Handball / Eine Frage der Mentalität: Warum es in der Damen-Nationalmannschaft keine Profis gibt
Die luxemburgische Frauen-Handballnationalmannschaft bestreitet am Wochenende gegen Bulgarien und Italien die erste Phase der Qualifikation zur WM 2025. Nationaltrainer Michel Scheuren hat am Dienstagabend auf einer Pressekonferenz seinen Kader vorgestellt. Bis auf zwei Torhüterinnen, die im Ausland spielen, vertraut er ausschließlich Spielerinnen aus der luxemburgischen AXA League.
Die Vereine der Feldspielerinnen der luxemburgischen Nationalmannschaft sind schnell aufgezählt: Düdelingen, Käerjeng, Red Boys, Diekirch. Zwar gibt es im erweiterten Kader der FLH-Frauen auch Spielerinnen, die durch ihre Studien im Ausland aktiv sind, wie etwa Joanne Rodesch (HSG Freiburg/D) oder Moira Avallone (Yutz HB/F), doch sie stehen aus schulischen Gründen für die anstehenden WM-Qualifikationsspiele nicht zur Verfügung. Michel Scheuren setzt daher bis auf die beiden Torhüterinnen Laure Flener (HSG Hunsrück/D) und Ines Lopa (SMS Zaglebie Lubin/POL) ausschließlich auf Spielerinnen aus der AXA League.
„Wir haben eine junge Mannschaft mit einem Durchschnittsalter von unter 23 Jahren. Das ist der Weg, den wir gehen müssen. Junge Spielerinnen früh an das internationale Niveau heranführen, damit sie Erfahrung sammeln“, sagt der Nationaltrainer. Gerade deswegen würde er sich auch wünschen, dass mehr Spielerinnen den Schritt ins Ausland wagen. In der luxemburgischen Liga gibt es acht Mannschaften, die bis zu sechsmal pro Saison gegeneinander spielen und sich in- und auswendig kennen. Dadurch fehlt der FLH-Auswahl die internationale Erfahrung.
Geld und Charakter
„Für uns ist es schon wichtig, wenn jemand im Ausland an der Uni ist und nebenbei in einer dritten Liga spielt“, sagt Scheuren. „Ines Lopa ist zum Beispiel auch an einem Entwicklungszentrum in Polen. Das begrüßen wir sehr. Wir wären froh, wenn mehr den Schritt machen würden, aber es gehören viele Opfer dazu.“ Denn der Weg ins Ausland ist im Frauen-Handball komplex. „Zum einen machen es unsere Meisterschaft und die Ausbildung schwer, eine Spielerin ins Ausland zu bekommen“, so der Nationaltrainer. „Zum anderen ist es auch schwierig, mit Handball Geld zu verdienen. Der finanzielle Aspekt ist nicht so groß, dass man sagt, ich kann auf die Schule verzichten, nur um Profi zu sein. Wenn die Handballkarriere vorbei ist und man zurückkommt, wird es eng.“ Das große Geld lässt sich auch im Ausland nicht verdienen. In der ersten französischen Frauenliga liegt das Mediangehalt einer Spielerin beispielsweise bei rund 2.800 Euro im Monat, Prämien und Boni nicht eingerechnet.
Wie kompliziert der Schritt in den Profibereich ist, weiß auch FLH-Kapitänin Tina Welter. Sie ist diesen Weg selbst gegangen und spielte unter anderem von 2019 bis 2021 als Sportsoldatin in der deutschen Bundesliga für Frisch auf Göppingen. „Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es schwer ist“, sagt sie und meint damit nicht nur den finanziellen Aspekt. „Ich habe damals viele Tränen vergossen, Freunde verloren. Aber ich habe es gerne gemacht, es war mein Traum“, so die 31-Jährige. „Viele haben mir damals den Sprung nicht zugetraut. Ich war nicht von Anfang an die beste Außenspielerin. Aber ich habe dreimal am Tag trainiert. Talent, Können und Erfahrung kommen mit der Zeit. Es ist vor allem die Mentalität, die eine ganz große Rolle spielt, um den Sprung in den Profibereich zu schaffen“. Heute ist Welter Jugendtrainerin bei der FLH. Den unbedingten Willen, Profi zu werden, sieht sie selten. „Man muss bereit sein, das, was man hier hat, aufzugeben, um zwei-, dreimal am Tag zu trainieren und auf alles andere zu verzichten“, sagt sie. „Bisher sehe ich diese Mentalität vielleicht bei ein, zwei jungen Spielerinnen, bei den anderen eher nicht. Ich kann das verstehen. Ich versuche ihnen das mitzugeben, was ich erlebt habe, aber Millionärin bin ich damit auch nicht geworden.“
Noch ein weiter Weg
Für die Nationalmannschaft wäre es jedoch wichtig, zumindest einige Profis zu haben, um einen größeren Schritt nach vorne zu machen. Wie weit die Luxemburgerinnen noch von der internationalen Spitze entfernt sind, zeigte die Teilnahme an der Hauptrunde der EM-Qualifikation im vergangenen Jahr, in der sie unter anderem deutlich gegen Schweden und Island unterlegen waren. „Die Kampagne war trotzdem eine Supererfahrung. In Schweden vor 5.000 Zuschauern zu spielen, hat vielleicht bei der einen oder anderen Spielerin den Wunsch geweckt, jedes Wochenende auf diesem Niveau vor so vielen Leuten zu spielen“, sagt Scheuren. Es würde auch der FLH-Auswahl helfen. „Es ist ein großer Unterschied, ob man eine Nationalmannschaft mit Profis oder nur mit Amateuren hat“, sagt Welter. „Bis zur Professionalität ist es aber noch ein weiter Weg. Man darf auch nicht vergessen, dass wir ein kleines Land sind. Wir müssen Step by Step arbeiten.“
So werden auch am Wochenende gegen Bulgarien und Italien nur Amateurspielerinnen für die FLH-Auswahl auf dem Platz stehen. Das junge Team will trotzdem zeigen, dass es einen Schritt in seiner Entwicklung nach vorne gemacht hat.
Kader
Tor: Laure Flener (HSG Hunsrück/D), Ines Lopa (SMS Zaglebie Lubin/POL), Maëwa Huberty (HB Käerjeng)
Feldspielerinnen: Svenia Gambini, Dea Dautaj, Sharon Dickes, Joy Wirtz, Lara Steffen, Laura Willems, Kim Wirtz (alle HB Düdelingen), Tina Welter, Jenny Zuk (beide HB Käerjeng), Lola Scheuren, Tania Soberano, Rijalda Cilovic, Lily Melchior, Ajla Skenderovic (alle Red Boys), Sophie Elcheroth (CHEV Diekirch)
Programm
WM-Qualifikation, Phase 1, Gruppe 4:
Am Freitag:
18.00: Bulgarien – Italien
Am Samstag:
18.00: Luxemburg – Bulgarien
Am Sonntag:
18.30: Italien – Luxemburg
(alle Spiele finden im italienischen Chieti statt und werden live im HandballTV der FLH übertragen)
- Luxemburgs Handball-Frauen verpassen gegen Bulgarien ihren Befreiungsschlag deutlich - 27. Oktober 2024.
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- Eine Frage der Mentalität: Warum es in der Damen-Nationalmannschaft keine Profis gibt - 23. Oktober 2024.
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