Tim Kips / „In Aue leben die Menschen für den Fußball“: Luxemburger Torwart über seine Rolle als Nummer zwei
Vergangene Woche startete die dritte deutsche Bundesliga in die Rückrunde. Mit dabei ist auch der Luxemburger Torwart Tim Kips. Bei Erzgebirge Aue wartet der 24-Jährige geduldig auf seine Chance. Trotz seiner Reservistenrolle hat der ehemalige Jugendnationalspieler im Osten Deutschlands vor allem gute Erfahrungen gesammelt.
Tim Kips wollte schon früh weg aus Luxemburg. Nach einem Jahr beim grenznahen Verein Eintracht Trier wagte der talentierte Torwart den Sprung nach Ostdeutschland und unterschrieb im Sommer 2018 einen Vertrag beim 1. FC Magdeburg. Eine neue Welt eröffnete sich dem damals 17-Jährigen. Erstmals war er weit von zu Hause weg, erstmals musste er ohne sein gewohntes Umfeld in einer fremden Stadt, sieben Autostunden entfernt von Luxemburg, sein Leben im Nachwuchsleistungszentrum bewerkstelligen. „Der Sprung nach Magdeburg war für mich am Anfang schon sehr extrem. Es war ein komplett neues Umfeld“, sagt Kips rückblickend. Mittlerweile fühlt er sich auf dem Gebiet der ehemaligen DDR pudelwohl. „Aue ist eine kleine Stadt, in der die Menschen für den Fußball leben. Sie würden ihren letzten Cent für den Verein ausgeben. Jeder ist mit dem Herzen dabei, das spürt man einfach. Es ist ein sehr familiäres Umfeld, in dem ich mich extrem wohlfühle.“
Doch bevor er im Erzgebirge landete, führte ihn sein Weg wieder zurück nach Luxemburg. Magdeburg wollte Kips zwar behalten, hatte aber kein Geld für einen weiteren Torwart. Zunächst wurde er von Virton verpflichtet, dem damals neuen Projekt von Mäzen Flavio Becca. Nur wenige Wochen später wurde er an den F91 Düdelingen ausgeliehen.
Es war ein Wechsel, der sich zunächst als Sechser im Lotto herausstellen sollte. Kips wurde unter dem belgischen Trainer Emilio Ferrera zur Nummer eins und stand in den vier Qualifikationsspielen der Europa League gegen FK Shkendija (Nordmazedonien) und Nomme Kalju (Estland) zwischen den Pfosten. Der F91 qualifizierte sich danach überraschend zum zweiten Mal nacheinander für die Gruppenphase dieses Wettbewerbs. Kips hatte seinen Stammplatz aber mittlerweile an Jonathan Joubert verloren, der nach einer Verletzung in die Mannschaft zurückgekehrt war. Nach einer Saison, die er größtenteils auf der Bank verbrachte, wurde Kips unter dem neuen Trainer Carlos Fangueiro zum Stammtorwart. „Ich musste nach meinem Jahr in Magdeburg nach Luxemburg zurückkehren. Es gibt nicht viele Spieler, die nach einer Rückkehr wieder den Sprung ins Profigeschäft schaffen. Ich bin sehr froh, dies geschafft zu haben“, sagt Kips.
Im Sommer 2021 lockte wieder der Osten. Kurz vor Transferschluss schloss er sich Erzgebirge Aue an. Elfmal saß Kips in der zweiten Bundesliga auf der Bank. Um Spielpraxis zu sammeln, wurde er ein Jahr später an den Regionalligisten RW Koblenz ausgeliehen. Dort stand der gebürtige Beckericher 21-mal in der Startelf. „Diese Saison hat mir sehr viel gebracht. Ich konnte Spielpraxis auf einem ordentlichen Niveau sammeln. Auch in der Regionalliga gibt es sehr viele gute Torhüter und die Konkurrenz ist groß.“
Nach diesem Jahr reich an Erfahrungen ging es zurück nach Aue, wo er sich seitdem die Ersatzrolle mit Louis Lord teilt. Beim FCE führt nämlich kein Weg an Martin Männel vorbei. Der mittlerweile 36-Jährige gehört in Aue zum Inventar. Seit 2008 hat die Vereinslegende fast unglaubliche 547 Partien für die Mannschaft aus dem Erzgebirge bestritten. „Als ich bei Aue unterschrieben habe, war von Anfang an klar, dass Männel die Nummer eins ist. Dieser Ausgangslage muss man sich bewusst sein, ansonsten wird es schwer während der Saison. Ich versuche, mich trotzdem auf jedes Spiel so vorzubereiten, als würde ich selber zwischen den Pfosten stehen, und dabei das Maximum von ihm zu lernen. Ich versuche, wie ein Schwamm zu sein und alles aufzusaugen“, sagt Kips.
In Sachsen schätzt man den Luxemburger, weshalb er im Sommer 2024 wieder zum Kader gehörte: „Wir sind sehr zufrieden mit Tim Kips, seiner Leistung und seiner Berufsauffassung. Die Konstellation auf dieser wichtigen Position hat sich in der zurückliegenden Saison etabliert, sorgt für hohes Niveau im Training und gesunden Konkurrenzkampf. Nicht nur sportlich, auch menschlich passt es mit gegenseitigem Respekt und fairem Miteinander“, sagte FCE-Sportgeschäftsführer Matthias Heidrich damals.
Kips lebt von Woche zu Woche von der Hoffnung, irgendwann mal zum Einsatz zu kommen. Am 31. August 2024 ging dieser Traum in Erfüllung. In der ersten Halbzeit verletzte sich Männel und Kips kam nach der Pause zu seinem Debüt in der dritten deutschen Bundesliga gegen Alemannia Aachen. „Irgendwie war das schon ein Schock, da ich nicht damit gerechnet hatte, eingesetzt zu werden. Alles ist aber gut gelaufen und wir haben die Partie nach dem 0:1-Rückstand noch gedreht.“
Nach dem Spiel freute sich die FCE-Legende Männel mit seinem Stellvertreter. Kips hat in den drei Jahren bereits so einiges vom 36-Jährigen abgeschaut. „Ich kannte ihn aus dem Fernsehen, bevor ich nach Aue gekommen bin. Vor Ort habe ich jedoch gemerkt, dass er noch viel besser ist, als ich gedacht habe. Das gleiche Erlebnis hatte ich damals, als ich zur Nationalmannschaft berufen wurde, mit Anthony Moris. Mittlerweile hat er ja bestätigt, auf welchem Niveau er spielen kann“, sagt Kips.
Moris wurde übrigens auch erst Stammspieler mit 28 Jahren und ist mittlerweile einer der besten Torhüter Belgiens. Das Warten auf die Chance ist ein Geduldsspiel, an das sich Kips erst einmal gewöhnen musste. „Ich war früher etwas ungeduldiger. Die Zeit und die vielen Gespräche, die ich mit Trainern und anderen Menschen führe, haben mir jedoch aufgezeigt, dass Geduld eine wichtige Tugend in diesem Bereich ist. Man muss auch realistisch sein. In den guten Ligen gibt es auch heute noch sehr wenige Torhüter, die mit 24 Jahren die unangefochtene Nummer eins sind.“
Ich versuche, wie ein Schwamm zu sein und alles aufzusaugenTorwart bei Erzgebirge Aue
Der ehemalige FLF-Jugendnationalspieler zählt mitspielende Torhüter wie Mike Maignan oder Manuel Neuer zu seinen Vorbildern. Als er Luxemburg verließ, wurde Kips oft vorgeworfen, dass sein Spiel mit dem Ball noch stark verbesserungswürdig sei. Mittlerweile hat sich dies geändert. „Ich mag es, mitzuspielen. Das hat damit zu tun, dass ich älter und reifer geworden bin und etwas anders an die Sache herangehe. Als junger Torhüter ist man doch noch oft nervös und kann auf dem Platz nicht immer das umsetzen, was man eigentlich kann. Mit dem Fuß am Ball habe ich mich in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert. Das hat mentale Gründe, aber auch das tägliche Training hat dazu beigetragen, dass ich mich steigern konnte. Ich versuche, niemanden zu kopieren, sondern meinen eigenen Stil zu finden.“
Neue Ziele
Erzgebirge Aue hatte eigentlich in dieser Saison mit der Rückkehr in die zweite Bundesliga geliebäugelt. Aktuell ist dieses Ziel jedoch noch in weiter Ferne. Der Rückstand auf Platz drei, wo derzeit der 1. FC Saarbrücken steht, beträgt nach 20 von 38 Spieltagen sechs Punkte. Mit Jens Härtel wurde in der Winterpause ein neuer Trainer geholt. Kips kennt den 55-Jährigen aus Magdeburg.
Die Weichen für eine gute Rückrunde wurden Anfang im Januar im Trainingslager im türkischen Belek gestellt. Kips kam in zwei Testspielen zweimal zum Einsatz. „Für mich war es das erste Trainingslager im Süden seit vier Jahren. Die Bedingungen waren herausragend und ich habe mich darüber gefreut, endlich wieder spielen zu dürfen.“ Der Start in die Rückrunde missglückte trotzdem – auch weil bei Aue viele Leistungsträger passen mussten. Vergangenes Wochenende gab es eine überraschende Niederlage gegen die zweite Mannschaft von Hannover 96. Zu einem Duell der Luxemburger kam es nicht. Kips und 96-Stürmer Jayson Videira mussten 90 Minuten auf der Bank Platz nehmen. „Wir kennen uns eigentlich nicht und es kam auch zu keinem Gespräch, da wir als Ersatzspieler beide nach der Partie zum Lauftraining geschickt wurden.“
Wie es für ihn weitergeht, weiß Kips noch nicht. Auch ob er sich noch eine weitere Saison als Nummer zwei vorstellen kann: „Ich komme jetzt in ein Alter, in dem ich so langsam spielen muss. Ob das in Aue oder irgendwo anders ist, wird man sehen“, so Kips, der sich durch einen Stammplatz bei einem Profiverein wieder in den Fokus der Nationalmannschaft spielen will. „Wenn ich mich im Verein durchsetze, dann werde ich auch wieder meine Chance erhalten. Der Verein genießt für mich derzeit Priorität und die Nationalmannschaft ist dann ein schöner Bonus, den ich mitnehmen will.“
Nach dem Rücktritt von Ralph Schon werden die Karten in der FLF-Auswahl neu gemischt. Anthony Moris bleibt die Nummer eins, Tiago Pereira ist seit Herbst 2024 die Nummer zwei. Wer in Zukunft als Nummer drei dabei sein wird, hängt wohl viel mit der Form und den Einsatzzeiten zusammen. Kips will in Zukunft wieder auf diesen Zug aufspringen.
Steckbrief
Name: Tim Kips
Geboren am 1.11.2000
Position: Torwart
Größe: 1,88 Meter
Bisherige Vereine: Beckerich, Etzella, Eintracht Trier, 1. FC Magdeburg (beide D), RE Virton (B), F91 Düdelingen, Erzgebirge Aue, RW Koblenz, Erzgebirge Aue (alle D)
Leistungsdaten 24/25: 1 Einsatz in der 3. deutschen Bundesliga, ein Einsatz im Sachsenpokal
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