Motorsport / Exklusivinterview mit dem Formel-2-Nachwuchspiloten Enzo Fittipaldi
In der Fittipaldi-Familie muss das Rennfahren wohl seit Generationen im Blut liegen. Genau wie die anderen Mitglieder der brasilianisch-amerikanischen Familie hat Enzo in ganz jungen Jahren bereits seine Racing-Karriere im Kartsport begonnen. Seit 2016 hat sich der 23-Jährige über die Formel Ginetta, Formel 4, Freca, Formel 3, IndyPro 2000 bis zur Formel 2 hochgearbeitet. 2021 stieg Enzo ganz unerwartet, zur Mitte der Saison, als Ersatz für David Beckmann in die Formel 2 auf. Beim Rennen in Jeddah wurde er in einen Startunfall verwickelt und zog sich eine Fußverletzung zu, die es ihm nicht mehr erlaubte, die Saison zu beenden. Nachdem die Wunden über den Winter verheilt waren, bestritt er mit Charouz Racing die ganze Formel-2-Saison 2022. Letztes Jahr gelangen ihm mit seinem neuen Formel-2-Team Rodin-Carlin sein erster Sieg in Spa-Francorchamps und vier weitere Podiumsplatzierungen. Als Mitglied des RedBull-Förderprogramms, und mit einem wiederum neuen Team, Van Amersfoort-Racing, hat Enzo dieses Jahr mit einem Sieg in Jeddah die Saison ganz gut begonnen. In den letzten sechs Monaten erlebte der junge Fittipaldi gleich zwei weitere Debüts in seiner jungen Karriere: In Sebring konnte er Anfang des Jahres ein IndyCar testen und im Mai in Berlin den Formel-E-TCS-Jaguar. Bei dieser Gelegenheit konnte sich das Tageblatt ausführlich mit ihm unterhalten.
Tageblatt: Sprechen wir zuerst über die Serie, die Sie aktuell bestreiten, die Formel 2. Vor gut zwei Jahren hatten Sie einen schweren Unfall. Sind diese Verletzungen jetzt komplett verheilt oder haben Sie noch Beeinträchtigungen?
Enzo Fittipaldi: Es war schon ein schwerer Unfall und mein Fuß war stark in Mitleidenschaft gezogen, doch der Heilungsprozess verlief ganz gut, sodass ich heute keine Beeinträchtigungen mehr habe.
Ihre bisherige Formel-2-Saison verlief ja nicht so schlecht, oder?
Ja, beim zweiten Rennen in Jeddah hatte ich einen sehr emotionalen Sieg, nachdem ich zwei meiner Konkurrenten mit einem gewagten Manöver überholen konnte. Der Sieg fand nur einige Tage nach dem Tod meines Onkels Wilson statt. Das war schon ergreifend, denn immerhin war er es, zusammen mit meinem Großvater Emerson, der das bis heute erste brasilianische Formel-1-Team vor knapp 50 Jahren an den Start brachte. Des Weiteren war der Sieg genau auf der Strecke, wo ich vor zwei Jahren meinen schweren Unfall hatte. Das Ziel dieses Jahr ist jetzt, -weitere Rennen zu gewinnen, damit ich ein Wörtchen mitreden kann, wenn es um den Titel des Formel-2 Champions geht.
Ihr Bruder Pietro fährt dieses Jahr die ganze Saison der IndyCars für RLL-Rahal/Letterman/Lenigan-Racing. Sie haben aber Ende letzten Jahres am selben Tag wie er das IndyCar von Dale Coyne Racing testen dürfen – richtig?
Ja, das stimmt. Es war schon ein Zufall, dass wir genau am selben Tag und auf der gleichen Strecke testeten. Es war eine witzige Erfahrung (O-Ton: „a funny experience“). Ein IndyCar fährt sich eigentlich sehr ähnlich wie ein Formel-2-Auto, das ich ja normalerweise fahre. Es wäre schön, irgendwann einmal die berühmten 500 Meilen von Indianapolis zu bestreiten und zu gewinnen!
… so wie es Ihrem Großvater ja zweimal gelungen ist!
Ja, ganz genau! (grinst)
Eine weitere neue Erfahrung für Sie kam jetzt im Mai in Berlin. Dort haben Sie den Jaguar Formel E getestet. Wie kam es eigentlich dazu und was waren Ihre Erfahrungen?
Jaguar hat erst sehr kurzfristig bei mir angefragt und natürlich habe ich zu keinem Moment gezögert. Diese einmalige Gelegenheit wollte ich auf keinen Fall verpassen, zumal mein Bruder Pietro vor einigen Jahren auch schon einen Test mit Jaguar absolviert hatte, der ihn sehr begeisterte. Ich hatte zwar vor ein paar Tagen einen kurzen Simulator-Test, doch ich bin hier in Berlin zum ersten Mal den Jaguar I-Type 6, und überhaupt ein Elektroauto, gefahren. Das war schon ganz anders im Vergleich zu allen anderen Rennwagen, die ich bisher pilotiert hatte. Hier muss man sich mit vielen komplexen Systemen vetraut machen. Mein Ziel war es, so viel wie möglich auszuprobieren und dem Team ein bestmögliches Feedback zu geben, denn jeder Testkilometer ist wichtig für das Team. Ich habe den Test wirklich genossen und ich glaube, sagen zu können, dass es insgesamt sehr positiv war, sowohl für mich als auch für das Team!
Können Sie sich vorstellen, in Zukunft eine Elektro-Motorsport-Serie zu bestreiten?
Man weiß nie, die Formel E ist sicherlich eine Option, da es ein interessantes Championat mit total verrückten Rennen und vielen Überholmanövern ist.
Nachdem Sie bereits Teil der Ferrari Academy waren, sind Sie jetzt einer der Piloten der RedBull Academy. Sagen Sie uns, worum es sich hierbei handelt und was Ihre Aufgabe ist.
Le Mans oder Daytona zusammen mit meinem Bruder Pietro – das wäre super
Auch dies ist für mich eine einmalige Chance. RedBull ist nicht nur im Motorsport ganz groß vertreten, sondern sie haben weltweit so viele große Athleten. Eine solche Marke zu repräsentieren ist für mich eine große Ehre und ich hoffe, dass wir auch in Zukunft zusammen erfolgreich sein können. Ich habe schon für RedBull in ihrem Junior-Simulator getestet, aber im Formel-1-Simulator war ich bislang noch nicht.
Sie sind in Ihrer ganzen Karriere immer nur Formel-Wagen gefahren. Ihr Bruder ist letztes Jahr für Jota in einem LMP2 in der WEC an den Start gegangen. Würde es Sie auch reizen, Langstreckenrennen in einem Auto mit Dach und zusammen mit Teamkollegen zu fahren?
Ja, das würde mich auch interessieren, denn ich würde auch irgendwann einmal gerne die großen Langstreckenrennen wie die 24h Le Mans oder die 24h Daytona gewinnen. Das sind Rennen, die ich als Kind immer sehr interessiert verfolgt habe und ich könnte mir schon vorstellen, diese Rennen zu bestreiten … vielleicht sogar zusammen mit meinem Bruder Pietro im gleichen Auto, das wäre super!
Wenn man einen so bekannten Familienname trägt wie Sie, ist es dann einfacher, im Motorsport voranzukommen, oder sind da sofort die Erwartungen höher als bei jedem anderen?
Es ist eine Ehre, den Namen Fittipaldi zu tragen und diesen Namen im Motorsport weiter hochzuhalten. Jeder Rennfahrer braucht Sponsoren, um Rennen fahren zu können. Mein Vater half mir und meinem Bruder von Anfang an sehr und der Name Fittipaldi war natürlich hilfreich am Anfang unserer Karrieren in Brasilien, um Sponsoren für uns zu gewinnen. Doch am Schluss gilt es immer, Resultate zu liefern.
Die Fittipaldis im Tageblatt
Der Name Fittipaldi dürfte den Tageblatt-Lesern ein Begriff sein, da sie bereits Exklusivinterviews mit Enzos Bruder Pietro (21.6.23) sowie seinem Großvater und Formel-1-Doppel-Weltmeister Emerson Fittipaldi (29.11.23) auf diesen Seiten lesen konnten.
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