EM / „Inakzeptabler“ Wolfsgruß: Türkei zwischen Euphorie und Skandal
Die Türkei träumt nach einem dramatischen Sieg vom EM-Titel – und löst im ganzen Land eine große Party aus. Eine Geste aber sorgt für Diskussionen.
Kapitän Hakan Calhanoglu und Jungstar Arda Güler tanzten losgelöst durch die Kabine, auf den deutschen Straßen spielten sich bei kilometerlangen Autokorsos wilde Party-Szenen ab. Doch die türkische EM-Euphorie wurde nach dem umjubelten Viertelfinal-Einzug vom Eklat um den „Wolfsgruß“ des Matchwinners Merih Demiral überschattet.
Sogar die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser schaltete sich umgehend ein. „Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen“, schrieb die SPD-Politikerin nach dem 2:1 (1:0) der Türken im Achtelfinale gegen Österreich bei X. Die EM „als Plattform für Rassismus“ zu nutzen, sei „völlig inakzeptabel“.
Verteidiger Demiral, der die Türkei mit seinem Doppelpack erstmals seit 16 Jahren unter die besten Acht Europas führte, hatte den Gruß beim Torjubel gezeigt – die politische Dimension ist offenkundig. Der Wolfsgruß ist ein Symbol der „Grauen Wölfe“. So werden die Anhänger der rechtsextremistischen und ultranationalistischen „Ülkücü-Bewegung“ bezeichnet, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die UEFA leitete eine Untersuchung ein.
„Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun“, sagte der als Spieler des Spiels ausgezeichnete Demiral bei der Pressekonferenz. Es stecke „keine versteckte Botschaft“ dahinter, so der 26-Jährige. In Deutschland ist weder die Organisation noch der Gruß verboten, in Österreich oder Frankreich allerdings schon.
Demiral, der in der Nacht ein Foto seiner Geste bei X postete, zeigte sich weit davon entfernt, Einsicht zu zeigen. Er hoffe, sagte der Verteidiger vom saudi-arabischen Klub Al-Ahli, dass es „noch mehr Gelegenheiten gibt, diese Geste zu zeigen“. Bereits im Viertelfinale gegen die Niederlande am Samstag (21.00 Uhr) in Berlin könnte es so weit sein.
Dann werden die euphorisierten Türken wieder auf die große Unterstützung ihrer Anhänger bei der „Heim-EM“ zählen können. „Dass wir zu Hause spielen, pusht uns natürlich noch extra. Das ist ein Teil, warum wir gewonnen haben“, sagte Calhanoglu, der den aufopferungsvollen Kampf seiner Mannschaft gegen Österreich gelbgesperrt nur von der Bank aus verfolgen konnte – sich jetzt aber auf seine Rückkehr freut.
Erdogan gratuliert
„Wenn wir so spielen, ist vieles möglich. Mit Herz und Leidenschaft kann man das packen“, so Calhanoglu, der nach einem Interview-Marathon im Leipziger Stadion „schnell ins Bett“ wollte. Anders als viele seiner Landsleute. Bis tief in die Nacht feierte die große türkische Community in ganz Deutschland. Auf dem Kurfürstendamm im Westen Berlins schlossen sich Tausende einem Autokorso an, einige zündeten Pyrotechnik. Ähnliche Szenen spielten sich auch in Köln, Hamburg oder München ab. Der „Co-Gastgeber“ träumt.
„Ich gratuliere unserer Fußballnationalmannschaft von ganzem Herzen“, schrieb Präsident Recep Tayyip Erdogan bei X und wünschte „viel Erfolg auf dem Weg zum Titel“. Erstmals seit 2008, als die Türken im Halbfinale dramatisch an Deutschland (2:3) gescheitert waren, steht die stolze Nation im Viertelfinale einer EM.
Darin wird es im Olympiastadion gegen offensivstarke Niederländer erneut auf Mert Günok ankommen: Der Torhüter rettete seine Mannschaft mit einer atemberaubenden Parade gegen Christoph Baumgartner in letzter Minute vor der Verlängerung – auch er ist nun für weitere Großtaten bereit. „Wir glauben daran“, sagte Günok, „dass wir den Weg bis zum Ende beschreiten können.“
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