Gegenpressing – Die EM-Kolumne / Hol die Steinschleuder, David!
Die Dänen können sich voll auf die Unterstützung ihrer Landsleute verlassen
Zugegeben, es macht doch den Charme eines Turniers oder eines Pokals aus, wenn die vermeintlich „Kleinen“ die „Großen“ ärgern. Es scheint dann vor allem auch menschlich zu sein, dem Außenseiter im Kampf „David gegen Goliath“ die Daumen zu drücken – vor allem, wenn das eigene Land nicht dabei ist, oder schon die Heimreise angetreten hat.
2016 waren es die Isländer, die die Fußballwelt bei der EM begeisterten. Im Achtelfinale schalteten sie die Engländer aus, im Viertelfinale zog man gegen die Franzosen doch relativ deutlich mit 2:5 den Kürzeren. Doch es gibt auch „Underdogs“, die noch erfolgreicher waren. Stichwort: Danish Dynamite. Eigentlich wollte der dänische Nationaltrainer Richard Møller Nielsen im Juni 1992 seine Küche renovieren. Seine Pläne änderten sich jedoch schlagartig, als die UEFA bekannt gab, dass das jugoslawische Team wegen des dort herrschenden Bürgerkriegs von der Europameisterschaft ausgeschlossen wird. Dänemark rückte als Zweitplatzierter nach.
Erst rang man den Engländern in der Gruppenphase sensationell ein 0:0 ab, dann war man nach einer 0:1-Niederlage gegen Schweden schon so gut wie ausgeschieden. Durch einen wiederum sehr überraschenden 2:1-Sieg über Frankreich kam das Team dennoch in die K.o.-Phase. Der Rest der EM 1992 war dann Fußball-Geschichte. Doch diese Geschichte scheint Parallelen zu 2021 zu haben – denn auch diese Gruppenphase war für die Dänen eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Erst ein 0:1 gegen Finnland, ein 1:2 gegen Belgien – und am Ende reichte ein einziger 4:1-Sieg gegen Russland für die K.o.-Runde. Eine weitere Parallele: 92’ gewann Dänemark vor allem durch den überragenden Torhüter Peter Schmeichel das Turnier – und auch in diesem Jahr ist der Schlussmann der Dänen ein Schmeichel. Kasper, der Sohn von Peter.
Wenn man an Außenseiter-Siege bei der EM denkt, kommt man aber zwangsläufig auch nicht an Griechenland vorbei. Der Deutsche Otto Rehhagel, Trainer der Griechen bei der EM 2004, gilt als Begründer des Erfolgs. „Die Griechen haben die Demokratie erfunden. Ich habe eine demokratische Diktatur eingeführt“, sagte er, oder: „Früher hat jeder gemacht, was er will. Jetzt macht jeder, was er kann.“
Und in diesem Jahr? Mit der Schweiz, Tschechien, Dänemark und Ukraine sind gleich vier Mannschaften im Viertelfinale, die vielleicht doch eher etwas überraschend dort stehen. Fußballzwerge sind diese Nationen jedoch keineswegs – doch am Ende müssen sie sich als David gegen die Goliaths aus Spanien, Belgien, Italien und England durchsetzen.
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