Radsport / Der Einzelkämpfer: Alex Kirsch vor seinem Start über die Besonderheiten des Olympia-Rennens
Als einziger Radsportler wird Alex Kirsch am Samstag um 11 Uhr am Eiffelturm das 272,1 Kilometer lange Straßenrennen der Olympischen Spiele in Angriff nehmen. Ein Rennen unter besonderen Voraussetzungen, wie es die Radprofis sonst nur selten erleben.
Tageblatt: Auf einen Start bei der Tour de France mussten Sie aufgrund von Knieproblemen verzichten. Wie schlimm war die Verletzung im Endeffekt?
Alex Kirsch: Das war nichts zu Schlimmes und eigentlich auch kein Problem für die Tour de France. Zu besorgt war ich deswegen aber nicht. Ich bin eben draufgefallen und das brauchte seine Zeit, um komplett zu heilen, obwohl es nichts war, das mich im Training jetzt wirklich zurückgeworfen hat. Ich habe jeden Tag trainiert, vielleicht nicht mit der gewohnten Intensität, aber nicht so, dass ich irgendetwas verloren hätte.
War es ein Vorteil, dass Sie nach dieser Entscheidung mit den Olympischen Spielen direkt eine neue Zielsetzung hatten?
Es war in dem Sinn nicht schwer, weil mir die Selektion schon ein gutes Stück vor der Tour de France mitgeteilt wurde. Im Radsport ist es nun einmal nicht so, dass man eine Saison komplett um Olympia herum planen kann. Schon gar nicht, wenn man nicht einer der großen Leader eines Teams ist.. Als ich aufs Knie gefallen bin, habe ich die Tour nicht direkt abgeschrieben, war aber darauf vorbereitet, dass es eine Entscheidung geben könnte, die gegen mich spricht. Ich war enttäuscht, bin aber nicht aus allen Wolken gefallen. Weil ich wusste, dass es nichts Schlimmes war konnte ich mich direkt auf Olympia konzentrieren und hatte damit keinen Hänger. Ich habe mich mit Jempy (Nationaltrainer Drucker, Anm. d. Red) unterhalten, wie er die Sache sieht, er hatte aber noch Vertrauen in mich und dann habe ich mit dem Team gesprochen, wie mein Rennprogramm aussehen könnte, und das war eine Sache von einem Tag und dann ist es mit der gleichen Motivation weitergegangen.
Es werden Ihre ersten Spiele sein, ist Olympia auch für einen Radsportler ein Höhepunkt in einer Karriere?
Zu hundert Prozent. Es ist zwar anders im Vergleich zu anderen Sportarten, weil es dort eine gewisse Zeit oder Punktzahl gibt, die man erreichen muss, um sich zu qualifizieren. Im Radsport läuft die Sportart neben den Olympischen Spielen und eine Selektion ist auch abhängig vom Parcours. Man muss zusammenarbeiten, um Punkte zu sammeln und Startplätze zu bekommen. Das ist nicht so einfach, weil wir nicht auf uns fahren können, um das zu erreichen. Wir fahren für unser Team und müssen diese Ziele berücksichtigen. Vieles liegt nicht in den eigenen Händen, um zu Olympischen Spielen zu fahren. Mit einer längeren Karriere und einem gewissen Alter ist mir aber schon bewusst geworden, dass es ein Highlight ist, um hier starten zu können, und ein schönes Zeichen für meine eigene Karriere, dass ich mich so entwickelt habe, dass Jempy meint, dass ich die besten Chancen der Luxemburger habe, was ich mir vor einigen Jahren nicht hätte denken können. Gerade das macht mich froh. Ich möchte aber auch gut fahren, es geht nicht nur darum, einfach dabei zu sein.
Wie sehen Sie denn die Strecke?
Allein durch die Distanz kommt es schon sehr nah an einen Eintages-Klassiker heran. Um Paris herum gibt es keine ganz langen Berge, die Strecke ist aber wellig und es gibt sogar etwas Kopfsteinpflaster. Mit Paris-Nice bin ich schon einige Rennen in der Gegend gefahren, wo immer die ersten zwei, drei Etappen starten.
Ich werde mich in eine Position bringen müssen, in der ich einen Vorsprung auf die Favoriten bekomme
Sie sind der einzige luxemburgische Starter in diesem Straßenrennen. Welche Herausforderung ist es, alleine in so einem Feld zu fahren?
Es ist nicht einfach, denn bei so einem Rennen ist die Verpflegung enorm wichtig und es ist nicht so leicht alleine, keine Fehler zu machen. Ich glaube, dass wir uns mit dem Personal aber so organisieren können, um das ordentlich hinzubekommen. Ein großer Unteschied ist auch, dass Rennen wie eine Weltmeisterschaft und Olympia ohne Funk gefahren werden, was es noch komplizierter macht, um Getränkeflaschen zu bekommen. Sonst würde man schon übers Radio kommunizieren, was man genau braucht. Da geht hier dann schon Zeit verloren. So ist das eben, darauf muss man sich einstellen. Ich denke, das ist aber der einzige große Nachteil. Das Feld ist nämlich klein und ich meine, dass ich mich gut durchsetzten kann. Taktisch ist man etwas eingeschränkt, weil es nur eine Option gibt. Ich bin jedoch nicht der Einzige, der in diesem Fall ist, und auch große Nationen haben nur vier Fahrer, was zwar das Vierfache ist, aber noch weit von dem entfernt, was wir sonst über das ganze Jahr gewohnt sind. Wenn man ein Rennen in die Hand nehmen möchte, sind vier Fahrer auch nicht ganz viel.
Man kann also festhalten, dass es ein Rennen unter ganz anderen Voraussetzungen für alle wird?
Ja, ich weiß noch nicht genau, wie ich das Rennen sehen soll, weil es eben so anders ist. Ich werde da auch mit Jempy schauen, was seine Erfahrung ihm da sagt. Aber ich glaube, dass man sich auf zwei Optionen vorbereiten muss. Ich werde mich in eine Position bringen müssen, in der ich einen Vorsprung auf die Favoriten bekomme. Wenn man ehrlich ist, gehöre ich nicht zu den zehn Fahrern, die im Vorfeld zu diesen gezählt werden. Das heißt aber nicht, dass man nicht doch ein gutes Rennen fahren kann.
Wie besonders ist es für Sie denn, ein solches Event als Teil einer Delegation des Teams Lëtzebuerg miterleben zu können?
Ich bin gespannt, wie es werden wird. Weil unsere Saison aber parallel zu Olympia läuft, ist der Aufenthalt für mich in Paris dann doch relativ kurz. In der Woche vor Olympia bin ich noch die Tour de Wallonie gefahren und auch trainingstechnisch ist es so, dass wir nicht ganz lange vor unserem Olympia-Rennen anreisen können, einfach damit man ordentlich weitertrainieren kann. Für einen Radsportler ist es vielleicht auch weniger aufregend, weil wir die professionelle Betreuung, die um so ein sportliches Event herum herrscht, auch sonst gewohnt sind. Für andere Sportler ist das vielleicht eher neu und größer.
Starke Generalprobe
Nach einem Sturz auf der sechsten Etappe des Critérium du Dauphiné am 7. Juni musste Alex Kirsch aufgrund von Knieproblemen das Rennen aufgeben. Der Radprofi von Lidl-Trek verzichtete daraufhin nicht nur auf einen Start bei den nationalen Meisterschaften, sondern wurde von seinem Team auch nicht für die Tour de France nominiert. Sein Renn-Comeback gab Kirsch in der Woche der Olympia-Eröffnungsfeier, am 22. Juli bei der Tour de Wallonie. Die Generalprobe gelang dem 32-Jährigen, der das fünftägige Etappenrennen auf dem dritten Platz, nur 15 Sekunden hinter dem Gesamtsieger Matteo Trentin, beendete.
Die Strecke
Um 11 Uhr startet am Samstag das Straßenrennen der Herren am Trocadéro. Das 90-köpfige Peloton muss dann 272,1 Kilometer mit insgesamt rund 3.000 Höhenmetern bestreiten. Das Finale besteht aus drei Runden à 18,4 Kilometern. Dabei dürfte vor allem der Kopfsteinpflaster-Anstieg hoch zum Montmartre, in Richtung Sacré-Cœur, mit einer Länge von einem Kilometer und einer durchschnittlichen Steigung von 6,5 Prozent, im Blickpunkt stehen. Das Ziel befindet sich auf dem Pont d’Iéna, direkt am Eiffelturm, die Ankunft wird gegen 18 Uhr erwartet.
Mit vier Fahrern ist Belgien am Samstag am Start, angeführt von Zeitfahr-Olympiasieger Remco Evenepoel und Wout van Aert, auch Frankreich schickt vier Fahrer, u.a. Julian Alaphilippe und Christophe Laporte, ins Rennen. Im dreiköpfigen niederländischen Team befindet sich derweil Weltmeister Mathieu van den Poel.
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