarisierung ankämpfen - 3. November 2024.
CITIUS , ALTUIS , FORTIUS , HONESTIUS .
Rekorde und Grenzen des menschlichen Körpers ……hängen heutzutage direkt vom ELASTIZITÄTSFAKTOR der jewiligen Dopingkontrolle ab. Zum Beispiel im Radsport « Arm- legstrong » genannt .