/ Über dem Betriebsfußball in Luxemburg hängt das Damoklesschwert
Der Betriebsfußball hat bereits weitaus bessere Zeiten erlebt, denn die Zahlen sind seit Jahren rückläufig. Am 30. Juni 2018 zählte die FCL („Football corporatif luxembourgeois“) nur noch 1.326 Lizenzen und 24 aktive Vereine, die in der Meisterschaft in drei verschiedene Divisionen aufgeteilt sind. Das Tageblatt beleuchtete gemeinsam mit Präsident Robert Heinisch und Kassierer Julien Vinciotti die Geschichte des Betriebsfußballs.
Von unserem Korrespondenten Lex Bruch
Bereits 1953 bekundeten einige bestehende Klubs ihren Wunsch nach einer nationalen Vereinigung. Anfangs traf man sich zu Freundschaftsspielen, doch das Interesse wuchs zusehends. Eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der FLF und Vertretern einzelner Betriebsvereine wurde gebildet, um die Basis eines Reglements zu basteln. Immer mehr Berufskollegen – Arbeiter und Beamte – aus den unterschiedlichsten Betrieben und Regionen des Landes, hauptsächlich aber aus den Ballungsgebieten Esch und Luxemburg, wollten miteinander oder vielmehr gegeneinander Fußball spielen.
Dies geschah zunächst auf freier Basis ohne jegliche Schirmherrschaft oder ein festes Programm. Die Begegnungen wurden auf den Spielfeldern der FLF-Vereine ausgetragen, doch dies war laut FLF-Satzung formell untersagt. Die Rede war von „wëllem Fußball“ – die FLF-Vereine sahen sich benachteiligt und reagierten, indem sie Einspruch erhoben. Da ohne offizielle Lizenz gespielt wurde, haftete zudem keine Versicherung bei Verletzungen oder etwaigem Arbeitslohnausfall.
Dies brachte schließlich die betroffenen Arbeitgeber auf den Plan, die sich in die Verhandlungen einmischten. Die Idee wurde geboren, eine von allen Seiten anerkannte Vereinigung zu gründen. Die Möglichkeiten, die der Staat, die Gemeinden, die Arbeitgeber, die „Caisse de secours mutuels des sportifs“ sowie der nationale Fußballdachverband FLF boten, wurden genutzt und ausgeschöpft.
Schwergeburt 1961
Nach zähen, langatmigen Besprechungen und unzähligen Sitzungen war es 1961 endlich so weit: Der Verband des luxemburgischen Betriebsfußballs wurde am 24. April 1961 ins Leben gerufen. Es war ein langer und mühsamer Weg, bis man dann auch Mitglied der FLF wurde. René van den Bulcke (Sportskommissar), René Bludeau (FLF) und André Flesch (FCL) setzten ihre Unterschrift unter das offizielle Abkommen, womit der Betriebsfußball von sämtlichen Sportsorganen anerkannt und Teil der FLF wurde – und zwar als völlig unabhängiges Gremium.
Eines der Hauptziele des Betriebsfußballs besteht darin, die Liebhaber oder Anhänger des runden Leders aller sozialen Bevölkerungsschichten anzuregen, ihrem Hobby unter dem Namen ihres Arbeitgebers bzw. ihrer Firma nachzugehen. Zudem will man hiermit Leute verschiedener Berufe und Nationalitäten aus den Betrieben auf den Fußballplätzen vereinen.
Die Boom-Jahre
Im Anschluss an ihre Gründung zählte die FCL auf Anhieb 25 Vereine mit 514 Lizenzierten. Mit der Coupe mixte, deren Austragung 1983 eingestellt wurde, startete die FCL 1961 den ersten offiziellen Wettbewerb. 1965 wurde erstmals eine offizielle Meisterschaft ausgetragen. Die Mannschaft Voirie Eaux trug sich als erster Titelträger in die Annalen der FCL-Historie ein und feierte den Meistertitel sogar dreimal in Folge. Mit der Coupe FCL – auch Coupe Pur genannt – wurde 1968 ein weiterer Wettbewerb ins Leben gerufen, erster Pokalsieger wurde CFL Petingen. Weitere Vereine sprossen ab 1970 regelrecht wie Pilze aus dem Boden und man verzeichnete die bisherige Rekordzahl von 90 verschiedenen Klubs. Der Betriebsfußball erfreute sich einer stets wachsenden Beliebtheit.
Anschließend ging es jedoch in die entgegengesetzte Richtung und die Ursachen diesbezüglich waren vielfältig. Einerseits hatte die Wirtschaftskrise im Stahlsektor die Bevölkerung und die Betriebe fast in ihrer Gesamtheit erschüttert. Durch die entstandene und steigende Arbeitslosigkeit sowie die Abschaffung der „Coupe mixte“ nahm das Interesse ab und auch die Zahl der Vereine war zusehends rückläufig. Am 5. Dezember 1981 hatte sich die Vereinszahl auf 88 mit 3.455 Lizenzierten verkleinert und zum 30. Wiegenfest zehn Jahre später war die Zahl der Vereine auf 69 mit 2.762 Lizenzierten gesunken. Obgleich die Krise zwar allmählich bewältigt war, litt der Betriebsfußball mit zunehmender Zeit auch unter der allgemeinen Veränderung unserer Gesellschaft.
„Die Zahl der Betriebsmannschaften schrumpfte von Jahr zu Jahr. Nicht wenige Vereine wurden komplett aufgelöst und nur vereinzelte kamen hinzu. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter wurden leider immer weniger“, bemerkt Robert Heinisch, der nun bereits seit 38 Jahren – davon 15 als Präsident – im Vorstand ist. „Es fehlt an allen Ecken und Enden an freiwilligen Helfern.“
Weniger „dritte Halbzeit“
Von wesentlicher Bedeutung war natürlich auch, dass die Meisterschaftsspiele, die bis 2015 samstagnachmittags ausgetragen wurden, auf mittwochabends oder – je nach Vereinbarung der Vereine sowie nach Verfügbarkeit der Spielfelder – auf einen beliebigen Wochentag verlegt wurden. Grund für diese Maßnahme war und bleibt auch heute noch der akute Schiedsrichtermangel.
Die FCL-Vereine waschen ihre Hände dabei beileibe nicht in Unschuld. Trotz regelmäßigem Aufruf des Verbandes stellen lediglich sechs von 24 Vereinen einen Schiedsrichter zur Verfügung. „Die Ansetzung des Spielbetriebs unter der Woche hat sich durchwegs negativ ausgewirkt. Einst hatte die ominöse ‚dritte Halbzeit‘ ihren besonderen Charme, als Spieler und Offizielle beider Teams öfter länger beisammenblieben. Dies förderte unweigerlich das Gemeinschaftsgefühl. Heutzutage wird hingegen nicht unverständlicherweise bereits an den kommenden Morgen gedacht, wenn die Pflicht am Arbeitsplatz ruft“, räumt FCL-Vorstandsmitglied Julien Vinciotti ein. „Einst wohnten im Schnitt auch weitaus mehr Schaulustige den Spielen bei.“
Die Entwicklung wurde noch weitaus krasser, denn bis zum 50-jährigen Wiegenfest waren erneut viele Vereine auf der Strecke geblieben. „2011 verblieb nämlich lediglich noch die Hälfte mit 34 Vereinen und insgesamt 1.426 Lizenzierten, während in der laufenden Spielzeit nur noch 24 Teams in der Meisterschaft mitwirken. Diese absteigende Tendenz können wir vielleicht etwas bremsen, doch sie ist einfach nicht zu stoppen“, so Robert Heinisch im Klartext.
Es wird zusehends auch schwieriger, auf die nötigen Fußballplätze zurückzugreifen. „Wegen der Vielzahl an eigenen Mannschaften sind die Spielfelder in den meisten Gemeinden am Rande der Belastbarkeit. Insofern ist es vielen FLF-Vereinen nur begrenzt möglich, ihre Plätze zusätzlich für den Betriebsfußball zur Verfügung zu stellen. Und sollte die FLF etwa entscheiden, keine Unparteiischen mehr zu unseren Begegnungen abstellen zu können, wäre der gesamte Spielbetrieb nicht mehr gewährleistet. Infolgedessen sehe ich der Zukunft mit äußerst gemischten Gefühlen entgegen“, stellt Heinisch nüchtern fest.
„Der Fall Goodyear ist hoffentlich kein Beispiel, das Schule machen wird. Der zweifache Meister und dreimalige Pokalsieger stellte nach 2010 nämlich den Spielbetrieb ein: aus Besorgnis vor Verletzungen und drohender Arbeitsunfähigkeit der Mitarbeiter. Die Betriebself wurde zu einem leidlichen Anhängsel und dies bedeutete 2011 das endgültige Aus für den Verein Goodyear.“
So manches liegt demnach im Argen und läuft in die verkehrte Richtung. Angesichts der sich zusehends anhäufenden Probleme wird man infolgedessen das ungute Gefühl nicht los, wie spürbar nah das Damoklesschwert über dem Betriebsfußball schwebt.
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