Doping / Frau der ersten Stunde: Anik Sax hat sich aus der Dopingbekämpfung zurückgezogen
Der Rücktritt von Anik Sax bedeutet für die luxemburgische Anti-Doping-Agentur eine Zäsur. Mit der Ärztin hat sich eine international renommierte Expertin und Pionierin aus der Dopingbekämpfung verabschiedet.
Es war ein leiser Abschied, der eine Zäsur im Kampf gegen Doping in Luxemburg bedeutet. Anik Sax hat sich Ende September aus der Anti-Doping-Agentur ALAD zurückgezogen. „Es war für mich nun der richtige Zeitpunkt gekommen“, sagt die Ärztin. Sie hat die Agentur mit aufgebaut und war bereits vor ihrer Gründung 2005 in der Dopingbekämpfung aktiv. Diskretion und Neutralität hatten bei ihrem Einsatz für sauberen Sport immer oberste Priorität. Für die Allgemeinmedizinerin mit Spezialisierung in Sportmedizin war immer klar, dass sie keine Leistungssportler betreuen könnte. „Das wäre mit meinem Engagement bei der Alad nicht kompatibel gewesen“, so die gebürtige Escherin, die viele Jahre im Sportministerium unter anderem für den „Médico“-Dienst verantwortlich war. Der Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), Olivier Niggli, hatte Anik Sax 2016 im Tageblatt als „leidenschaftliche Kämpferin und hervorragende Botschafterin für den sauberen Sport“ beschrieben.
Anik legte immer großen Wert auf Integritätehemaliger WADA-Generaldirektor
Sax hat 1999 für das Sportministerium an der ersten Welt-Anti-Doping-Konferenz teilgenommen, wo die Gründung der WADA beschlossen wurde. Wenige Minuten bevor der damalige Sportkommissar Georges Lanners seine Rede halten sollte, war Sax mit dem Manuskript in der Handtasche nicht im Saal. Bei der luxemburgischen Delegation brach schon Panik aus. „Georges begann damit, sich schnell ein paar Notizen aufzuschreiben, doch ich war dann doch noch rechtzeitig zurück“, erzählt Sax, die heute noch über die Episode schmunzeln muss.
„Anik legte immer großen Wert auf Integrität“, bestätigt David Howman gegenüber dem Tageblatt. Der Vorgänger von Niggli als Generaldirektor der WADA war überrascht, als Sax ihn über ihren Rücktritt informierte. Der Neuseeländer kam im Jahr 2003 zur WADA und leitete die Agentur 13 Jahre lang.
Frau der ersten Stunde
Ihr Engagement bei ihrem Heimatverein, der Fola, für die ihr Vater Georges bereits als Stabhochspringer aktiv war und wo ihre eigenen Kinder noch Leichtathletik trieben, musste dem Kampf gegen Doping weichen. „Das war in meinen Augen einfach nicht kompatibel. Für mich war immer klar, dass die Arbeit bei der ALAD absolute Neutralität verlangte, und das habe ich versucht zu berücksichtigen. Das geht aber nur mit dem nötigen Verständnis der Familie“, sagt Sax.
Sie ist eine Frau der ersten Stunde und leistete Pionierarbeit in der internationalen Dopingbekämpfung. Als 1999 beschlossen wurde, einen Anti-Doping-Code aufzustellen, arbeitete Sax mit. „Ich habe den Entwurf noch auf meinem Computer.“ Mittlerweile besteht der Anti-Doping-Code aus 181 Seiten – wenn Sax den mit ihrem damaligen Entwurf vergleicht, muss sie lachen. „Wir hatten ja keine Ahnung, wie so ein Code aussehen sollte.“
2004 übernahm sie die Leitung einer Expertengruppe für die WADA. Sie stand dem „Therapeutic Use Exemption Committee“ vor, war also zuständig für die medizinischen Ausnahmegenehmigungen. So wurde Sax zu einer wichtigen Beraterin für den damaligen Generaldirektor. „Anik hat ein enormes Fachwissen. Ihre Meinung war mir immer sehr wichtig“, sagt Howman heute. Über die Jahre sei eine richtige Freundschaft entstanden.
Vor allem, weil sie die politischen Feinheiten und Spitzfindigkeiten sehr gut kannteehemaliger Sportminister
Der Neuseeländer schätzt Sax aber nicht nur wegen ihrer medizinischen Fachkenntnisse. Sie sei immer sehr bescheiden gewesen und habe nie im Scheinwerferlicht stehen wollen. „Eine sehr wichtige Tugend in der Dopingbekämpfung“, so Howman. „Außerdem hat Anik sehr großes politisches Talent.“ Eine Aussage, der sowohl Niggli wie der ehemalige Sportminister Romain Schneider zustimmen. Er war eine Zeit lang einer der europäischen Vertreter im Stiftungsrat der WADA und konnte von Sax’ Expertise profitieren. „Sie hat einen immer sehr gut auf die Sitzungen vorbereitet. Vor allem, weil sie die politischen Feinheiten und Spitzfindigkeiten sehr gut kannte“, erinnert sich Schneider.
Gutes Gespür für Menschen
Für die WADA übernahm Sax viele Missionen als unabhängige Beobachterin auf Großveranstaltungen. Bei diesen Missionen arbeiten Experten aus unterschiedlichen Ländern zusammen. „Wir sagen zwar immer, dass wir alle gleich sind, aber dem ist nicht so“, sagt Howman. „Wir sprechen verschiedene Sprachen, kommen aus unterschiedlichen Kulturen und haben ganz andere gesellschaftliche Hintergründe.“ Das mache eine Zusammenarbeit nicht immer ganz einfach. Bei den Olympischen Spielen 2004 war es Howman zufolge das Verdienst von Anik Sax, dass die Expertengruppe ihre Mission gut erledigte. „Anik hat ein gutes Gespür für Menschen. Sie hat aus den einzelnen Mitgliedern ein Team geformt“, erinnert sich Howman.
Für Sax waren diese WADA-Missionen ein Highlight. Wobei die Arbeit nicht immer ganz einfach war. Die Anti-Doping-Experten waren noch lange nicht überall willkommen. Man könnte sogar von Einschüchterungsversuchen sprechen. „Bei der Tour de France 2003 hat man uns das sehr deutlich zu spüren gegeben. Das war alles andere als angenehm“, erinnert sich Sax. Zudem wurde der Abschlussbericht der unabhängigen Experten in der Sportzeitung L’Equipe noch vor der offiziellen Veröffentlichung geleakt. „Ich weiß bis heute nicht, wer das war“, sagt sie und würde es auch 20 Jahre später gerne in Erfahrung bringen.
Ein jahrelanges internationales Engagement geht mit Höhen und Tiefen einher. Einen Tiefpunkt für Sax gab es 2015, als sie ihr Mandat in der „Commission médicale et antidopage“ des internationalen Leichtathletikverbandes niederlegte. Der Verband war in Zusammenhang mit dem russischen Staatsdoping massiv in die Kritik geraten. Es ging um Bestechung und vertuschte positive Dopingproben. „Als es erste Anzeichen gab, habe ich sofort die Reißleine gezogen.“ Sie habe sich weiterhin noch im Spiegel betrachten wollen, sagte Sax in einem Gespräch mit dem Tageblatt im Jahr 2016. Die Reißleine hatte sie im Jahr davor gezogen, eine Antwort auf ihr Rücktrittsschreiben hat sie damals nicht erhalten. Es war eine Episode, die Sax zusetzte. Mit dem verantwortlichen Mediziner bei der IAAF, Gabriel Dollé, arbeitete sie seit 1999 zusammen. „Er war ein guter Bekannter und wir haben lange zusammengearbeitet. Dass man sich so in einer Person täuschen kann, das ist schon eine große Enttäuschung gewesen.“
Warten am Frühstücksbuffet
2012 beendete Sax ihr Engagement bei der WADA. „Dieses Mandat wurde einfach zu zeitintensiv“, begründete sie ihre Entscheidung damals. Eigentlich wollte sie 2012 sogar ihr Mandat bei der ALAD niederlegen. Sie verließ damals das Sportministerium, um wieder als Allgemeinmedizinerin zu praktizieren, was sie auch heute noch tut. Letztendlich leitete sie die ALAD auf Basis eines Expertenvertrages weiter und bekam es gleich mit dem wohl größten Dopingfall in der Luxemburger Geschichte zu tun. Frank Schleck wurde bei der Tour 2012 positiv getestet und wurde anschließend ein Jahr gesperrt. „Das war eine stressige Zeit“, blickt Sax zurück.
Die ALAD stand im Fokus der Medien, und damit Anik Sax. Eine ungewohnte Rolle für die Ärztin. „Ich habe sehr gut verstanden, dass die Journalisten viele Fragen hatten und Kritik äußerten. Aber wir konnten halt nicht immer alle Details nennen.“ Kritik an der Funktionsweise der ALAD oder im Umgang mit Dopingfällen gab es immer mal wieder vom Tageblatt. „Journalisten sind da ganz in ihrer Rolle und für mich gehört das eben dazu. Solange Kritik argumentiert werden kann und sich die Medien mit dem Thema auseinandersetzen, kann ich sehr gut damit leben.“
Sie war unglaublich gut vernetztALAD-Präsident
Ende September 2023 war für Sax dann endgültig Schluss. Für die ALAD bedeutet der Abschied von Sax eine komplette Neuaufstellung, die der neue Direktor Loïc Hoscheit verantworten muss. Guy Colas, Präsident des Verwaltungsrates, ist sich bewusst, dass eine neue Ära beginnt. „Anik hat die ALAD über Jahre geprägt. Natürlich können wir sie nicht eins zu eins ersetzen. So eine Zäsur kann aber auch immer eine Chance sein, sich für die Zukunft neu aufzustellen.“ Für Colas ist vor allem eine Eigenschaft von Sax nur schwer zu ersetzen: „Sie war unglaublich gut vernetzt. Wenn wir für eine WADA-Tagung nach Lausanne fuhren, benötigten wir 20 Minuten nur, um unseren Platz am Frühstückstisch einzunehmen, weil Anik auf dem Weg dorthin von so vielen Kollegen aus dem Ausland angesprochen wurde.“ Ihre Kontakte hätten der ALAD als kleine Agentur mehr als eine Tür geöffnet. Darum muss sich nun eine neue Mannschaft kümmern.
Sax kann nun endlich ohne schlechtes Gewissen in ihrem Heimatverein eine Hand mit anpacken oder den Sport einfach unbeschwert als Zuschauerin genießen. Immerhin war es diese Liebe für den Sport, die ihren Karriereweg maßgeblich beeinflusst hat.
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Géint den Doping ass kee Kraut gewuess, d’ALAD ass ëmmer optmanst ee Schrëtt hannendrun.
@aalen Athlet,
genau. Verbidden ass kee Rezept.Leit gin kriminaliséiert an déi net mattmachen laafen hannendrunn.Den Don Quijote hat och keng Chance géint d’Wandmillen. D’Anik huet dat agesinn.
Warde mir also dropp, datt eis Tour-Superassen Vinegaard & Co opfléien.
Awer et kann ee jo och net déi éischt 20 Fuerer aus dem Tour huelen.Da kuckt jo kee méi no.