Leichtathletik / „Im Bereich des Möglichen“: Patrizia van der Weken muss sich vor der Weltspitze nicht verstecken
Patrizia van der Weken schied am Samstag in Paris zwar im Halbfinale aus, zeigte dennoch, dass sie sich vor der Weltspitze des Sprints längst nicht mehr verstecken muss. Am Ende bleibt bei der Luxemburgerin leichte Enttäuschung zurück, denn ein Olympisches Finale wäre durchaus im Bereich des Möglichen gewesen.
Ein Olympisches Finale im 100-Meter-Sprint zu erreichen, ist eine Herkulesaufgabe. 27 Sprinterinnen in insgesamt drei Halbfinalläufen versuchten am Samstagabend einen von nur acht Plätzen zu ergattern, unter ihnen auch Patrizia van der Weken, die am Freitag ihren Vorlauf souverän meisterte und nur Topfavoritin Sha’Carri Richardson vorbeiziehen lassen musste. Auf die US-Amerikanerin traf die Luxemburgerin dann auch wieder im Halbfinale. Doch damit nicht genug, mit Julien Alfred aus St. Lucia sowie Shelly-Ann Fraser-Pryce sollten zwei weitere Sprinterinnen, die zu den Top-Podiumskandidatinnen gehörten, im gleichen Halbfinallauf starten. „Une demie de mort“, wie es nicht nur die Luxemburgerin bezeichnete.
Die jamaikanische Sprint-Legende, die seit Peking 2008 bei jeden Olympischen Spielen eine Einzel-Medaille gewann, war jedoch kurz vor dem Start nicht im Innenraum des Stade de France zu sehen, wie sich später herausstellte, zog sie wegen einer beim Aufwärmen zugezogenen Verletzung kurzfristig zurück. Davon stressen ließ sich Van der Weken allerdings nicht, der jedoch bewusst wurde, dass sich dadurch eine Tür öffnete. „Wir haben uns im Vorfeld gesagt, dass ich es schaffen müsste, Vierte zu werden, um eine kleine Chance zu haben“, erklärte die 24-Jährige. Denn neben den beiden Ersten jedes Laufes kamen auch die zwei Zeitschnellsten aller Halbfinalläufe weiter. Als die Luxemburgerin dann beim Reinkommen ins Stadion sah, dass die Dritte des ersten Halbfinales, die Schweizerin Kambundji, eine Zeit von 11,05 Sekunden auf der Tafel stehen hatte, wurde ihr klar, dass ihre persönliche Bestzeit von 11,00 an diesem Abend durchaus reichen könnte. „Ich habe versucht mich in eine Verfassung zu bringen, in der ich diese 11,00 laufen kann.“ Im Vorfeld waren die FLA-Sprinterin und ihr Trainer Arnaud Starck eigentlich davon ausgegangen, dass man für den Finaleinzug auf alle Fälle unter elf Sekunden bleiben müsse.
Starke 60 Meter
Die Luxemburgerin erwischte dann auch einen guten Start, hing sich an Richardson, die auf der Nebenbahn lief, dran. Bei Meter 70 lag Van der Weken an Position drei, musste zum Schluss aber noch Gina Bass Bittaye aus Gambia vorbeiziehen lassen. Als Vierte mit einer Zeit von 11,13 Sekunden überquerte sie schließlich die Ziellinie. Rang vier hatte die Luxemburgerin zwar geschafft, jedoch stand zu diesem Zeitpunkt schon fest, dass sie nicht mehr als eine der beiden Zeitschnellsten weiterkommen würde, denn der erste Halbfinallauf war schneller. Am Ende stand dann Platz 15 zu Buche.
Etwas enttäuscht war die 24-Jährige dann auch nach ihrem Rennen: „Meine ersten 60 Meter waren wirklich gut, doch hinten heraus konnte ich nicht das zeigen, was ich die ganze Saison gezeigt habe. Das ist natürlich blöd, dass es ausgerechnet bei Olympia nicht geklappt hat.“ Dennoch kann sie sich nichts vorwerfen, wie Van der Weken weiter meint: „11,13 bleibt trotzdem noch immer eine stramme Zeit.“ Vor allem ärgerte sie ein wenig, dass dieses Mal 11, 06 Sekunden für das Finale gereicht hätten und dafür nicht einmal ein neuer Landesrekord nötig gewesen wäre: „Ich kann diese Zeit eigentlich bei ziemlich allen Bedingungen laufen. Doch man muss auch sagen, dass einige starke Mädels nicht weitergekommen sind. Wir standen nach dem Rennen oben und haben geredet. Sechs Läuferinnen, die alle das gleiche Niveau haben und genauso gut als Siebte oder Achte hätten ins Finale kommen können.“
Nicht ohne Arnaud Starck
Somit fällt das olympische Fazit der luxemburgischen Sprinterin dann auch durchaus positiv aus: „Es waren meine ersten Spiele und ich bin ins Halbfinale gekommen.“ Etwas, das die deutsche Sprinterin und Europameisterin von 2022, Gina Lückenkemper, erst bei ihrer dritten Teilnahme im Einzel geschafft hat, wie Van der Weken erzählt: „Und sie hat schon ein krasses Palmarès, da kann ich mir mit 24 Jahren wirklich nicht zu viel vorwerfen.“
Ich habe gesehen, dass ich fähig bin, das Finale zu erreichen. Es zeigt mir, dass wir auf einem guten Weg sind …
Patrizia van der Weken ist sich jedoch sicher, dass sie aus dieser Erfahrung viel für die Zukunft mitnehmen kann. „Ich habe gesehen, dass ich fähig bin, das Finale zu erreichen. Es zeigt mir, dass wir auf einem guten Weg sind, wenn wir weiter hart arbeiten und mit den Füßen auf dem Boden bleiben.“ In den letzten zwei Jahren hat die Luxemburgerin bekanntlich einen großen Sprung gemacht, ist inzwischen auch ins Blickfeld der Konkurrentinnen und der internationalen Presse gerückt. Dass dies ohne ihren Trainer Arnaud Starck nicht möglich gewesen wäre, das vergisst die FLA-Sprinterin dann auch nicht zu erwähnen: „Es sind sogar Trainer zu mir gekommen, die meinten, dass sie Videos von mir nutzen, weil ich technisch so gut laufe. Das ist dann auch ein mega Kompliment für Arnaud. Ohne ihn würde ich das nicht hinbekommen, da wäre ich keinesfalls nah an dem dran, was ich jetzt zeige.“ Für Patrizia van der Weken gilt es nun, die Topleistung auch am Tag X abzurufen, wie sie weiter meint.
Und da fällt der Blick dann auch schon auf Los Angeles in vier Jahren: „2028 werde ich mit einem anderen Niveau und viel mehr Erfahrung in Angriff nehmen können. Wenn ich sehe, wie viel mir die Jugendmeisterschaften geholfen haben und jetzt die Diamond League und andere große Rennen. Dann kann das nur weiterhelfen.“ Als Titelverteidigerin wird dann nicht Lokalmatadorin Sha’Carri Richardson, sondern Julien Alfred auf der Piste stehen, die dem karibischen Inselstaat die erste Olympische Medaille überhaupt bescherte und dies sogar mit einem neuen Landesrekord.
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