Tour de France / Kohlenmonoxid als Tour-Treibstoff? Pogacars Dominanz wirft Fragen auf
Der Gebrauch von Kohlenmonoxid-Technik ist ein neuer Trend im Profi-Radsport. Die Teams der Topstars Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard sind mit dem Thema durchaus vertraut.
Tadej Pogacar gab sich angemessen ahnungslos. Kohlenmonoxid? „Als ich davon hörte, habe ich an Auto-Abgase gedacht. Also das, was aus dem Auspuff kommt“, sagte der ansonsten dauersmarte slowenische Radsport-Star: „Also, ich weiß darüber wenig und kann es deshalb nicht kommentieren. Vielleicht bin ich aber nur ungebildet.“
Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Denn „Kohlenmonoxid“ ist zu einer der zentralen Vokabeln der dritten Woche der Tour de France geworden. Nachdem das US-Portal Escape Collapse über den Einsatz von Kohlenmonoxid-Kreislaufgeräten im UAE-Team von Tour-Spitzenreiter Pogacar und in der Visma-Equipe von Titelverteidiger Jonas Vingegaard berichtet hatte, räumten beide Mannschaften den Gebrauch ein. Und seitdem läuft die Debatte, ob die Gerätschaften zu Testzwecken oder doch zur Leistungssteigerung eingesetzt werden. Denn beides ist möglich.
Pogacar jedenfalls ruderte mit einem Tag Verspätung per „Ach so“-Ansprache zurück. Im ersten Anlauf habe er die Frage missverstanden, bedauerte Pogacar, und besitze sehr wohl übersichtliche Kohlenmonoxid-Erfahrungen. „Das ist ein einfacher Test, mit dem man messen kann, wie man im Höhentrainingslager auf die Höhe reagiert“, sagte er: „Man bläst eine Minute in einen Ballon, dann sieht man den Hämoglobin-Wert. Und dann wiederholt man das nach zwei Wochen.“
Simuliertes Höhentraining
Pogacar habe aber nur den ersten Test absolviert: „Die Frau, die das machen sollte, ist beim zweiten Mal einfach nicht mehr erschienen.“ Nun ja. „Auf jeden Fall ist es nicht so, dass wir jeden Tag in irgendwelche Pfeifen pusten.“
Laut Escape Collective lassen sich Kohlenmonoxid-Kreislaufgeräte aber auch anders nutzen: um Kohlenmonoxid einzuatmen. Dies steigert die Fähigkeit der maximalen Sauerstoffaufnahme, ein simuliertes Höhentraining also.
Die Ärztezeitung berichtete 2020 von einer US-Studie. Drei Wochen lang inhalierten Probanden fünfmal täglich Kohlenmonoxid. Ergebnis: „Die Hämoglobinmasse stieg kontinuierlich um knapp fünf Prozent. Die Zunahme blieb in den folgenden drei Wochen bestehen.“ Ein feines Ergebnis für einen Ausdauersportler. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat das Thema im Blick, verboten ist das Prozedere derzeit nicht.
Selbst wenn Pogacar und Co. nicht nur testpusten, hätte die Tour keinen Dopingskandal. Sondern nur einen weiteren Hinweis darauf, dass sich Spitzenteams weiter in ethischen und medizinischen Grenzbereichen bewegen. So wie beim Thema Ketone, als Nahrungsergänzungsmittel umstritten, aber als Ausdauer-Booster beliebt.
„Eine Dominanz, die Fragen aufwirft2
Ketone, Kohlenmonoxid – Kredibilität: Nach der zügellosen Medizinschlacht um die Jahrtausendwende kämpft der Radsport weiterhin um Glaubwürdigkeit. Und diese wird durch die neuen Diskussionen nicht gesteigert. Zumal Pogacar bei der laufenden Tour groteske Wattwerte erreicht und – wenngleich nicht immer hundertprozentig vergleichbare – Kletterrekorde zerschmettert, die von Marco Pantani oder Lance Armstrong gehalten wurden. Bei aller technischen Evolution: bemerkenswert.
„Eine Dominanz, die Fragen aufwirft“, titelte das Tour-Mutterorgan L’Equipe nach Pogacars Pyrenäen-Gala. Fragen, die Pogacar schon aus dem Grund stets begleiten, weil sein UAE-Teamchef Mauro Gianetti und Teammanager Matxin Fernandez einst in den Nullerjahren das hochgradig manipulierende Saunier-Duval-Team leiteten.
Pogacar dozierte am zweiten Ruhetag darüber, dass zur Entwicklung im Radsport eine veränderte Essenskultur gehöre, dass ein „normales Frühstück“ mit Pfannkuchen oder Brot nun wieder serviert werde: „Ich denke, diese kleinen Sachen machen schon einen Unterschied, dass man keine Pasta mehr am Morgen essen muss.“
Pfannkuchen statt Kohlenmonoxid also als Erfolgsgeheimnis. Und damit zurück zum Sport. (SID)
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