Basketball / „Jetzt oder nie“: Jugendtrainer Christophe Flammang über seinen Wechsel in die Akademie des Bundesligisten Bamberg
Es war sicherlich eine der überraschendsten Meldungen, die mitten in der heißen Transferperiode im nationalen Basketball eintrudelte. Christophe Flammang, Jugendtrainer der Sparta Bartringen, wird im August eine neue Herausforderung annehmen und als hauptberuflicher Coach in der Nachwuchsakademie von Brose Bamberg arbeiten. Der 37-Jährige erzählt im Gespräch mit dem Tageblatt, warum er plötzlich die Entscheidung traf, sein komplettes Leben umzukrempeln.
Tageblatt: Wie kommt man dazu, nach 22 Jahren als Trainer in Luxemburg in der Jugendarbeit eines Bundesligavereins einzusteigen?
Christophe Flammang: Vor zwei Monaten hatte ich überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich so etwas machen würde. Die Idee ist entstanden, als ich mit Dorian Grosber nach Berlin gefahren bin, weil er dort bei ALBA Berlin vorspielen durfte. Hier konnte ich einen Einblick in die professionelle Struktur einer solchen Jugendakademie werfen. Das fand ich sehr interessant und so wie ich eben bin, habe ich einige Tage später einfach mal meinen Lebenslauf an einige große deutsche Vereine verschickt. Durch einige Kontakte, zu einem deutschen Spieleragenten sowie Trainerkollege Kevin Magdowski, erhielt ich dann ein Gespräch mit dem Bamberger U16-Trainer. Danach hatte ich dann auch noch ein Gespräch mit Wolfgang Heyder, dem ehemaligen Geschäftsführer des Klubs, der dort jetzt Jugendkoordinator ist. Danach durfte ich ein Probetraining vor Ort halten und alle Seiten waren begeistert.
Es erfordert doch schon einiges an Mut, ein Leben und eine Karriere in Luxemburg, die ganzen Sicherheiten, von heute auf morgen aufzugeben …
Es ist natürlich ein riesiger Unterschied zum Leben in Luxemburg. Als Lehrer hat man seine vorgezeichnete Karrierelaufbahn. Es ist schon eine Komfortzone, aber das ist auch gerade das, was mich irgendwie gestört hat. Ich konnte mir nicht vorstellen, die nächsten 30 Jahre ständig das Gleiche zu tun, sei es nun im Berufsleben oder im Basketball. Diese Chance musste ich einfach wahrnehmen. Hätte ich es nicht getan, dann würde es mir irgendwann leidtun. Es hieß einfach: Jetzt oder nie. Ist eine solche Sicherheit, ein gutes Einkommen wirklich alles im Leben? Ich glaube nicht, dass dies einen auf Dauer erfüllt, vor allem wenn man sieht, dass man mit seiner Leidenschaft für etwas noch einen Schritt weiter gehen kann.
Hatten Sie überhaupt damit gerechnet, dass Sie diese Chance erhalten würden und dass dies alles so schnell gehen würde?
Um ehrlich zu sein, wusste ich in dem Moment, als ich die Bewerbungen weggeschickt habe, überhaupt nicht, was ich erwarten sollte. Ich hoffe, dass jetzt auch weitere Leute sehen werden, dass es gar nicht einmal unmöglich ist, als luxemburgischer Coach im Ausland unterzukommen. Bamberg war von allen Vereinen, die ich angeschrieben habe, sogar die interessanteste Option. Es ist ein Verein, der deutscher Meister war, Euroleague und Eurocup gespielt hat. Es ist eine Stadt, die unheimlich basketballverrückt ist: Nicht umsonst wird sie als „Freak City“ bezeichnet. So heißt ja auch die Jugendakademie. 17 Basketballvereine in der Region arbeiten alleine auf Brose Bamberg zu. Von den Bedingungen her ist es wirklich ein Basketball-Pardies.
Wissen Sie denn schon, welche Aufgaben auf Sie zukommen werden?
Ich werde Head-Coach der U13 und U14 sein. Hier geht es darum, die Spieler darauf vorzubereiten, später in der Jugendbundesliga, der U16, zu spielen. Vor allem die ganze mentale Arbeit steht im Fokus, damit sie bereit sind, Leistungssportler zu werden. Gleichzeitig kümmere ich mich auch um die Rekrutierung, gemeinsam mit allen Partnervereinen der Region, damit es eben die stärksten Spieler hoch schaffen. Ein Aufgabenbereich ist auch das Individualtraining bei der U14, U16 und U19, mit den Spielern, die im Internat sind.
War es auch diese Polyvalenz, die Sie für Bamberg im Endeffekt so interessant gemacht hat? Bei der Sparta waren Sie ja als Hauptverantwortlicher für den Jugendbereich eigentlich für alles verantwortlich.
Ich glaube schon, dass dies für sie interessant ist, auch weil ich eine gewisse Erfahrung besitze. Ich habe ja nicht nur im Jugendbereich gearbeitet, sondern etwa auch die Herrenmannschaft von Bascharage trainiert. Dann spielt bestimmt auch die sportliche Leitung in Bartringen, die Entwicklung von Konzepten, eine Rolle, da mit einem Leitfaden von den ganz Kleinen bis zu den Großen durchgearbeitet wurde, was wir in diesem Jahr mit Herrentrainer Chris Wulff zum ersten Mal perfekt umsetzen konnten. Hinzu kommt die pädagogische Ausbildung als Lehrer. Sie hatten mich sogar gefragt, ob ich mit meinem Profil nicht viel eher Richtung Herrenmannschaft schielen würde. Mir geht es aber vor allem darum, den Basketball weiterzubringen, in dem Bereich zu arbeiten, in dem ich ausgebildet wurde, und das ist nun einmal der Jugendbasketball.
Wie war denn die Reaktion in Bartringen? Tut es dem Klub nicht leid, Sie gehen zu sehen?
Die Leute in Bartringen, die mich gut kennen, wussten, dass ich irgendwann einmal etwas anderes tun würde, weil ich einfach nach einer längeren Zeit Veränderungen benötige. Sie waren wie ich auch überrascht, dass es so schnell ging, doch ich bin von der ersten Sekunden an transparent mit der Sache umgegangen, sodass sie sich darauf vorbereiten konnten. Auch meine Spieler wussten sofort Bescheid.
In den letzten Jahren trug die Nachwuchsarbeit der Sparta immer mehr ihre Früchte, in die erste Mannschaft werden immer mehr Eigengewächse integriert, ihre Cadets-Mannschaft dominierte in den letzten Jahren die Liga. Sie können sicherlich mit einem guten Gefühl nach Bamberg gehen …
Die Mannschaft, die in diesem Jahr bei den Cadets den Pokal gewonnen hat, besteht aus zwei Spielern, die im ersten Cadets-Jahr, sind sowie Scolaires-Spielern. Sie sind also viel jünger als die Gegner. Wir haben eigentlich das U18-Finale mit 15-Jährigen gespielt. Zehn Spieler aus dem erweiterten Kader sollen im nächsten Jahr langsam an die erste Mannschaft herangeführt werden. Mit Dorian Grosber geht der mit dem größten Potenzial in der kommenden Saison zu ALBA Berlin, was natürlich auch ein Zeichen für die Ausbildung im Verein ist. Das Gefühl ist natürlich sehr positiv. Ich muss aber auch sagen, dass ich nie ein Team hatte, das mit diesem Willen und dieser Ernsthaftigkeit an die ganze Sache herangegangen ist. Die Corona-Zeit hat uns zusammengeschweißt, wir haben teilweise im Schnee trainiert, als die Hallen geschlossen waren. Am Ende hatten wir nicht einen Spieler verloren. Auch die Auswärtsreisen spielen da eine entscheidende Roll. Man muss sich nur vorstellen, dass wir sogar gegen ein Team wie das litauische Žalgiris Kaunas gewonnen haben. Dennoch muss man mit ihnen Geduld haben: Sie sind so jung, von ihnen wird niemand im nächsten Jahr die LBBL aufmischen.
Was hat die Sparta in Ihren Augen in den letzten Jahren anders gemacht als die restlichen Vereine in Luxemburg?
Der Hauptunterschied ist einfach eine detaillierte, langfristige Betreuung der Spieler. Das ist natürlich ein extremer Aufwand. Da gibt es zum einen die Auslandsreisen, die wichtig sind, damit die Spieler merken, dass dort ein ganz anderes Level herrscht. Gleichzeitig wird auch auf athletischer Ebene genau geschaut, dass sich die Spieler ab der U14 optimal entwickeln können, dies unter den gleichen Trainern. Es wird aber auch über Ernährung gesprochen, über Verhalten, was eines der Hauptthemen ist. Wie verhalte ich mich, damit ich Sport auf diesem hohen Level umsetzen kann? Wie organisiere ich mich in der Schule? Wir bieten sogar Nachhilfe für Schüler an, die hier Probleme haben. Wenn dieses Rundherum funktioniert, dann kann man sich ganz auf Basketball konzentrieren und bekommt auch viel Unterstützung von den Eltern. So kann man optimal arbeiten. Dies alles führt dazu, dass auch der Drop-out sehr gering ist.
Sie haben Dorian Grosber angesprochen, ein außergewöhnliches Talent in Luxemburg. Haben Sie ihn anders gefördert?
Ich hatte Dorian bereits in der fünften Klasse als Lehrer. Er ist mich auch nicht losgeworden, denn zwei Jahre später wurde ich sein Minis-Trainer. Man hat bereits früh gemerkt, dass er von der Athletik her jemand ist, der ein großes Talent sein kann. Als er älter wurde, hat man gesehen, dass er von der Mentalität, dem Talent und der Athletik her auf einem Level ist, das höher ist als das, was wir in Luxemburg sonst sehen. Mit 13 Jahren war er schon zwei Stunden vor dem Training da, hat Hütchen aufgestellt und von sich aus Dribbelübungen gemacht. Von dem Moment an habe ich mit ihm zweimal die Woche Individualtraining gemacht, er hat auch vom Athletiktrainer individuelle Förderung bekommen. Mehr als andere, weil wir gesehen haben, dass er jemand ist mit „high potential“.
Ich konnte mir nicht vorstellen die nächsten 30 Jahre ständig das Gleiche zu tun, sei es nun im Berufsleben oder im Basketball. Diese Chance musste ich einfach wahrnehmen.
Sie haben so viel in den Jugendbereich bei der Sparta investiert. Hat es Sie nie interessiert, auch beim Verband hier tätig zu sein?
Ich war 2012 kurz Assistant-Coach der U18, doch danach kam nichts mehr. Es ist nicht so, dass mich das nicht interessiert hätte, doch ich bin einfach jemand, der seinen Mund nicht hält und akzeptiert, wie es im Moment läuft. Ich habe den Verband oft kritisiert. Ich glaube, ich wäre ein unbequemer Geselle, wenn sie mich als Jugenddtrainer engagiert hätten. Leider hat sich in den letzten 20 Jahren, was die Jugendkader betrifft, nur wenig verändert. Das Einzige, was sich verändert hat, ist, dass man vor Jahren mit den Jungen-Teams noch darum gekämpft hat, in die Top acht zu kommen, und jetzt kämpft man darum, in einer B-Division zu bleiben. Wenn man die Möglichkeiten von Luxemburg sieht, dann darf man sich damit nicht zufriedengeben.
Was müsste sich denn genau ändern?
Ab der U16 müssen Spieler zweimal die Woche zum Kadertraining gehen, dies jede Woche. Damit können Vereinstrainer ihre Spieler auch nur ein- bis zweimal die Woche sehen. Damit bekommt man aber weder Teamspirit noch das ganze Außerbasketballerische oder das Athletische koordiniert, noch sind Erholungsphasen so, wie es die Spieler eigentlich benötigen. Wenn dann auch die Trainer häufig wechseln, was beim Verband ebenfalls der Fall war, und bis zu 30 Spieler beim Training sind, dann stellt man natürlich die ganze Philosophie infrage. Beim Verband müsste man viel individueller arbeiten, mit den Vereinen zusammenarbeiten, in die Klubtrainings hineinkommen. Dann hätte man auch mehr Klubs, die eine bessere Jugendarbeit machen würden. Die Vereine müssten einfach viel mehr unterstützt werden, ihre Strukturen zu verbessern.
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