BGL Ligue / Die neue Petinger Präsidentin Barbara Agostino: „Es reicht als Frau nicht, zu lamentieren“
Barbara Agostino hat ein ereignisreiches Wochenende hinter sich, als sie am Montagmorgen Fragen zu Sport und Politik beantwortet. Nach einem langen Wahlkampf steht jetzt der Fußball im Fokus: Warum die Union Titus Petingen wie ein Betrieb geführt werden muss, wann das erste Frauenteam bereit sein soll und in welche Bereiche investiert werden muss – das erste Gespräch mit der neuen Vereinspräsidentin.
Tageblatt: Am Donnerstagabend wurden Sie an die Spitze des BGL-Ligisten Union Titus Petingen gewählt, zwei Tage später haben Sie bei den Nationalwahlen 11.806 Stimmen (3.040 mehr als 2018) für die DP geholt. Wie kann man so ein Wochenende beschreiben?
Barbara Agostino: Emotional, unerwartet und mit viel Freude verbunden. Ich wurde als eine der einzigen Selbstständigen der Chamber bestätigt. Ich bin glücklich, dass die Leute gesehen haben, dass auch jemand, der nicht unbedingt Staatsbeamter oder Anwalt ist, gewählt werden kann. Es ist mir zudem eine Ehre, nach Karine Reuter die zweite Frau an der Spitze eines BGL-Ligue-Vereins zu sein.
Wie stellen Sie sich die eigene politische Zukunft vor?
Es haben mir 31 Stimmen gefehlt, um direkt gewählt zu werden. Jetzt müssen die Koalitionsgespräche geführt werden. Mein größter Vorteil ist, dass ich einen Beruf habe (Foraine). Ich bereite mich derzeit auf den anstehenden Wintermarkt vor. Wenn es eine schwarz-rote Koalition geben sollte, stellt sich die Frage nicht. Käme es zu Schwarz-Blau, müssten wir sehen, was die Partei entscheidet. Ich bleibe meiner Linie treu: Ich werde mich nie von der Politik abhängig machen. Die Ambition war, erstgewählte Frau der DP zu werden. Das habe ich erreicht und 3.000 Stimmen hinzugewonnen. Es hat leider nicht für den Direkteinzug gereicht. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Im Fußball braucht man ebenfalls eine gute Bank – ich bin jetzt die Erste in der Reserve.
Wieso brummt man sich eigentlich noch zusätzliche Arbeit in einem Fußballverein auf?
Genau diese Frage hat man mir auch am Freitag in der Kabine gestellt. Am Donnerstagabend wurde ich gewählt, einen Tag später habe ich die Mannschaft beim Training besucht. Ein Spieler hat mich gefragt, was einen bewegt, einen Präsidentenposten anzunehmen. Es ist eine Aufgabe, die viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich habe den Spielern erklärt, dass es sich bei der Sponsorensuche um einen Marathon handelt – um ihnen die bestmöglichen Bedingungen zu verschaffen, sei es Material, Entschädigungen oder die nötige Infrastruktur. Es ist ein Teufelskreis: Je besser sie abschneiden, desto interessanter wird der Verein für Sponsoren.
Für mich war es neu und es hat mich unheimlich erstaunt, was inzwischen in der BGL Ligue Standard ist. Vor zwei Wochen, bei den ersten Gesprächen mit dem Verein, habe ich erfahren, dass die Spieler nicht nur alle Verträge besitzen, sondern auch von Managern beraten werden. Ich meinte nur: ‚Beruhigen Sie mich, sie können doch alle lesen und schreiben …‘ Die Agenten überbieten sich teils. Das hat mich schockiert. Hinzu kommt, dass mir nicht bewusst war, wie selbstverständlich es geworden ist, sich einzig auf den Fußball zu konzentrieren, ohne einer geregelten Arbeit nachzugehen. Bei dem Niveau in Luxemburg war es aus meiner Sicht erstaunlich, von so vielen Profispielern zu schreiben. Zu meiner Zeit gab es als Frau nach einem Sieg eine Wurst und ein Bier, bei einer Niederlage gar nichts.
Es reicht als Frau nicht, zu lamentieren und sich darüber zu beschweren, dass man nie einen Posten mit Verantwortung bekommen könne – als CEO, im Sport oder als Präsidentin. Ich habe mir gesagt, wenn ich diese Idee mittrage und ich die Gelegenheit bekomme, muss ich es tun. Als ehemalige Fußballspielerin ist es ein „retour aux sources“, zweitens handelt es sich um einen BGL-Ligue-Verein und drittens lebe ich in dieser Gemeinde. Wir können neu beginnen. Für mich steht es 0:0. Ich kenne die Spieler nicht.
Zum Sport. Was wollen Sie als neue Präsidentin der UT Petingen bewegen?
Wichtig ist mir, ein Frauenteam auf die Beine zu stellen. Eine Entente mit Rodange wäre denkbar. Zudem muss weiter in die Jugend investiert werden. Wir haben großen Zuwachs bei den Nachwuchsspielern. Das liegt daran, dass die Gemeinde enorm gewachsen ist. Leider fehlt es deshalb an Fußballplätzen. Zudem wollen wir uns für den Europapokal qualifizieren. Dafür muss man entweder in den Top drei abschließen oder eine gute Pokalsaison spielen.
Was bereitet Ihnen Sorgen?
Der Platzmangel. Wer massiv in eine Frauenmannschaft investieren will, muss sich gleichzeitig um Umkleidekabinen und Trainingsmöglichkeiten kümmern. Die Gemeinde ist schnell gewachsen, doch die Infrastruktur nicht. Für mich ist das ein Problem. Sport muss für jedes Kind, jeden Jugendlichen, jeden Erwachsenen, jede Frau zugänglich sein. Im Moment genießt in jedem Verein die Seniorsmannschaft der Herren absolute Priorität. Wenn eine Frau in einem Verein ankommt, hat sie vielleicht andere Visionen. Ich möchte sowohl den Nachwuchs als auch die Damen unter dieses Dach bekommen.
Zudem habe ich jetzt auch gesehen, wie viel Geld eine BGL-Ligue-Mannschaft eigentlich kostet. Man muss ehrlich und transparent sein: Das Ganze wurde in den vergangenen Jahren durch „promoteurs“ und den Bau-Sektor finanziert. Wenn aber kein Geld mehr da ist, interessiert das Sponsoring die großen Firmen recht wenig. Ich kann das verstehen. Gegenüber stehen Spieler, die sich an gewisse Standards gewöhnt haben und denen man dann erklären muss, dass sie monatlich 500 Euro weniger bekommen … Das ist nicht nur in Petingen der Fall. Allerdings stellt sich die Frage: War es das wert? Welches Bild haben wir da vermittelt?
Was braucht es, um einen BGL-Ligue-Verein zu leiten?
Unser technischer und administrativer Stab besteht aus 30 Personen. Wir haben zwei verschiedene Konten, worüber ich sehr glücklich bin. Es wird nichts vermischt. Wir haben ein Konto für die Seniors und ein anderes für die Jugend. Das ist nicht überall der Fall. Beim Verband habe ich beispielsweise nie erfahren, was von der UEFA oder FIFA eingenommen worden ist, da alles auf ein Konto geflossen ist. Als ich Kapitänin der Nationalmannschaft war, wollte ich wissen, wie viel die FLF für die Frauen-Elf bekommen hat. Es gab nie eine Antwort. Es ist daher auch meine nächste parlamentarische Frage, denn ich will wissen, was hereinkommt und wie das Geld verteilt wird.
Welche Vorstellungen haben Sie vom Präsidentenamt? Wie wollen Sie sich in den Alltag einbinden?
Ich will so nah an der ersten Mannschaft sein, wie es geht. Ich pflege gute Kontakte zum Sportdirektor Laurent Libert. Zudem wohne ich ganz nah am Spielfeld und werde mindestens zweimal pro Woche beim Training anwesend sein und mit dem Trainer über die Aufstellung sprechen. Nach jedem Spiel wird es ein Debriefing geben. Es muss gemeinsam entschieden werden, wie es mit den Kaderplanungen weitergeht und welche Spieler uns verlassen müssen. Das Problem ist der Kostenpunkt. Einen Fußballklub muss man wie einen Betrieb führen. Ich denke, das ist auch der Grund, warum die Wahl auf mich fiel. Sozialarbeit kann man bei den Jugendlichen betreiben, aber nicht bei erwachsenen Männern, die eine Entschädigung kassieren. Jetzt geht es darum, ihnen zu sagen: Man spielt oder man muss gehen.
Sportlich gesehen hat das Team von Yannick Kakoko am Wochenende beim 4:0 gegen Monnerich überzeugt. Wo sehen Sie den Klub am Ende der Saison?
Unter den ersten vier. Damit wäre das Saisonziel erreicht. Und im Pokal wollen wir ein Wörtchen mitreden.
Welche Rolle soll die UTP in Zukunft im nationalen Fußball spielen?
Ein fester Bestandteil der BGL Ligue zu sein. Wir sind seit sechs Jahren in der Nationaldivision. Das Ziel ist, dass es so bleibt und wir unseren Nachwuchs stärken können. Ein Abstieg ist katastrophal für einen Verein. Es geht um unheimlich viel Geld. In Zeiten, in denen es immer schwerer wird, Sponsoren zu finden, liegt es an der ersten Mannschaft, den Verein zu tragen.
Als Gründerin einer Kindertagesstätten-Gruppe dürfte Ihnen die Nachwuchsarbeit besonders am Herzen liegen. Sehen Sie Fußballvereine auch als eine Art „Crèche“ für Kinder an?
Das Gefühl habe ich nicht. Wer am Samstagnachmittag ins Stadion kommt, der spürt den Zusammenhalt. Ich würde es eher als einen großen Schulhof beschreiben, auf dem sich jeder zurückfindet. Trainer, junge und ältere Spieler – jeder ist willkommen und soll sich hier begegnen können.
Sie waren die erste Kapitänin der FLF-Mannschaft im Jahr 2005. Wann wird die erste Petinger Frauenelf auflaufen?
Mit viel gutem Willen in der kommenden Saison. Die Gespräche sollen ab nächster Woche beginnen. Das erste Dossier, das ich angehen werde, ist das Sponsoring – mit dem Klopfen an Türen inklusive. Die Priorität jedes Vereins ist die erste Mannschaft. Sie muss in der BGL Ligue spielen, um attraktiv zu sein und um ein Grund für die Gemeinde zu sein, in die Einrichtungen zu investieren. Es hängt also alles zusammen.
Steckbrief
Barbara Agostino
Geboren am 6. Juli 1982 in Esch
Beruf: Foraine
Fußball: Erste Kapitänin der Nationalmannschaft beim offiziellen Debüt 2005. Begann ihre Karriere beim Progrès Niederkorn, wechselte danach zur Escher Fola. Seit dem 5. Oktober 2023 Präsidentin der UT Petingen.
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