Tokyo 2020 / „Eher Hip-Hop als Klassik“: Kevin Magdowski über das Potenzial des 3x3-Basketballs
Am Mittwoch werden erstmals olympische Medaillen im 3×3-Basketball vergeben. Für Kevin Magdowski ist die Disziplin ein „schlafender Riese“, der auch Chancen für kleinere Nationen wie Luxemburg bietet.
Erstmals ist neben dem traditionellen Basketball auch das 3×3 olympisch. Es ist eine dieser Sportarten, mit denen das Internationale Olympische Komitee jüngere Zuschauer ansprechen will. Seit der Aufnahme in das olympische Programm hat die Disziplin in vielen Ländern einen Hype erlebt. In Deutschland arbeitet man gerade daran, professionellere Strukturen aufzubauen, um 2024 in Paris dabei zu sein.
Einer, der an dieser Mission mitwirkt, ist Kevin Magdowski. Der Basketball-Trainer ist in Luxemburg kein Unbekannter. Er war unter anderem Trainer in Walferdingen, bei den Kordall Steelers und in Bartringen. Nun trainiert er die deutsche Herren-Nationalmannschaft im 3×3. „Das Projekt hat mich gereizt“, so Magdowski. Als die Anfrage vom deutschen Basketball-Bund kam, hat er seine Tätigkeit als Coach bei Düsseldorf in der 2. Bundesliga aufgegeben und die Disziplin gewechselt. Umziehen muss Magdowski nicht, Düsseldorf dient dem deutschen Basketball Bund als Stützpunkt für das 3×3.
„IQ-lastig“ und nicht „vogelwild“
Eine 3×3-Mannschaft zu trainieren, unterscheide sich wesentlich von der Arbeit mit einem Basketball-Team, das in einer traditionellen Meisterschaft fünf gegen fünf spielt. Beim 3×3 wird – wie der Name es bereits sagt – drei gegen drei auf einen Korb gespielt, so wie beim Streetball. „Es ist aber kein Streetball. Wir spielen nicht auf der Straße, sondern auf einem speziellen Belag“, erklärt Magdowski, dessen tägliche Arbeit sich sehr verändert hat, der den Schritt aber nicht bereut. „Der traditionelle Basketball ist quasi zum Schachspiel auf einem Parkett geworden. Es geht vor allem um die Umsetzung von taktischen Vorgaben. Das 3×3 ist dagegen Basketball in seiner reinsten Form.“ Es gehe vor allem um die spielerische Stärke. Allerdings sei das 3×3 alles andere als „vogelwild“, sondern eher „IQ-lastig“, wie Magdowski es beschreibt.
Die Spieler benötigen eine gewisse Spielintelligenz. Sie müssen selbst Auszeiten nehmen und Einwechslungen tätigen, da während der Spiele nicht gecoacht werden darf. Das war die größte Umstellung für Magdowski. Wer sich an seine Zeit in Luxemburg erinnert, der weiß, wie leidenschaftlich er gecoacht hat. So steigt der Blutdruck bei der neuen Disziplin noch etwas stärker an. „Es ist eine Herausforderung. Das war zu Beginn nicht einfach für mich. Wer mich kennt, der weiß, wie gern ich als Coach eingreife.“
Magdowski ist mit seinem Team auf der 3×3 World Tour unterwegs. Es gibt nicht jedes Wochenende ein Meisterschaftsspiel, sondern es wird in Turnierform gespielt. „Das macht es für junge Spieler interessant, weil sie gleich mehrere Spiele haben und am Ende ein Gewinner feststeht. Eine traditionelle Meisterschaft, die über eine ganze Saison geht, ist wesentlich langatmiger.“
Eine Chance für kleine Nationen
Das 3×3 sei aber noch aus anderen Gründen interessant für die Jugend und deren Basketball-spezifische Ausbildung. Die Erklärung des Nationaltrainers ist simpel: „Sie haben ganz einfach öfters den Ball in den Händen.“ Magdwoski vergleicht es mit der Jugendarbeit in Handball und Fußball, wo die Anzahl der Spieler auf dem Feld ebenfalls reduziert wird, damit alle eingebunden werden. „Beim 3×3 kann sich kein Spieler verstecken. Jeder bekommt seine Würfe und muss Verantwortung übernehmen.“ Für einen Angriff hat ein Team lediglich zwölf Sekunden Zeit. Eins-gegen-eins-Aktionen gibt es beim 3×3 nicht sehr viele, was damit zusammenhängt, dass man in der Defense beide Hände an den Gegner anlegen darf. Das Spiel besteht zum großen Teil aus Blocken und Abrollen.
Die Beliebtheit des 3×3 resultiert auch aus einem gewissen „Coolness-Faktor“. Vorbild der Sportart ist in gewisser Weise der Beachvolleyball. „Die Spiele sind intensiv, es ist ständig Action.“ Laute Musik gehört ebenso zu den 3×3-Spielen dazu. „Und generell wird eher Hip-Hop als Klassik gespielt“, was wohl auch dazu beitrage, wieso die Sportart bei Jugendlichen Anklang finde.
Das 3×3 bietet allerdings nicht nur der Jugend eine Chance, sondern auch kleineren Nationen wie Luxemburg. Einige kleinere Länder haben den Fokus bereits auf das 3×3 gelegt, allein deshalb, weil es realistischer ist, vier bis fünf starke Spieler auszubilden als gleich zehn oder zwölf, die international mithalten können. „Luxemburg könnte locker ein oder zwei schlagfertige Teams auf die Beine stellen“, sagt der ehemalige Sparta-Coach.
Einfache Weltranglistenpunkte
Momentan besteht für kleinere Nationen eine größere Chance, sich mit stärkeren Nationen zu messen. Weltranglistenpunkte gibt es natürlich ergebnisbezogen für die besten Teams, aber gleichzeitig auch für die jeweils 50 besten Spieler einer Nation. „In Deutschland spielen auf einem Turnier in Hamburg andere Leute als in München. In Luxemburg würden aber auf jedem Turnier die gleichen Spieler antreten.“
Es kommt dabei nicht auf die Stärke an, sondern einzig darauf, dass man spielt. „In Luxemburg hat man im ganzen Land tolle Anlagen, um Basketball zu spielen, da könnte man im Sommer jedes Wochenende Turniere austragen.“ Von den Weltranglistenpunkten der 50 besten Spieler des Landes könnte dann das luxemburgische Top-Team profitieren. „Ich will nicht behaupten, dass es damit schon reicht, die Qualifikation für Olympia zu spielen, aber so ganz weit wäre man davon nicht mehr entfernt“, sagt Magdowski, der nicht versteht, wieso der luxemburgische Verband nicht stärker auf das 3×3 setzt.
3×3-Basketball ist ein schlafender Riesedeutscher Nationaltrainer
Wie lange das 3×3 noch so attraktiv für die kleinen Nationen bleibt, hängt vom weiteren Erfolg der Disziplin ab, die sich immer weiter professionalisiert. Waren es ganz zu Beginn vor allem Basketballer, die in der Off-Season 3×3 spielten, setzten viele Nationen auf Spezialisten. „Meine Spieler sind allesamt Profis, die diese Disziplin spielen. Bei den meisten anderen Nationen ist es ähnlich“, sagt Magdowski, der großes Potenzial sieht. „3×3-Basketball ist ein schlafender Riese. Es wird interessant zu sehen sein, wie die Entwicklung weitergeht.“
Momentan wird dem 3×3 in den USA nicht so viel Beachtung geschenkt. Bei den Männern haben sie zum Beispiel kein Team in Tokio am Start gehabt. Magdowski ist sich sicher, dass die Amerikaner in Zukunft verstärkt darauf setzen werden. „Jede olympische Medaille zählt und so eine Chance wie beim 3×3 werden sie sich nicht noch einmal entgehen lassen.“ Dann könnte es 2024 in Paris zum Aufeinandertreffen mit Magdowskis Team kommen. Das Ganze begleitet von lauter Musik, natürlich eher Hip-Hop als Klassik.
- Wie der Ochse vorm Weinberg: Die Tageblatt-Redaktion versucht sich als Winzer - 20. November 2024.
- Auf der Suche nach besseren Zeiten - 9. November 2024.
- Wie die Lokaljournalisten Kayla und Micah gegen die Polarisierung ankämpfen - 3. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos