FLH-Profi / Felix Werdel: „Handball war nie nur ein Hobby“
Felix Werdel steht seit letztem Sommer beim französischen Zweitligisten Sarrebourg Moselle Sud Handball unter Vertrag und spielt aktuell seine erste Saison als Profihandballer. Vor dem abschließenden EM-Qualifikationsspiel der Nationalmannschaft gegen Portugal am Sonntag (18.00 Uhr) blickt der 22-Jährige im Gespräch mit dem Tageblatt auf seine ersten Monate im Ausland zurück.
Tageblatt: Felix Werdel, Sie sind seit dieser Saison Profi in Frankreich. Wie gefällt Ihnen dieses Leben?
Felix Werdel: Am Anfang war es eine schwierige Zeit, auch um sich an die Sprache zu gewöhnen. Es ist nicht so, dass ich kein Französisch konnte, aber in der Schule hatte ich davor schon länger kein Französisch mehr. Die Trainer in Esch waren zudem immer eher deutsch angehaucht. Die Fachbegriffe aus dem Handball kannte ich deswegen besser auf Deutsch. Insgesamt habe ich mich aber sofort im Team wohlgefühlt. Die Mannschaft war sehr freundlich zu mir. Neben mir, stieß auch ein neuer Torhüter zum Team dazu – ein Kroate, der aus der Schweiz kam. Mit ihm konnte ich mich auf Deutsch unterhalten. Am Anfang habe ich deswegen mehr Zeit mit ihm verbracht. Nach und nach habe ich mich aber immer besser im Team integriert. Das war nicht so schwierig, denn als Profi lebt man quasi mit der Mannschaft zusammen. Man verbringt gemeinsam viel Zeit in der Halle und unternimmt auch viel zusammen. Es ging also sehr schnell. Insgesamt war es für mich aber ein großer Schritt. Ich habe meine Familie und Freunde zurückgelassen. Es ist nicht so, dass Sarrebourg unendlich weit von Luxemburg entfernt ist – man wohnt aber auf einmal alleine und man ist den ganzen Tag alleine. Ich musste mich erst an die Situation gewöhnen.
Die Entscheidung, es im Profibereich zu versuchen, war also im Nachhinein die richtige?
Klar. Ich denke, für jeden jungen Spieler ist es ein Traum, einmal Profi zu werden. In Luxemburg wird Handball eher als Hobby angesehen. Für mich war es aber nie nur ein Hobby. Es war schon immer das, was ich machen wollte. Als Sarrebourg mich dann anfragte, musste ich nicht allzu lange überlegen. Zwei, drei Tage – danach habe ich zugesagt. Einfach, weil es schon immer mein Traum war.
Steckbrief
Felix Werdel
Geboren am: 26. Oktober 2000
Position: Linksaußen
Vereine: HB Esch, Sarrebourg Moselle Sud Handball
Leistungsdaten in der Pro Ligue: 25 Spiele, 57 Tore (davon 3 7 m), 2,28 Tore/Spiel, Trefferquote von 79,17 Prozent (Quelle: www.lnh.fr)
Wie schwer ist Ihnen die Umstellung vom Amateur-Niveau auf die professionelle Ebene gefallen?
Am Anfang war ich sehr oft sehr müde. Als wir in die Vorbereitung gestartet sind, hatten wir dreimal täglich Training. Danach bin ich abends um 22 Uhr ins Bett gefallen und erst morgens um 8 Uhr wieder aufgestanden. (lacht) Es ist einfach jeder Spieler zu 100 Prozent auf den Handball fixiert – und das auf jedem Training. Das ist auch der große Unterschied zu Luxemburg. Dort arbeiten die Leute acht Stunden und sind abends gebrochen – müssen dann aber noch Kraft fürs Training aufbringen. Es ist schwierig, dann noch 100 Prozent zu geben. Ich will aber auch sagen, dass ich das verstehe. Denn in Sarrebourg beginnt unser letztes Training beispielsweise um 16.30 Uhr, in Esch haben wir montags manchmal erst um 20.30 Uhr trainiert.
Es ist jeder Spieler zu 100 Prozent auf den Handball fixiert – und das in jedem Training. Das ist auch der große Unterschied zu Luxemburg.über den Wechsel vom Amateur zum Profi
War es schwierig, sich an den Niveauunterschied anzupassen?
Es war am Anfang schon eine Umstellung, an die ich mich gewöhnen musste, und es hat auch zwei, drei Wochen gebraucht, bis ich mich adaptiert hatte. Ich hatte aber im Vorfeld ein paar Spiele von Sarrebourg gesehen und wusste ungefähr, was auf mich zukommt. Es ist alles viel schneller und das Spiel technisch und taktisch mehr ausgeprägt.
Wie sieht denn Ihr Alltag als Profi aus?
Es hängt viel davon ab, ob wir auswärts spielen oder zu Hause. In einer Woche, in der wir ein Heimspiel haben, haben wir von montags bis freitags zweimal täglich Training. Samstags gibt es ein kurzes „réveil musculaire“, um anzuschwitzen, ehe abends das Spiel folgt. Auswärts spielen wir immer schon freitags. Wenn die Partie in der näheren Umgebung ist, bleibt das Programm das Gleiche – wir trainieren dann aber nur bis donnerstags und fahren freitags mit dem Bus zum Spiel. Wenn die Distanz mehr als 500 Kilometer beträgt, reisen wir schon einen Tag früher an, trainieren noch einmal vor Ort und übernachten dort. Freitags vor dem Spiel gibt es dann auch noch einmal ein „réveil musculaire“.
Auswärtsspiele in 500 Kilometer Entfernung: Das klingt auch nach einer großen Umstellung im Vergleich zu Luxemburg …
(lacht) Ich kann mich noch sehr gut an meine erste Auswärtsreise erinnern. Es war gleich eine der weitesten der Saison. Wir waren zehn, elf Stunden unterwegs. Da habe ich mich schon gefragt: Was machst du jetzt elf Stunden lang im Bus? Man schläft, man isst etwas, man schaut einen Film – und dann ist man immer noch nicht am Ziel. Mittlerweile bin ich aber daran gewöhnt und weiß, wie ich die Fahrt durchplanen muss.
Wie zufrieden sind Sie denn insgesamt mit dem Verlauf Ihrer ersten Saison im Ausland?
Für mich persönlich ist die Saison sehr zufriedenstellend verlaufen. Der Trainer schenkt mir das Vertrauen und auch was meine Entwicklung betrifft, bin ich zufrieden – beispielsweise was mein Schussverhalten anbelangt. Wir stehen aktuell auf dem achten Tabellenplatz, was ziemlich gut für uns ist. Wir hätten theoretisch noch die Möglichkeit, den sechsten Platz zu erreichen – aber das ist schwierig und unwahrscheinlich.
Ihren Vertrag haben Sie vor kurzem um zwei Jahre verlängert. Gab es auch noch andere Optionen?
Ich habe mich aus zwei Gründen dafür entschieden, in Sarrebourg zu bleiben. Erstens ist es nicht allzu weit von Luxemburg entfernt – es ist für mich wichtig, dass ich meine Eltern und Freunde noch manchmal sehe. Zweitens, und das ist ein sehr wichtiger Punkt, ich fühle mich in der Mannschaft sehr wohl und habe mich sehr gut integriert. Ich habe mit dem Vorstand gesprochen und das Projekt des Klubs gefällt mir. Das alles hat dazu geführt, dass ich gesagt habe, dass ich weitermache.
Wie groß ist der Wunsch, auch einmal eine Etage höher in der ersten Liga zu spielen?
Das ist immer noch ein kleiner Traum von mir. Ich muss mich dafür aber noch ein bisschen gedulden. Ich spiele jetzt meine erste Saison im Ausland. Ich denke aber, wenn ich auf dem Niveau, auf dem ich mich im Moment befinde, weiterspiele, müsste das irgendwie klappen.
Sie sind der einzige Nationalspieler, der in Frankreich aktiv ist. Alle anderen, die ins Ausland wollen, versuchen es in Deutschland, vorwiegend in der dritten Liga, wo sie Studien und Handball verbinden. Warum haben Sie sich für Frankreich entschieden?
In Deutschland gibt es sicherlich genauso viele Spieler, die technisch begabt sind, wie in Frankreich – ich denke aber, dass das französische, taktische Spiel besser zu mir passt. In Deutschland wird körperlicher gespielt. Zudem schätze ich das Spiel der französischen Außenspieler sehr.
Sie stehen als einziger Nationalspieler in einer Profiliga unter Vertrag. Wie sehen Sie dadurch Ihre Rolle im Team?
Ich sehe meine Rolle nicht anders als davor. Ich versuche die Dinge, die ich gelernt habe – wie die Mentalität im Training –, mit zur Nationalmannschaft zu bringen. Auch weil ich gesehen habe, wie wichtig das ist. Es gibt keinen Schalter, den man samstags umlegen kann, um auf einmal im Match auf 100 Prozent zu spielen. Mann muss dafür in der Woche in jedem Training voll fokussiert sein. Bei der Nationalmannschaft finde ich persönlich, dass wir am Mittwoch gegen Nordmazedonien ein sehr gutes Spiel gemacht haben. Das kommt auch von den Trainingseinheiten, die wir vor dem Match hatten. Die waren auf einem sehr hohen Niveau. Ich denke, Maik (Handschke) hat uns da mit den jungen Spielern auch geholfen. Die waren zu 100 Prozent engagiert und haben dafür gesorgt, dass das Training noch schneller wird. Das hat auch dem Niveau gutgetan.
Zum Abschluss der EM-Qualifikation treffen Sie nun am Sonntag auf Portugal. Was hat sich das Team für die Partie vorgenommen?
Ich denke, es wird sehr schwer. Wenn wir noch einmal auf dem Niveau wie gegen Nordmazedonien spielen, wäre das gut. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass Portugal vor drei Tagen gegen die Türkei kein gutes Spiel gemacht hat (knapper 37:35-Sieg; Anm. d. Red.) und dass sie zu Hause, vor ihrem eigenen Publikum, noch einmal etwas zeigen wollen. Dieser Sache müssen wir uns auf mentaler Ebene bewusst sein.
Im Überblick
Gruppe 1, 6. Spieltag, am Sonntag:
18.00: Nordmazedonien – Türkei
18.00: Portugal – Luxemburg
Die Tabelle:
1. Portugal 5 Spiele/10 Punkte
2. Nordmazedonien 5/6
3. Türkei 5/4
4. Luxemburg 5/0
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