Formel E / Heimlich, still und leise zum Weltmeister: Jake Dennis im Interview
Der Name Jake Dennis ist vielleicht nicht jedem Motorsport-Fan ein Begriff, doch der 29-jährige Brite hat sich ganz heimlich, still und leise zur Spitze des Automobilsports hochgearbeitet. Es gibt kaum eine Rennserie, in der er in den letzten sechs Jahren nicht angetreten ist.
Die Formel 3, LMP2-Prototypen, GT-Renner, DTM-Class1, IndyCars, ja sogar Formel 1: Das sind alles Renner, die Jake Dennis bereits bewegt hat. In der Formel E ging er erstmals 2021 mit dem damaligen BMW-Team an den Start und behielt in seiner Debütsaison bis zum letzten Rennen Chancen auf den Titel, bis er durch ein technisches Problem in der Mauer landete. Den Formel-E-Weltmeistertitel holte er sich dann letztes Jahr mit Andretti Racing, einem Kundenteam von Porsche. Nach seinem Sieg in Dyiriah, seinen zwei Zweitplatzierungen in Misano und seinem dritten Platz in Tokio dieses Jahr liegt Dennis mit 54 Punkten Rückstand aktuell auf Platz fünf der Gesamtwertung. Er hat weiterhin Chancen seinen Titel zu verteidigen, auch wenn es momentan eher nicht danach aussieht. Das Tageblatt hat sich kürzlich mit dem amtierenden Formel-E-Champion unterhalten.
Tageblatt: Sie sind amtierender Formel-E-Weltmeister. Blicken wir also zuerst auf Ihre letztjährige Saison zurück. Beständigkeit ist das Ausschlaggebende – richtig?
Jake Dennis: Ja, das stimmt schon. Wir hatten letztes Jahr eine fantastische Saison, doch unser beständiges Punktesammeln, mit nicht weniger als elf Podiumsplatzierungen, war das Ausschlaggebende für den Titelgewinn. Ich, zusammen mit unserem ganzen Andretti-Team, werden 2023 immer in bester Erinnerung behalten. All unser Bemühen wurde am Ende der Saison belohnt.
Wenn wir auf die diesjährige Saison schauen, ist es in etwa gleich – oder?
Dieses Jahr ist doch etwas schwieriger, was einem, von außen betrachtet, vielleicht nicht so auffällt. Wir hatten zwar bislang Podiumsplatzierungen, doch vor allem unsere Performance im Qualifying ließ etwas zu wünschen übrig. Unsere Rennpace ist allgemein ganz gut und ich hoffe, dass wir uns weiterhin verbessern können.
Porsche hat sein eigenes Werksteam in der Formel E, in dem es Antonio Felix Da Costa und Pascal Wehrlein einsetzt. Doch Porsche beliefert auch Andretti als Kundenteam mit Motoren. Was sind die Stärken des Andretti-Teams und des Porsche-Motors?
Der Porsche-Motor ist wirklich sehr stark, besonders in Sachen Softwareentwicklung und Energie-Effizienz. Hut ab vor den Porsche-Technikern und Entwicklern. Was das Andretti-Team betrifft, so sind nach dem Ausstieg von BMW, Ende 2021, viele neue Leute zu uns gestoßen. Es ist bemerkenswert, wie wir gewachsen und zusammengewachsen sind und uns stetig weiterentwickelt haben. Ich als Pilot zähle mich auch dazu. Unser Weltmeistertitel 2023 ist die Krönung des Ganzen, aber ist gibt immer noch Möglichkeiten, sich zu steigern.
Andretti Racing tritt ja nicht nur in der Formel E an, sondern auch noch in vielen anderen Rennsportserien, u. a. IndyCar, IMSA, ja sogar ein Formel-1-Einsatz ist weiterhin geplant. Würden Sie auch gerne für Ihr jetziges Team in einer dieser anderen Serien an den Start gehen?
Natürlich habe ich auch schon darüber nachgedacht und Michael Andretti hat mich auch schon ein IndyCar im September 2022 in Sebring testen lassen. Ich bin aber momentan sehr glücklich mit dem Lifestyle, den ich in der Formel E genieße, ich habe mich wirklich in diese Serie verliebt. Da die Saison schon im Juli zu Ende geht, erlaubt dies mir, mit BMW an anderen Rennen teilzunehmen. Wenn ich etwas älter werde, würde ich schon gern einige große Rennen wie Sebring oder Le Mans bestreiten, doch jetzt konzentriere ich mich voll auf die Formel E.
Bei der Formel E gilt es ja nicht nur schnellstmöglich zu fahren, sondern auch energieeffizient. Kann diese Erfahrung auch für andere Rennserien von Nutzen sein?
Ich glaube, dass dies in nächster Zukunft nicht der Fall sein wird. Die Formel E ist sehr eigen und dies wird sich auch wohl so schnell nicht ändern. Vielleicht ist die Formel E anderen Rennserien zehn Jahre voraus, denn es wird wohl auch im Rennsport generell in Richtung Elektrik und Hybrid gehen. Dass die Formel E so früh auf Nachhaltigkeit gesetzt hat, ist eine gute Sache.
Die Formel E bestreitet immer mehr Rennen auf traditionellen Kursen und etliche Ihrer Kollegen finden dies nicht so gut. Was ist Ihre Meinung dazu?
Ich liebe Stadtkurse und diese waren ja seit der Gründung der Formel E deren Identität. Inzwischen aber sind unsere Formel-E-Renner so viel schneller geworden und sie werden mit der Gen4 noch viel schneller werden. Für diese neuen Formel-E-Autos ist z.B. Monaco noch ganz optimal, doch Strecken wie Rom oder London (teilweise in einer Halle; Anm. d. Red.) sind doch sehr eng und dann kommen oft noch die Unebenheiten des Asphalts dazu. Es ist vielleicht nicht schlecht zu Rundstrecken zu wechseln, aber es müssen unbedingt einige reine Stadtkurse im Kalender bleiben.
Sie haben alle möglichen Rennserien schon bestritten: Sie fuhren in den letzten Jahren auch GT-Renner, so z.B. den DTM-Class1 Aston Martin oder den GT3-BMW auf der Nürburgring Nordschleife …
Ja, bei Aston Martin in der DTM hatte ich meinen ersten Vertrag als professioneller Rennfahrer. An dieses Jahr habe ich keine so guten Erinnerungen, weil unser Motor einfach nicht stark genug war, doch es war eigentlich der Anfang meiner professionellen Karriere, die dann mit BMW weiterging. Mit einem BMW habe ich letztes Jahr an den 24 Stunden auf der Nordschleife teilgenommen, das war sicherlich eines der Rennen, das mir am meisten Freude bereitet hat, aber die Nordschleife ist sehr schwierig und intensiv. Nach dem letzten Formel-E-Rennen dieses Jahr im Juli in London werde ich mit BMW noch einige Rennen der GTWC bestreiten.
Ich verdanke Mike Krack eigentlich allesüber seinen ehemaligen Renningenieur
Viele wissen nicht, dass Sie Entwicklungsfahrer beim Red-Bull-Formel-1-Team sind. Worin besteht hier Ihre Aufgabe?
Ich bin jetzt schon seit fünf Jahren bei Red Bull Racing. Es begann mit Arbeit im Simulator, was es auch heute noch zum großen Teil ist. Ich versuche einfach stetig, für Max (Verstappen) und Checo (Perez) das Formel-1-Auto zu verbessern. Wenn man mich braucht, bin ich ja nicht weit weg. Red Bull hat aber auch gesehen, wie ich mich als Rennfahrer weiterentwickelt habe, und somit haben sie mir schon etliche Male die Gelegenheit gegeben, ein Formel-1-Auto zu testen, so zuletzt vor einigen Monaten in Abu Dhabi. Es ist schon eine schöne Partnerschaft mit Red Bull.
Stimmt es eigentlich, dass Sie durch Ihre Schwester zum Rennfahrer wurden?
Das stimmt nur bedingt. Eigentlich hat mein Vater, der selbst hobbymäßig Rennen fuhr, mich zum Rennsport gebracht. Als Kind wusste ich zwar nicht mal, was Formel 1 ist. Ich war nie der kleine Junge, der immer „Michael Schumacher sein wollte“. Ich war eigentlich gar nicht interessiert, doch als meine Schwester dann begann Karting zu fahren, habe ich es auch versucht und hab mich dann allmählich gegen sie durchgesetzt. Hätte sie nicht begonnen, dann hätte ich womöglich auch nie angefangen; ich war schon etwas neidisch auf sie. (grinst)
Schließen wir mit einer Frage zu Luxemburg ab. Sie haben bei BMW mit dem Luxemburger Mike Krack, damals noch Renningenieur bei BMW, zusammengearbeitet. Woran erinnern Sie sich noch aus dieser Zeit?
Ah, Mike ist Luxemburger – das war mir nicht bewusst. Nun ja, ich verdanke Mike Krack eigentlich alles. Er war es, der mich ins BMW-Formel-E-Cockpit setzte. Damals wollte BMW unbedingt einen ihrer DTM-Werkspiloten ins Auto hieven, doch Mike hat das Risiko genommen und mich vom DTM-Aston-Martin ins BMW-Formel-E-Auto gesetzt. Ich habe ein ausgezeichnetes Verhältnis zu Mike und er ist immer einer der Ersten, der mir bei Erfolgen gratuliert, so auch als ich letzten Sommer den Formel-E-Titel holte. Es ist schön zu sehen, wie er jetzt mit Fernando (Alonso) und Lance (Stroll) die Geschicke bei Aston Martin in der Formel 1 steuert.
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