Corona / Einbruch der Lizenzen bei den Vereinen des Turnverbandes FLGym weiterhin akut
1.514 weniger Lizenzen, ein Rückgang von 22 Prozent: Es sind Zahlen, die nicht überraschen, aber einen dennoch erschrecken lassen. Nach zwei Pandemie-Jahren kämpft der nationale Turnsport weiter mit den Folgen der Trainings- und Wettkampfausfälle sowie der sich immer noch laufend ändernden Corona-Maßnahmen. Nicht nur viele Sportler scheinen inzwischen die Motivation verloren zu haben.
„Ich hoffe einfach, dass diese Nachricht vielleicht für den einen oder anderen auch ein kleiner Anstoß oder eine Erinnerung ist, sich bei seinem Verein zu melden und seine Lizenz zu verlängern“, erklärt Silvio Sagramola, Generalsekretär des nationalen Turnverbandes. Denn nachdem die FLGym – immerhin einer der größten Sportverbände des Landes – bereits Anfang 2021 von einem erheblichen Einbruch der Lizenzen – sowohl im sportlichen wie administrativen Bereich – berichten musste, hat sich die Situation derzeit nur minimal beruhigt. Seit dem Beginn der Pandemie verzeichnete die Basissportart schlechthin einen Rückgang von 1.514 Lizenzen, was ein Minus von 22 Prozent darstellt. Am stärksten ist der Verlust dabei in der Kategorie der „Dirigeants“ und Trainer, in der der Rückgung bei 24 Prozent liegt. Doch auch die restlichen Kategorien – Wettbewerbs-, Freizeit- und Kampfrichterlizenzen – sind weiterhin stark betroffen. Der krasse Einbruch der Freizeitlizenzen im letzten Jahr, der vor allem auf den Lockdown im Herbst 2020 und den damit einhergehenden Ausfall sämtlicher Kurse zurückzuführen ist, konnte allerdings vorerst gestoppt werden. Gingen diese innerhalb eines Jahres um 25,39 Prozent zurück, kann aktuell wieder ein kleines Plus von 78 neuen Mitgliedern verzeichnet werden. Von Zahlen aus Vor-Pandemie-Zeiten ist man aber auch hier noch immer weit entfernt.
Leistungsniveau verloren
Im Gespräch mit Tessy Alesch, Präsidentin der Espérance Esch, wird deutlich, dass es Altersklassen gibt, in denen der Verlust an Turnerinnen inzwischen krasse Ausmaße angenommen hat. Am meisten Sorgen bereitet ihr so auch die Kategorie der Espoirs, die zwischen neun und 13 Jahre alt sind. Vor der Pandemie, in der Saison 2018/19, war der Andrang hier recht groß, 93 aktive Lizenzen konnte die Espérance in dieser Zeit bei den Espoirs aufweisen. Inzwischen ist der Rückgang allerdings drastisch, sodass sich die Anzahl an Turnerinnen um nicht weniger als 67 Prozent reduziert hat, auf gerade einmal 31. Als mögliche Erklärung nennt Alesch das ganze Hin und Her während der letzten zwei Pandemie-Jahre, wodurch viele schlichtweg die Motivation verloren haben: „Am Anfang war das Ausweichen auf Online-Training für alle neu und spannend, mit der Zeit wurde das aber für viele langweilig. Kurz nachdem sie im Sommer dann wieder in die Halle durften, kam der nächste Lockdown, danach sind viele nicht mehr zurückgekommen.“
Vor allem im Kunstturnen sind die Anforderungen bekanntermaßen groß, ohne richtiges Training und Wettbewerbe ist das Leistungsniveau schnell weg, wie Alesch erklärt: „Sie hatten einfach keine Möglichkeit, weiterzukommen, konnten auch nicht auf ein Ziel hin trainieren, da es ja keine Wettkämpfe gab. Hinzu kam, dass in jedem Jahr neue Elemente gefordert werden. Da war die Lust auf einmal weg.“ Für Alesch liegt auch hier die Hauptursache, warum die Pandemie gerade einen so enormen Einfluss auf den Turnsport hat: „Turnen ist zeitintensiv. Nach einem Monat Pause braucht man zwei Monate, bis man einigermaßen wieder zurück ist. Ein großer Unterschied etwa zu den Ballsportarten.“
So blieb einem bei der Espérance etwa auch nichts anders übrig, als die erste Mannschaft in der letzten Woche von der Coupe de Luxembourg abzumelden: „Die Turnerinnen können einfach nicht mehr das, was sie noch vor zwei Jahren konnten.“ Auch bei einer der Trend-Disziplinen der vergangenen Jahre, dem Cheerleading, spürt man in Esch ähnliche Pandemie-Folgen. „Allgemein sind die Lizenzen auf Wettbewerbslevel zurückgegangen. Zum Glück nimmt es im Loisirs-Bereich wieder zu.“
Gute Turnerinnen weg
„Viele konnten nicht einmal mehr einen Flickflack“, bestätigt auch Camille Schneider, Sekretärin der Union Düdelingen. Auch in der „Forge du Sud“ merken die Verantwortlichen, dass viele Athleten in den letzten Monaten die Motivation verloren haben: „Es sind ausgerechnet viele gute Turnerinnen, die abgesprungen sind“, erklärt Schneider. Auch für sie sind die mangelnden Trainingsmöglichkeiten, die über eine lange Zeit vorherrschten, ein Hauptfaktor, auch wenn sie betont, dass die Trainer im Klub sich immer viel haben einfallen lassen: „Innerhalb kürzester Zeit ist einfach so viel weg und man braucht lange, bis das vorherige Niveau wieder erreicht ist.“ Rückschläge, die viele nach dem Lockdown im Frühling 2020 noch überwunden haben, nach dem zweiten im Herbst dann jedoch aufgaben: „Im Vergleich zu vielen anderen Sportarten ist Turnen einfach enorm anstrengend.“
Und so hat Camille Schneider auch ein viel aussagendes Beispiel parat: „Was etwa die Aufstellung für die Coupe de Luxembourg betrifft, mussten wir sonst immer eine Auswahl treffen. In diesem Jahr kratzen wir alles zusammen, was da ist. Kommt dann noch eine Verletzung oder Corona-Infektion hinzu, kann man das Team abmelden.“
Ähnlich ist die Situation auch im Norden des Landes, wie Jean-Marie Laubach, Präsident des großen Fusionsvereins in der „Nordstad“, erklärt: „Bei uns zieht sich der Rückgang quer durch alle Kategorien. Einige haben sich neu orientiert, die Konkurrenz an Sportarten ist ja auch groß. Bei den Kleinen kommt hinzu, dass auch die Eltern inzwischen ängstlich geworden sind, dass sich ihre Kinder anstecken, was ja auch verständlich ist.“
Um die Motivation der verbleibenden Sportler aufrechtzuerhalten, lassen sich die Vereine dann auch Alternativen einfallen. In Esch wurde etwa erst vor kurzem ein interner Wettkampf organisiert, damit die Nachwuchturnerinnen endlich wieder vor Kampfrichtern, die Minis zum ersten Mal überhaupt, antreten können. In Düdelingen versucht man immer wieder externe Aktivitäten zu organisieren, die zusammenschweißen und die Moral aufrechterhalten sollen. „Leider ist auch 2021 der „Kleeschen-Cortège“ kurzfristig abgesagt worden. Dabei hatten die Kinder schon so viel Zeit in die Vorbereitung und Kostüme gesteckt. So haben wir dann kurzerhand den Kleeschen zu uns in die Turnhalle geholt“, erklärt Schneider.
Dass man das in den vergangenen zwei Jahren entstandene Loch in den kommenden Jahren jedoch noch deutlich zu spüren bekommen wird, dessen sind sich alle sicher. „Ich bin nur froh, dass der Klub noch einige finanzielle Reserven hatte, die wir nutzen konnten“, meint Schneider, die betont, dass ein Rückgang an Wettbewerbslizenzen auch gleichzeitig ein Rückgang der „Subsides qualité+“ bedeutet.
Keine Galas
Auch bei den vielen Ehrenamtlern in den Vereinen leidet die Motivation aufgrund der wiederkehrenden Absagen und der sich ständig ändernden Corona-Auflagen. Etwas, das das Vereinsleben im Turnen wie kaum etwas anderes aufrechterhält, sind beispielsweise die traditionellen Galas, bei denen alle – vom Eltern-Baby- bis hin zum Seniorenturnen – auftreten. In Esch und der „Nordstad“ mussten diese nun erneut kurzfristig verschoben werden. Etwas, was auch an die Moral der vielen freiwilligen Helfer geht. „Die Leute sind enttäuscht, verstehen das aber. Vor 200 Leuten ergibt eine Gala einfach keinen Sinn“, betont Jean-Marie Laubach, der erklärt, dass dadurch einmal mehr die wichtigsten Einnahmen des Klubs fehlen.
In Düdelingen konnte man hingegen nach langer Pause, im Dezember, endlich wieder eine solche Gala vor Publikum ausrichten, auch wenn es für die „Bénévoles“ mit sehr viel Mehraufwand im Vergleich zu den vergangenen Jahren verbunden war. „Bei mir sind pro Tag wirklich um die hundert Mails eingetroffen“, meint Camille Schneider, die froh ist, dass die Stimmung in ihrem Vorstand, trotz vielen Stunden Mehrarbeit, noch immer hervorragend ist. So sieht es nicht bei allen Klubs aus, auch wenn man in Esch und beim Nordstad-Turnveräin hier ebenfalls nicht von Mitgliederschwund sprechen kann. Auch bei den Kampfrichtern und Trainern gab es bei diesen drei Klubs keine Rückgänge. „Bei uns bekommen die Trainer sogar eine kleine Prämie, wenn sie sich für Kurse anmelden“, das hilft uns wirklich, meint etwa Schneider.
50-Euro-Gutscheine
„Als einen Tropfen auf den heißen Stein“ bezeichnet Laubach derweil die 50-Euro-Gutscheine des Sportministeriums, die es für die Anmeldegebühr jedes neu gewonnene Mitglieds im letzten Jahr übernahm. „Ich würde lieber eine Aktion sehen, die verlorene Mitglieder zurückbringen würde“, meint derweil Tessy Alesch, die erklärt, dass der Hauptanteil an Anfragen nicht gestattet wurde, da es sich um keine neugewonnenen Mitglieder und somit auch keine Erstlizenzen handelte.
„Bei uns war der Mehraufwand an Arbeit dadurch enorm“, meint auch Schneider, die die gleiche Erfahrung wie Alesch gemacht hat. „Die Neu-Lizenzen gab es fast ausschließlich beim Mama-Baby-Turnen und den Minis“, Anmeldungen, die man in Düdelingen auch sonst bekommen hätte. „Drei Viertel der Anfragen waren hingegen keine ersten Lizenzen. Ich glaube nicht, dass wir aufgrund dieser Aktion auch nur eine Person hinzugewonnen haben. Zudem muss der Verein das Geld vorstrecken, was ich nicht gut finde.“
In den letzten Monaten kam für die Vereine viel zusammen, alle sind sich am Ende dann einig, dass eine weitere Saison ohne Wettkämpfe für die Klubs kaum noch tragbar ist. Wenigstens konnte die Coupe de Luxembourg im Allgemeinturnen am letzten Samstag wie geplant mit der Qualifikationsrunde beginnen. Ein Hoffnungsschimmer!
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