Powerlifting / Der 60-Jährige, der 250 Kilo bewegt: Mark Notschaele ist Trainer und Kraftsportler mit Leib und Seele
Amtierender Vize-Weltmeister und Vize-Europameister, ausgebildeter Trainer und Gründer eines eigenen Kraftsportzentrums: Mark Notschaele aus Capellen hat mehrere Eisen im Feuer – im wahrsten Sinne des Wortes. Porträt eines Vollblutkraftsportlers, der seit 42 Jahren trainiert und stets auf dem Boden geblieben ist.
„We Are Growing“: Unter diesem Motto trainieren Powerlifter, Gewichtheber, Strongman-Athleten und Freizeitsportler im „Advanced Training Center“ ATC in Koerich. Der gebürtige Holländer Mark Notschaele hat das Sportzentrum gegründet. Das Motto hat eine lange Geschichte, die bis in die frühen 1980er-Jahre zurückreicht – in einen Trainingsraum in Holland, der über einem Café eingerichtet wurde.
Sluiskil heißt das kleine Dorf in der niederländischen Provinz Zeeland, in dem Notschaele aufwuchs. „Fußball war hier omnipräsent“, erzählt der Athlet gegenüber dem Tageblatt. „Ich habe selber 16 Jahre lang das runde Leder gekickt, dann aber zwei Jahre lang radikal mit Sport aufgehört.“ Da hatte er andere Themen im Kopf, fügt er lachend hinzu. Mit Kraftsport in Berührung kam er zum ersten Mal beim Schulsport. „Der Lehrer fragte, was wir machen wollten. Daraufhin antworteten wir, dass wir Krafttraining probieren wollten.“ Da es kein passendes Equipment in der Sporthalle gab, improvisierte der Lehrer und „kratzte eben mal ein paar Stangen zusammen“. Ein echtes Aha-Erlebnis für den jungen Holländer: „Ich fand das Gefühl, Gewichte zu bewegen, auf Anhieb cool.“ Es war der Beginn einer Leidenschaft, die ihn jahrzehntelang begleiten sollte.
Kraftraum über dem Café
Doch der Weg ist zunächst steinig. Wir befinden uns in den frühen 1980er-Jahren. Entsprechende Orte zum Trainieren gibt es im Dorf nicht. Kraftsport sehen die Holländer vor allem im Fernsehen: Der Sport Strongman etabliert sich und lässt die Mengen staunen – unter anderem den jungen Mark. Ein einschneidendes Ereignis ist sein 18. Geburtstag, als seine Mutter ihm einen Bullworker, ein tragbares Fitnessgerät, schenkt.
Nach sechs Monaten fleißigem Training mit dem Bullworker setzt der junge Athlet zum ersten Mal einen Fuß in geeignete Gyms. Der Kraftsport steckt noch in den Kinderschuhen, das Equipment wurde meistens vom Besitzer selber zusammengebaut. Einer dieser Räume befindet sich in einem Café namens Groovy. „Es gab mehrere solcher Gyms, die über Cafés eingerichtet wurden“, erklärt Notschaele. „Ich musste nur den Barmann um den Schlüssel bitten und konnte dann trainieren. Wenn man unten im Café saß und die Leute oben Kreuzheben gemacht haben, dann kam der ganze Staub auf die Holzdecke gerieselt“, sagt er lachend. „Doch es machte unheimlich viel Spaß.“ Von dort übernimmt Notschaele das Motto „We Are Growing“, das später den Eintritt seines eigenen Sportzentrums zieren wird. Ein Vintage-T-Shirt mit dem Logo des Vereins KSC Groovy besitzt er heute noch.
Ich habe zwei Gyms verlassen, weil die jeweiligen Besitzer die Einnahme von Anabolika unterstützt haben und mich auch dazu bringen wollten, solche Mittel zu benutzen. Das fand ich schon damals richtig abartig.über seine Zeit als Bodybuilder
1982 führt der Weg zwecks Studiums nach Eindhoven. Das goldene Zeitalter des Bodybuildings ist angebrochen: Athleten wie Frank Zane sind in aller Munde. Notschaele beginnt, selbst an Bodybuilding-Wettkämpfen teilzunehmen. Diese Zeit bezeichnet er als „sehr charakterprägend“. „Es ist schon etwas Besonderes, vor so vielen Menschen anzutreten“, sagt der gelernte Maschinenbau-Ingenieur heute. „Zu den regionalen Wettkämpfen kamen schon mal 1.200 Zuschauer. So beliebt war der Sport damals. Der Applaus, das Feedback, das man bekommt, aber vor allem auch die Disziplin, die erforderlich ist, um so weit zu kommen – das alles formt einen.“
Notschaele schafft es bei Wettkämpfen bis in die Top fünf. Anabolika kommen für ihn niemals in die Tüte. „Ich habe zwei Gyms verlassen, weil die jeweiligen Besitzer die Einnahme von Anabolika unterstützt haben und mich auch dazu bringen wollten, solche Mittel zu benutzen. Das fand ich schon damals richtig abartig“, sagt er. Das entspricht nicht seinen Werten und ist nicht der Grund, warum er trainiert. „Ich liebte den Prozess des Trainierens schon immer. Darum geht es mir.“
Seinen ersten Strongman-Wettkampf absolviert er 1985. Powerlifting-Wettkämpfe stehen zunächst noch nicht auf der Tagesordnung. 1993 tritt er zum letzten Mal im Bodybuilding auf die Bühne, bevor es ihn 1995 aus arbeitstechnischen Gründen nach Luxemburg zieht. Notschaele heiratet und wird Vater von zwei Söhnen und einer Tochter. Gewichte bewegt er nach wie vor, aber weniger intensiv. Stattdessen tritt eine andere Sportart in sein Leben: das Laufen. Von 2007 bis 2010 schafft der Tausendsassa zehn Marathons. „Das Laufen passte gut in diese Zeit meines Lebens“, blickt er heute zurück.
Doch der Kraftsport lässt ihn nicht los. Als seine beiden Söhne 14 sind, werden auch sie von der Leidenschaft fürs Eisen gepackt. Notschaele sammelt Equipment und trainiert mit ihnen im Keller. Es ist die Geburtsstunde des ATC in seiner Rohform. Die beiden Jugendlichen bringen Freunde mit, die Existenz des Krafttrainingsraums spricht sich im Dorf herum. „Es kamen immer mehr Leute. Irgendwann dachte ich mir: Da muss mal was passieren.“
„Es geht nicht um den Bizeps“
Gemeinsam mit einem Freund mietet er 2015 einen Raum, der sich jedoch im Laufe der Zeit als zu klein erweist, woraufhin im Jahr 2018 der Umzug in die heutigen Räumlichkeiten in der Gewerbezone Wandhaff folgt. Hauptgedanke hinter dem Projekt ist die Frage: Was kann man über Sport lernen? Denn Notschaele stellt klar: „Beim Kraftsport geht es nicht nur um den großen Bizeps. Es geht um Disziplin, Struktur, Training, Essen, Ziele setzen.“ Der Verein Silverbacks entsteht innerhalb des ATC und wird Mitglied des luxemburgischen Verbands PWFL sowie des Powerlifting-Weltverbands IPF.
Notschaele nimmt selbst an Wettkämpfen teil und trainiert zugleich die Silverbacks-Athleten. Bei der Frage, wie er es schafft, beides unter einen Hut zu bringen, meint der Vollblutkraftsportler nur: „Wenn man Dinge macht, die man mag, fühlt es sich einfach gut an.“
Die Highlights in seiner Laufbahn erlebt er 2022, als er bei der Masters-Weltmeisterschaft in St. John’s, Kanada, bei den Masters II (50 bis 59 Jahre) unter 120 kg Körpergewicht Silber holt, und 2023 mit dem Vize-Europameistertitel bei den Masters III (60 bis 69 Jahre) unter 120 kg in Budapest. Die Gewichte, die er bewegt, rufen Staunen hervor: 250 kg in der Kniebeuge, 160 kg im Bankdrücken und 240 kg im Kreuzheben bei der Weltmeisterschaft bzw. 237,5, 162,5 und 245 kg bei der Europameisterschaft. In Budapest wurde er von Nationaltrainer Alain Hammang, einem echten Urgestein in der Geschichte des Powerliftings, betreut. „Wenn Alain dabei ist, braucht man an nichts zu denken“, sagt Notschaele und hebt auch die Hilfe hervor, die Hammang geleistet hat, damit das ATC in Sachen Equipment gut ausgestattet ist, sowie die Kurse für Trainer, die dieser ins Leben gerufen hat.
Training als Mantra
Dass er so weit gekommen ist, sieht der bodenständige Athlet schlichtweg als eine Konsequenz des Trainings nach vier Jahrzehnten. Zwar findet er es schön, sich zu messen, doch in erster Linie tut er all dies für sich. „Erfolg – wie auch immer man das definieren will – tritt erst mal in den Hintergrund“, sagt er.
Größere Verletzungen hatte er bislang nie. Auch das Vorurteil, Powerlifter, vor allem jene im höheren Alter, hätten ständig Rückenschmerzen oder kaputte Knie, lehnt er ab. Alle Bandscheiben sind noch da. Natürlich merke man, dass man keine 20 mehr ist, sagt der ehrgeizige Sportler, „doch wenn ich trainiere, fühle ich mich wohl“.
Das nächste Ziel steht bereits fest: Neben nationalen Wettkämpfen will Notschaele sich bei der Masters-WM im Oktober in Ulanbataar, Mongolei, beweisen. Doch verrückt machen lässt er sich nicht. „Ich denke nicht wirklich darüber nach, was ich in zehn oder zwanzig Jahren machen werde, sondern lebe für den Moment.“ Krafttraining ist für ihn zu einem Mantra geworden. „Ich habe gestern trainiert, es hat mir gefallen. Ich habe heute trainiert und es hat mir gefallen. Die Chance ist also ziemlich groß, dass es mir morgen auch gefallen wird“, sagt er lachend. „Danach schauen wir weiter.“
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