Jeunesse Esch / Ein Kreter ist bereit, zu übernehmen
Die diesjährige ordentliche und außerordentliche Generalversammlung der Escher Jeunesse hat historische Züge. Heute ab 10.30 Uhr stimmen die Mitglieder im Escher Theater darüber ab, ob der kretische Obsthändler Manthos Poulinakis oder sein Geschäftspartner Nachfolger von Jean Cazzaro auf dem Präsidentenstuhl der Escher wird.
In den vergangenen Tagen waren die Jeunesse-Verantwortlichen vor allem damit beschäftigt, Stillschweigen zu bewahren. Der Name des neuen Präsidenten sollte nicht durchsickern. Dabei befindet sich der designierte Nachfolger von Jean Cazzaro bereits seit einigen Tagen in Luxemburg. Manthos Poulinakis ist zusammen mit seinem Geschäftspartner Panagiotis Katsattis angereist.
Wer von den beiden Männern von der griechischen Insel Kreta den Präsidentenstuhl übernehmen soll, stand in den vergangenen Tagen noch nicht fest. Gestern kam es jedoch zu einer entscheidenden Sitzung. In diesem Meeting wurde das finale Package geschnürt. Mit dabei waren u.a. Cazzaro, Poulinakis, Katsattis und der ehemalige Jeunesse-Trainer Noël Tosi.
Der Franzose, der nur dreimal an der Seitenlinie stand nach der Rückrunde, könnte in Zukunft die Rolle des Sportdirektors übernehmen. Eine Entscheidung in dieser Personalie könnte aber erst kurzfristig fallen. Le Quotidien hatte berichtet, dass der 61-Jährige eine tragende Rolle im Konzept spielen könnte. Tosi hatte die Griechen für die Jeunesse an Land gezogen.
Mit Vereinsführungen kennt sich der 41-jährige Poulinakis aus. Bereits als 26-Jähriger wurde er zum Vereinsoberhaupt des damaligen griechischen Viertligisten PASA Irodotos gewählt. Von 2012 bis 2014 war er Präsident und Generaldirektor beim Erstligisten OFI Kreta – der übrigens auch Schwarz und Weiß als Farben trägt. In dieser Periode war er auch Vorstandsmitglied des Griechischen Fußballverbandes.
Nachdem er seinen Heimatverein verließ, versuchte sich Poulinakis ohne Glück bei anderen Vereinen. 2018 kam es gleich zu zwei kurzen Intermezzos beim italienischen Drittligisten FC Rieti und beim belgischen Drittligisten VW Hamme. Der dritte Versuch, bei einem ausländischen Verein einzusteigen, soll nun der richtige sein.
Der Kreter hat aber nicht nur sportliche Ziele. Poulinakis will mit seinen Obstvertriebsfirmen „Rea Fruits“ und „Kastro Fruits“ in Luxemburg und der Großregion einen neuen Markt erschließen. Geld mit der Jeunesse machen kann er nämlich nicht, da er den Club als Asbl weder kaufen kann noch Profit durch Fernsehgelder, Merchandising oder desgleichen erzielen kann.
Zurück in die Europa League
Poulinakis will in den kommenden Jahren in den schwächelnden Rekordmeister investieren und dauerhaft mit der Jeunesse wieder in der Europa League mitwirken. Eine Art zweiter Investor im Stile eines Flavio Becca soll der Hellene aber nicht sein. Trotzdem: Um konkurrenzfähig zu sein, muss die Jeunesse finanziell zulegen. Zieht man die Budgets der Topvereine in Betracht, fehlt der Jeunesse rund eine halbe Million Euro pro Saison, um vorne mitspielen zu können. Zuletzt lag der Etat der Escher bei rund 800.000 Euro.
Damit Poulinakis oder Katsattis das Präsidentenamt übernehmen können, müssen die Mitglieder aber zunächst die Türen öffnen. Heute muss folgende Klausel aus den Jeunesse-Statuten gestrichen werden: Um sich für einen Platz im Vorstand zu bewerben, galt bisher die Bedingung, zuvor mindestens ein Jahr im Besitz einer Vereinsmitgliedschaft gewesen zu sein. Bei einer ersten außerordentlichen Generalversammlung vor knapp zwei Wochen konnte dieser Passus nicht geändert werden, da nicht genügend Mitglieder vor Ort waren. Heute wird ausschließlich die Mehrheit über die Satzungsänderung entscheiden. Die außerordentliche Generalversammlung beginnt um 10.30 Uhr, eine halbe Stunde später folgt die ordentliche Generalversammlung.
Wird Poulinakis gewählt, geht eine vierjährige Suche zu Ende. Jean Cazzaros Wunsch nach einem Nachfolger wurde bisher nicht erfüllt. Henri Hilgert (Miwwel- a Kichechef) sprang im letzten Moment ab und Stéphane Bailly (Car Avenue) bevorzugte es, Sponsor zu bleiben.
Für Cazzaro geht heute eine 16 Jahre lange Ära zu Ende. Der mittlerweile 71-Jährige, der zunächst bis 2002 Präsident des FC Monnerich war, holte mit der Jeunessse einen Meistertiel (2009/10), einen Pokalsieg (2012/13) und qualifizierte sich mit den „Bianconeri“ siebenmal für den Europapokal. Die Jeunesse litt in dieser Zeit aber auch unter Erfolglosigkeit. Unter anderem wegen mangelnder finanzieller Mittel im Vergleich zu Konkurrenten wie Düdelingen, Fola und neuerdings u.a. auch Niederkorn, RFCUL oder Petingen.
Mit Hilfe eines Griechen soll diese sportliche Lücke in den kommenden Jahren wieder geschlossen werden. Aber auch im Vorstand wartet Arbeit auf den Obstexperten. Mit Guy Guth („Chargé de mission“), Romain Wantz, Jeff Ludovicy und José Gonçalves haben nicht weniger als vier wichtige Mitglieder den Verein in den vergangenen Monaten verlassen.
Aber vielleicht gibt es auch in diesem Dossier heute im Escher Theater eine Überraschung.
- Analyse zur Nations League: Direkter Abstieg vermieden, aber die Fragen bleiben - 20. November 2024.
- Die Underdogs wollen zeigen, was sie draufhaben - 9. November 2024.
- Fola-Trainer Ronny Souto: „Die Devise muss es sein, an jedem Tag unser Maximum zu geben“ - 26. Oktober 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos