Olympia 2021 / Heinz Thews: „Die Olympischen Spiele werden dieses Jahr ein anderes Gesicht haben“
Am Samstag sind es noch 195 Tage bis zur geplanten Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in Tokio (23. Juli bis 8. August). Noch steht Corona-bedingt einiges in den Sternen. Der Technische Direktor des luxemburgischen Olympischen Komitees, Heinz Thews, bleibt aber weiterhin optimistisch. Man sei es den Athleten schuldig.
Tageblatt: Werden die Olympischen Spiele in Tokio stattfinden?
Heinz Thews: Danach sieht es momentan jedenfalls aus. Natürlich gibt es noch viele offene Fragen und niemand kann genau voraussagen, wie sich die Pandemie bis zum Sommer entwickeln wird. Aber die Informationen, die wir vom IOC (Internationales Olympisches Komitee, d.Red.) und aus erster Hand vor Ort bekommen, stimmen mich optimistisch, dass die Spiele stattfinden werden. Aber eines ist klar, Olympia wird dieses Jahr ein anderes Gesicht haben als die Spiele davor.
Tokio hat gerade erst einen einmonatigen Lockdown verhängt. Macht Ihnen das keine Angst?
Die Infektionszahlen in Japan sind momentan sehr hoch, aber bis zum Sommer kann noch sehr viel passieren. Wir sehen ja auch hier in Europa, wie schnell sich die Situationen verändern. Außerdem haben das IOC und die Organisatoren vor Ort ganze Maßnahmenpakete ausgearbeitet, die je nach Situation zum Tragen kommen.
Welche sind das?
Es gibt in meinen Augen zwei Maßnahmen, die entscheidend sind: Ein wichtiger Punkt sind sicherlich die Schnelltests, die bis zum Sommer noch zuverlässiger werden sollen. Die spielen eine sehr wichtige Rolle, damit die Spiele stattfinden können. Zum anderen wären da die Impfungen. Bis zum Sommer werden wohl schon viele geimpft sein, was sich positiv auf das Infektionsgeschehen auswirken sollte. Japan hat allein jeweils 120 Millionen Impfdosen bei Pfizer-Biontech sowie AstraZeneca bestellt. Bis zum Sommer könnte also ein Großteil der Bevölkerung schon geimpft sein.
IOC-Mitglied Dick Pound hat zuletzt davon gesprochen, dass man einfach alle Athleten impfen sollte, damit die Spiele sicher stattfinden können. Was halten Sie von dieser Idee?
Wir haben uns mit diesen Vorschlägen befasst. Von unseren Athleten kamen einige Bedenken. Sie wollen keinem eine Impfung wegnehmen, der sie nötiger hat als sie selbst. Hochleistungssportler zählen weder zu einer Risikogruppe noch zu einem Berufsstand, der vorrangig geimpft werden sollte. Allerdings weiß man nicht, wie die Impfkampagnen in den kommenden Monaten voranschreiten. Es gibt nationale Olympische Komitees, die vom IOC fordern, die nötigen Impfdosen zu kaufen, um die Athleten impfen zu können. Dann stellt sich allerdings noch die Frage, ob man Sportler überhaupt dazu verpflichten kann, sich impfen zu lassen.
Ethische Bedenken?
Die Aussage von IOC-Mitglied Dick Pound, dass man darüber nachdenken solle, alle Athleten vor den Spielen zu impfen, hat Diskussionen entfacht. Es stellt sich die Frage, ob es vertretbar ist, gesunden Sportlern eine Ausnahmestellung zu gewähren. Zudem haben Sportler dem COSL gegenüber Bedenken geäußert, man wolle niemandem eine Impfung wegnehmen. Der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel, der bis vor kurzem Mitglied des Ethikrates in Deutschland war und 1968 selbst an Olympischen Spielen teilgenommen hat, sieht zwei Argumente, die dafür sprechen würden, wie er kürzlich im Deutschlandfunk erklärte. Zum einen wäre das die symbolische Bedeutung der Olympischen Spiele und zum anderen die verhältnismäßig geringe Anzahl an Athleten, die eine Impfung bekommen würden. Sportler vorzuziehen, würde andere Gruppen nicht beeinflussen, so Merkel, nicht einmal dann, wenn man alle Athleten hinzuzählt, die eine Chance auf eine Qualifikation haben. In Deutschland wären es für das reine Olympia-Team wohl rund 400 Athleten. In Luxemburg waren es 2016 in Rio zehn Sportler, die gesamte Delegation mit Trainer, medizinischem Personal und Offiziellen umfasste rund 30 Personen. „Sogar wenn man sämtliche Betreuer sowie die Paralympics-Teilnehmer aus sämtlichen Ländern mitimpfen würde, wäre es mit etwa 100.000 Dosen getan. Im Vergleich zu dem, was produziert und weltweit bestellt wird, ist das nicht sonderlich viel“, sagt Heinz Thews. Solange die Impfkampagnen aber noch schleppend vorankommen, wird eine Vorrangstellung für gesunde Sportler nur schwer durchführbar sein.
In der japanischen Bevölkerung wächst die Kritik an einer Durchführung der Spiele.
Das stimmt, aber dabei darf man nicht vergessen, dass Japan eine der ältesten Bevölkerungen der Welt hat, und dass die Angst vor so einem Event gerade jetzt groß ist, ist zu verstehen. Die Japaner sind aber auch eine sehr disziplinierte Nation, die sich sehr gewissenhaft vorbereitet. Aus dem Grund mache ich mir eigentlich keine Sorgen. Und ich denke, dass wenn die Bevölkerung erst einmal merkt, dass die Sicherheit gewährleistet ist, die Zustimmung auch wieder steigt. Die Spiele werden ja momentan als Licht am Ende des Tunnels beworben und ich glaube, dass sie das auch sein können – dass sie der Startschuss für ein Leben nach der Pandemie sind.
Eine Absage wäre Ihrer Meinung nach also keine Alternative?
Zum jetzigen Zeitpunkt sicher nicht. Wir dürfen eins auch nicht vergessen: Olympia wird oft als große Gelddruckmaschine kritisiert, für die Sportler ist es aber weitaus mehr. Sie haben ihre ganze Lebensplanung nach den Spielen ausgerichtet und bringen sehr viele Opfer, um sich dort mit den Besten der Welt messen zu können. Ihnen gegenüber haben wir die Verpflichtung, alles zu unternehmen, um diese Spiele in einem sicheren Rahmen abhalten zu können.
Als Vorbereitung auf Olympia reicht es sicherlich nicht aus, ein paar Tage lang Kniebeugen oder Klimmzüge in einem Hotelzimmer zu machenCOSL
Wie wird sich Ihre Arbeit vor Ort aufgrund der Pandemie verändern?
Wie es sich momentan abzeichnet, dürfen Athleten erst fünf Tage vor ihrem ersten Wettkampf ins Olympische Dorf und müssen bereits 48 Stunden nach ihrem letzten Wettkampf wieder abreisen. Wenn daran festgehalten wird, stellt sich uns eine große logistische Herausforderung. Vor allem wissen wir momentan noch überhaupt nicht, welche Flüge im Sommer verfügbar sein werden. Mal ganz davon abgesehen, dass fünf Tage nicht ausreichen, um sich richtig zu akklimatisieren. Das bereitet mir schon Kopfzerbrechen. Sollte es dann noch weitere Quarantänebestimmungen geben, entweder in Japan selbst oder bereits im Land, in dem man abreist, wird es noch komplizierter. Als Vorbereitung auf Olympia reicht es sicherlich nicht aus, ein paar Tage lang Kniebeugen oder Klimmzüge in einem Hotelzimmer zu machen.
Was bereitet Ihnen denn die größten Sorgen?
Ganz klar die Qualifikationswettbewerbe. Es sind noch rund 43 Prozent der Startplätze, die offen sind. Allerdings weiß momentan niemand so genau, wie die Qualifikation ablaufen soll. Das ist für Sportler, die jahrelang auf eine Qualifikation hingearbeitet haben, eine sehr große Belastung. Ein Athlet arbeitet normalerweise auf einen Wettkampf hin und versucht zu dem Zeitpunkt in Topform zu sein. Wenn er allerdings nicht genau weiß, wann das ist, dann gestaltet sich die Vorbereitung sehr schwierig. Momentan ist es schwer vorstellbar, wie in verschiedenen Sportarten große, weltweite Qualifikationsturniere stattfinden sollen. Die Einschränkungen in den einzelnen Ländern sind zu unterschiedlich.
Wie werden die ausstehenden Plätze Ihrer Meinung nach vergeben?
Ich rechne damit, dass ein Großteil der Qualifikationen erst relativ spät abgeschlossen werden. Ich rechne mit Mai bis Juni. Die einzelnen Fachverbände müssen teilweise kreativ werden. Ich kann mir vorstellen, dass vielleicht eher auf regionale Qualifikationsturniere gesetzt wird. Da werden wir wahrscheinlich noch interessante Konzepte erleben.
Steht denn so nicht die Chancengleichheit auf dem Spiel?
Die muss auf jeden Fall so gut es geht gewahrt werden. Wenn wir aber von Chancengleichheit reden, müssen wir auch über das Anti-Doping-System sprechen. Das wurde während der Pandemie ja fast komplett eingestellt und wird jetzt so langsam wieder hochgefahren. Das wird auch eine große Herausforderung. Damit es wirkt, muss es ja bereits einige Zeit vor den Spielen wieder voll funktionsfähig sein.
Wie schätzen Sie die Chancen der einheimischen Athleten auf eine Qualifikation ein?
Die Chancen stehen ganz gut, dass sich der eine oder andere noch qualifizieren wird. Ich denke da zum Beispiel im Schwimmen an Julie Meynen, die nah an den Qualifikationszeiten dran ist. Auch in anderen Sportarten, wie dem Triathlon oder dem Bogenschießen, stehen die Chancen recht gut. Ich gehe davon aus, dass wir mit einer ähnlich großen Delegation nach Tokio fahren werden, wie wir sie 2016 in Rio hatten.
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Ja, ein anderes Gesicht, nämlich gar keins.
@ Gross ,absolut richtig , jedenfalls nicht mehr dieses.
Immäns Verdingschter für den Latzeburger Sport!