Basketball / Der Traum lebt weiter: Wie Alex Senchenko als Ukraine-Flüchtling bei der Arantia Fels Halt fand
Mit 17 Jahren flüchtete Alex Senchenko vor dem Krieg aus der Ukraine und fand bei dem luxemburgischen Basketballverein Arantia Fels nicht nur Halt, sondern auch die Möglichkeit, seinen Traum von einer Profi-Karriere weiterzuleben.
„Ich kann gar nicht wirklich fassen, dass es nun schon zwei Jahre sind“, erklärt Alex Senchenko, als er auf den 24. Februar 2022 angesprochen wird. „Wenn man morgens um 5 Uhr aufwacht und alle erzählen, dass der Krieg angefangen hat und du selbst kannst es gar nicht wirklich glauben, weil du einfach auch gar nicht daran glauben möchtest …“, blickt der inzwischen 19-Jährige mit nachdenklicher Stimme auf den Tag zurück, der sein Leben komplett verändern sollte, und wirft dann auch gleich die Frage auf, die sich nicht nur viele Ukrainer am Samstag stellen dürften: „Zwei Jahre, warum ist es noch immer nicht vorbei? Das ist der erste Gedanke, der bei mir aufkommt, wenn ich an diesen Jahrestag denke.“
Zwei Jahre, warum ist es noch immer nicht vorbei? Das ist der erste Gedanke, der bei mir aufkommt, wenn ich an diesen Jahrestag denke.
Vor zwei Jahren war er ein Schüler, der sich gerade in seinem Abschlussjahr befand und wie viele andere Jugendliche in seinem Alter einen großen Traum hatte: einmal als Basketball-Profi um die Welt kommen. Der junge Ukrainer spielte in der Jugendauswahl von Self Made Kiew, einem professionellen Basketballklub in der ukrainischen Hauptstadt, lief auch bereits für die Mannschaft der 3. Division auf. Als der Krieg ausbrach, blieb Senchenko erst einmal noch in seiner Heimatstadt. „Dann rief mich ein ehemaliger Teamkollege an und meinte, dass er mir helfen könnte, die Ukraine zu verlassen und in Moldawien zu leben und Basketball zu spielen.“
Wenige Tage vor seinem 18. Geburtstag entschied sich Senchenko dazu, dieses Angebot anzunehmen, seine Familie zurückzulassen und alleine nach Moldawien zu flüchten. Auf dem Weg ins Nachbarland wurde das Kriegsgeschehen dann auch auf einmal viel präsenter, wie er weiter erzählt: „In den ersten Kriegstagen habe ich natürlich Militärfahrzeuge gesehen und Flugzeuge, aber keine Explosionen. Als ich mit dem Bus zur moldawischen Grenze fuhr, sind wir durch Gebiete gekommen, in denen man Spuren von Kämpfen und Explosionen sehen konnte. Da habe ich realisiert, wie nah das alles wirklich dran ist.“ Die Ukraine zu verlassen, war eine spontane Entscheidung, wie er im Nachhinein betont. „Mit 18 hätte ich nicht mehr ausreisen dürfen, somit ging dann auf einmal alles auch ganz schnell und ich habe mich binnen zwei Tagen zu diesem Schritt entschieden.“ Dabei sah er im Krieg, so schlimm er auch ist, auch eine Chance. „Ich sagte meinen Eltern, dass es mein Traum ist, Basketball-Profi zu werden, und dass jetzt die Möglichkeit besteht, wegzukommen.“ Ein Schritt, den er ohne den Ausbruch des Krieges gar nicht so konkret in Erwägung gezogen hätte. „Davor dachte ich eher daran, es in der Ukraine zu versuchen, doch mit dem Ausbruch des Krieges gab es letztlich keinen Grund mehr, zu bleiben. Ich habe einfach nicht viel nachgedacht, meine Eltern waren auch damit einverstanden.“
Über Moldawien nach Luxemburg
Die nächsten Monate lebte er nun in Moldawien, spielte für einen Basketballklub der höchsten Liga und beendete dort auch die Saison. „Im Sommer versuchte ich dann, ein Team in Deutschland oder Südeuropa zu finden, da viele Basketball-Freunde aus der Ukraine hier bereits spielten.“ Und da kam einmal mehr der gleiche Freund ins Spiel, der ihn schon nach Moldawien gebracht hatte, Nick Nesushchyi. Dieser hatte nämlich einen Klub in Luxemburg gefunden, die Arantia Fels. „Ich fragte ihn: Luxemburg, ist das ein Teil von Deutschland?“, erinnert sich Senchenko lachend.
Basketball hilft mir, mental gesund zu bleiben. In den Momenten, in denen ich an meine Familie in der Ukraine denke und was ihnen passieren könnte, gehe ich auf den Basketballplatz und trainiere hart.
Im August 2022 absolvierten beide beim damaligen Coach Christophe Ney ein Probetraining und der Verein entschied sich dazu, Alex Senchenko und seinem Freund Nick Nesushchyi eine Chance zu geben. „Ich kann nicht beschreiben, wie glücklich und dankbar ich bin. Sie haben uns so viel geholfen, mit dem Papierkram und auch damit, ein Appartement zu bekommen.“ So war die Zeit des 19-Jährigen in der Flüchtlingsunterkunft auf Kirchberg, wo er zuerst untergekommen war, auch schnell wieder vorbei.
„Ein kleines Dorf, eine große Familie“, unter diesem Motto ist der Felser Basketball-Klub in Luxemburg bekannt, und die Herzlichkeit der Arantia-Verantwortlichen hat Senchenko sofort gespürt. „Alle waren so freundlich, bei der Arantia gelandet zu sein, ist ein wahrer Glücksfall. Sie sind nicht nur wie eine Familie, sondern bringen mich auch in ihre Familien mit.“ In einem fremden Land, wo er erst einmal niemanden kannte und schnell erwachsen werden musste, war es der Felser Basketball, der es ihm ermöglichte, schnell Anschluss und Halt zu finden. Dass er weiter Basketball spielen darf, bedeutet ihm alles, wie der 19-Jährige weiter erklärt. „Basketball hilft mir, mental gesund zu bleiben. In den Momenten, in denen ich an meine Familie in der Ukraine denke und was ihnen passieren könnte, gehe ich auf den Basketballplatz und trainiere hart. Das hilft mir, abzuschalten, nicht daran zu denken, was in meiner Heimat passiert.“
Glücksfall Arantia Fels
Mit seiner Verpflichtung bei der Arantia, in der luxemburgischen LBBL, lebt auch der Traum von Alex Senchenko weiter, als Basketballprofi Karriere machen zu können. Dabei ist er froh, dass er einen der wenigen Klubs in Luxemburg gefunden hat, die im Moment nur mit zwei Profi-Spielern antreten wollen, Plätze, die meistens von US-Spielern eingenommen werden. Erlaubt sind in der höchsten luxemburgischen Liga drei ausländische Spieler, die als Non-JICL bezeichnet werden. Für Senchenko, als Nummer drei, die perfekte Rolle. „Ich bin so froh, dass sie keinen dritten Ami verpflichten wollen. Das ist meine Chance und auch die perfekte Rolle für mich, so kann ich Erfahrung sammeln, besser werden und mir meine Spielminuten verdienen.“
Doch Alex Senchenko träumt weiter. „Am liebsten würde ich in Europa, in einer der Top-Ligen, spielen, doch das ist ein Traum. Mein Ziel im Moment lautet, es vielleicht an ein College in den USA zu schaffen.“ Dafür trainiert er nicht nur mit der Mannschaft am Abend, sondern tagsüber auch mit den beiden Profi-Spielern der Arantia und versucht zwischendurch, noch Fitness-Einheiten einzustreuen.
Alle waren so freundlich, bei der Arantia gelandet zu sein ist ein wahrer Glücksfall. Sie sind nicht nur wie eine Familie, sondern bringen mich auch in ihre Familien mit.
Seinen Schulabschluss hat Senchenko inzwischen in der Tasche und er studiert per Fernstudium Wirtschaft an einer ukrainischen Universität. Seine Eltern und sein älterer Bruder leben noch immer in Kiew, leben ihren Alltag so gut es geht weiter, gehen arbeiten. „Ich glaube, es ist derzeit der sicherste Ort in der Ukraine. Manchmal hören sie die Luftsirenen, doch sie sind inzwischen daran gewöhnt, das ist leider die Normalität und es ist beängstigend, dass man sich an so etwas gewöhnen kann.“
Sein größter Wunsch ist es, dass der Krieg bald vorbei sein wird, und dass er seine Familie wieder in die Arme schließen kann. So lange versucht er, seinen anderen Traum, eine Profi-Karriere im Basketball, weiterzuleben, wobei ihn auch die Felser Basketball-Familie mit allen Kräften unterstützt.
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