Radsport / Kevin Geniets vor dem Vuelta-Start am Samstag: „Bin physisch und mental fit“
In Lissabon geht Kevin Geniets am Samstagnachmittag an den Start des Einzelzeitfahrens über zwölf Kilometer, das zum Auftakt der 60. Ausgabe der Vuelta Ciclista a España (2.UWT) gefahren wird. Wie bei seiner bislang einzigen Teilnahme im Jahr 2021 wird der 1,93 m-Athlet wieder gut erkennbar im Rot-Weiß-Blauen Trikot unterwegs sein. Der 27-Jährige, der die Tour de France am 21. Juli in Nizza als 58. der Gesamtwertung beendet hat, wird damit seine zweite Grand-Tour in dieser Saison bestreiten. Das Tageblatt hat beim Teamkollegen von David Gaudu, der seinen Kontrakt mit seinem Arbeitgeber Groupama-FDJ vor kurzem um drei Jahre verlängert hat, über seinen Formzustand, seine Ambitionen und die seines Teams nachgefragt. Neben dem Landesmeister wird auch Michel Ries (Arkéa-B&B Hotels) die 21 Etappen, davon neun Bergankünfte, mit insgesamt 3.305 km in Angriff nehmen.
Tageblatt: Die Strapazen der Tour de France scheinen Sie gut verkraftet zu haben, da Sie gleich die nächste große Herausforderung auf sich nehmen. Wie haben Sie sich auf die Vuelta vorbereitet?
Kevin Geniets: Als wir festgestellt haben, dass meine Form zu Beginn der letzten Tour-Woche noch richtig gut war, wurde die Entscheidung getroffen, dass ich auch bei der Vuelta starten werde. Das war mit der Mannschaft bereits im Vorfeld so abgemacht. Mental war ich demnach vorzeitig darauf vorbereitet, dass nach der Tour keine Ferien auf dem Programm stünden. Nach der Tour habe ich eine kurze Pause von einer Woche eingelegt. Danach habe ich das Training bei mir zu Hause in Annecy wieder aufgenommen, zunächst etwas lockerer. In den letzten anderthalb Wochen waren die Einheiten dann intensiv, ähnlich wie bei einem Trainingslehrgang.
Wie verläuft der Heilungsprozess nach dem Bruch Ihres Handgelenks, den Sie sich beim Sturz auf der Abschluss-Etappe von Paris-Nice zugezogen hatten?
Bei der Tour bin ich mit einer kleinen Schiene gefahren. Mittlerweile geht es auch ohne. Die Hand heilt jedoch nicht so gut, wie wir uns das erhofft hatten. Ich habe kaum noch Schmerzen, spüre aber, dass etwas nicht normal ist. Im Prinzip werde ich nach der Vuelta operiert. Wenn ich gut aus der Vuelta herauskomme, wäre ich stark motiviert, um bei der Weltmeisterschaft dabei zu sein. Ich bin in ständigem Kontakt mit Jempy (Drucker). In zwei Wochen werden wir mehr wissen.
Ein Start bei der Tour de Luxembourg, die in der Woche davor gefahren wird, kommt demnach nicht infrage?
Nein. Irgendwann muss ich mich auch etwas ausruhen.
Es ist das erste Mal, dass Sie zwei Grand Tours in einer Saison bestreiten. Haben Sie keine Bedenken wegen der anstehenden Strapazen?
Ich hatte mir vorgenommen, einmal in meiner Karriere zwei Grand Tours hintereinander zu bestreiten. In diesem Jahr passt es optimal, da ich zu Beginn der Saison, aufgrund meiner Verletzung, nur sehr wenig gefahren bin. Obschon während der Vuelta eine Menge Rennen stattfinden, die mir entgegenkommen, habe ich den Entschluss gefasst, es in diesem Jahr zu probieren, unter der Bedingung, dass ich besser aus der Tour kommen würde als im vergangenen Jahr. Beim Training in den letzten Tagen lief es sehr gut. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich im Hinblick auf die kommenden Wochen, da ich sowohl physisch als auch mental fit bin.
Wie gut ist Ihr Team aufgestellt und mit welchen Ambitionen geht Groupama-FDJ an den Start?
Wir gehen mit einer starken Mannschaft ins Rennen. Wenn man bedenkt, dass wir mit vier Fahrern an den Start gehen, die bei der Tour de France dabei waren, dann ist klar, dass wir die Vuelta mit hohen Ambitionen in Angriff nehmen. Es wird darauf ankommen, wie gut David (Gaudu), der eine vordere Platzierung in der Gesamtwertung anstrebt, drauf sein wird. Ein Etappensieg soll für uns ebenfalls herausspringen. Die Zielsetzungen sind demnach die gleichen wie bei der Tour.
Mein Ziel ist es, aggressiv zu fahren und zu versuchen, jede Möglichkeit zur Flucht nach vorne zu nutzen, um dies dann in ein großes Resultat umzusetzen.über sein persönliches Ziel
Werden Sie versuchen, diesen Sieg über eine erfolgreiche Fluchtgruppe zu erreichen, da das Team keinen Sprinter in seinen Reihen habt?
Das Streckenprofil ist extrem anspruchsvoll. Eigentlich gibt es lediglich zwei Etappen, wo die Entscheidung im Sprint fallen dürfte. Bei der Frankreich-Rundfahrt sind nur sehr wenige Ausreißergruppen durchgekommen. Normalerweise müsste die Vuelta in dieser Hinsicht etwas offener sein.
Werden Sie die Möglichkeit haben, Ihre persönlichen Karten auszuspielen?
Ich habe ziemlich freie Hand. Das war auch schon, mehr als in den Jahren zuvor, bei der Tour der Fall. Mein Ziel ist es, aggressiv zu fahren und zu versuchen, jede Möglichkeit zur Flucht nach vorne zu nutzen, um dies dann in ein großes Resultat umzusetzen. Es hängt allerdings nicht immer alleine von dir ab, ob du den Sprung nach vorne schaffst und am Ende ein Etappensieg herausspringt.
Gibt es in dieser Hinsicht einen Unterschied zur Tour de France?
Es ist genauso schwer bei der Vuelta, in eine Fluchtgruppe zu kommen. Den Unterschied zur Tour macht die Tatsache, dass Tadej Pogacar nicht dabei sein wird. Wenn er entscheidet, dass er die Etappe gewinnen will, dann fährt sein Team das Loch zu den Ausreißern zu. Deswegen hoffen wir darauf, dass bei der Vuelta mehr Ausreißergruppen durchkommen. Als französische Mannschaft standen wir bei der Tour zudem unter einem besonderen Leistungsdruck. Diesen Stress werden wir in Spanien weitaus weniger verspüren.
Die „Grossen Drei“ Tadej Pagacar (UAE Team Emirates), Remco Evenepoel (Soudal Quick-Step) und Jonas Vingegaard (Team Visma-Lease a Bike) sind nicht am Start. Welchen Rennverlauf erwarten Sie und wer ist Ihr Favorit auf den Gesamtsieg am 8. September in Madrid?
Wie gesagt, ohne Pogacar wird es ein anderes Rennen. Wenn er sagt, dass er eine Etappe gewinnen will, dann gibt es kaum Zweifel daran, dass er das auch mit Hilfe seines starken Teams umsetzen wird. Für die Leader der Mannschaften, die bei der Vuelta dabei sind, ist es nicht möglich, dies in ähnlicher Art und Weise umzusetzen. Deshalb ist mit einem weitaus offeneren Rennverlauf zu rechnen. Dies gilt sowohl für den Verlauf der einzelnen Etappen als auch für den Kampf um den Gesamtsieg. Nichtsdestotrotz ist UAE gut aufgestellt, genauso wie eine Reihe weiterer Teams. Das Leistungsniveau bei einer Grand Tour ist immer sehr hoch, da sämtliche Fahrer gut vorbereitet an den Start gehen.
Comeback nach Tour-Drama: Roglic greift wieder an
Primoz Roglic ist zurück. Nach seinem schmerzhaften Tour-Aus greift der Kapitän von Red Bull-Bora-hansgrohe bei der Vuelta nach einem Rekord.
Für den Slowenen steht bei der Vuelta, seiner Lieblingsrundfahrt, einiges auf dem Spiel. Etwas mehr als einen Monat nach dem dramatischen Aus bei der Tour de France, als der Kapitän von Red Bull-Bora-hansgrohe mehrmals stürzte und die Mission Gelb letztlich scheiterte, soll Roglic wieder um den Gesamtsieg mitfahren.
Wenn die Vuelta am Samstag in Portugals Hauptstadt Lissabon mit einem Einzelzeitfahren beginnt, fehlen die größten Namen aber. Der Giro- und Toursieger Tadej Pogacar, der Tour-Zweite Jonas Vingegaard sowie Doppel-Olympiasieger Remco Evenepoel verzichten auf die Rundfahrt. Roglic könnte somit ein Mann aus der zweiten Reihe am gefährlichsten werden. Vor allem das UAE-Team besticht durch eine enorme Breite. Mit Marc Soler, João Almeida, Adam Yates und Toptalent Isaac del Toro ist der Mannschaft auch ohne Pogacar alles zuzutrauen. Visma-Lease a bike, das im vergangenen Jahr das komplette Podium der Gesamtwertung stellte, schickt Vorjahressieger Sepp Kuss und Alleskönner Wout van Aert ins Rennen. Die insgesamt 3.304,6 km von Lissabon nach Madrid haben es in sich. Gleich neun der 21 Teilstücke enden mit Schlussanstiegen. Den Höhepunkt bildet die 20. Etappe mit zwei Bergen der dritten Kategorie, zwei der zweiten sowie drei der ersten, bevor die Vuelta wie schon die Tour mit einem Einzelzeitfahren endet. (SID)
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