Nationalspieler und Benfica-Profi / Leandro Barreiro: „Ohne meine Eltern wäre nichts von dem, was ich erreicht habe, möglich gewesen“
Kurz vor dem Nations-League-Doppeltermin gegen Bulgarien (Samstag) und Weißrussland (15. Oktober) wurde Leandro Barreiro von sportspress.lu-Partner BIL noch einmal als „Sportler des Jahres 2023“ geehrt. Im Interview spricht der Nationalspieler und Benfica-Profi über die Beziehung zu seinen Eltern, den Sprung von Mainz nach Lissabon und die Gefühlslage in der Nationalmannschaft.
Normalerweise werden im Fußball Offensivspieler ausgezeichnet, was bedeutet es für Sie als „Arbeiter“ einen solchen Preis zu bekommen?
Leandro Barreiro: Das ist ein positives Zeichen. Es ist ein Preis für alle Sportler und nicht nur für Fußballer. Eine Auszeichnung, die ich bekommen habe für die Arbeit, die ich in meinen Mannschaften geleistet habe. Ohne meine Teamkollegen wäre ich nicht hier, deshalb ist es auch irgendwie eine kollektive Auszeichnung. Das macht mich glücklich.
Sie sind erst der fünfte Fußballer, der sich in der fast 70-jährigen Geschichte dieser Wahl Luxemburgs Sportler des Jahres nennen darf. Was bedeutet Ihnen diese Zahl?
Sehr viel. Wenn man darüber nachdenkt, bekommen nicht oft Fußballer den Preis, da es in Luxemburg sehr viele Sportler gab, die gute Leistungen erbracht haben. Es macht mich glücklich zu sehen, dass meine Leistungen so gut aufgenommen wurden und die Leute denken, dass ich diesen Preis verdiene.
War 2023 – das Jahr, für das Sie ausgezeichnet wurden – das beste Jahr in Ihrer Karriere?
Um diese Frage zu beantworten, müsste ich mich erst einmal 30 Minuten hinsetzen und meine Karriere Revue passieren lassen. 2023 war ein Jahr mit Höhen und Tiefen, insgesamt würde ich es aber als sehr positiv beschreiben.
Ihre Eltern sind heute (gestern) bei der Ehrung auch dabei. Welchen Stellenwert haben Ihre Mutter und Ihr Vater in Ihrem Leben?
Ohne meine Eltern wäre nichts von dem, was ich erreicht habe, möglich gewesen. Ich könnte zwei Stunden über die Opfer reden, die sie für mich gebracht haben. Sie haben mich immer unterstützt, damit ich mich auf Fußball konzentrieren konnte. Meine Eltern haben mich gut erzogen, mir beigebracht, worauf es ankommt, wenn man etwas erreichen möchte. Ich bin sehr dankbar für ihre Liebe und Unterstützung, die ich auf meinem Weg immer spüren konnte. Meine Eltern sind sehr stolz auf das, was ich im Fußball erreicht habe. Noch stolzer macht es sie aber, wenn die Leute gut über mich als Mensch reden. Für sie ist der Charakter und die Persönlichkeit das Wichtigste.
Durch Ihren Wechsel von Mainz 05 zu Benfica Lissabon ist die Familie nun weiter weg. Spielt das eine Rolle in Ihrem Alltag?
Ich gehe eigentlich ganz gut mit dieser Situation um. In Portugal habe ich auch Verwandtschaft und meine Eltern besuchen sich sehr oft in Lissabon. Das bekommen wir bisher sehr gut hin.
Durch die Champions League und die Länderspiele sitzen Sie mittlerweile häufiger im Flugzeug als noch zu Mainzer Zeiten. Wie gehen Sie damit um?
Es war immer mein Ziel, international zu spielen, und reisen gehört halt dazu. Das stört mich überhaupt nicht. Ich bin sehr glücklich, auf diesem Niveau angekommen zu sein. Ich liebe es, alle drei Tage zu spielen. Dadurch, dass wir öfter spielen und weniger trainieren, hat man einen ganz anderen Rhythmus.
Im Sommer sind Sie vom beschaulichen Mainz in die Metropole Lissabon umgezogen. Wie groß war die Umstellung?
Im April hatte ich zwei Tage Zeit, um nach Lissabon zu fliegen und mir anzuschauen, wo ich in Zukunft leben werde. Wegen meiner Verwandtschaft war ich in den vergangenen Jahren mehrmals in der Stadt, sodass Lissabon für mich keine Unbekannte war. Klimatisch gesehen ist der Wechsel eine positive Veränderung. Ich habe auch nicht lange gebraucht, um mich in Lissabon wohl zu fühlen. Ich beherrsche die Sprache und da die Fußballwelt klein ist, findet man immer irgendwelche gemeinsame Nenner mit den neuen Teamkollegen. Dadurch entstehen Gesprächsthemen und man lernt sich nach und nach besser kennen. Ich hatte überhaupt keine Anpassungsprobleme.
Können Sie mittlerweile noch in den Supermarkt gehen, ohne erkannt zu werden?
In Mainz war alles sehr beschaulich und ruhig. Die Leute haben sich gefreut, einen Spieler zu sehen, wollten dann auch mal ein Foto, hatten aber immer eine gewisse Distanz. In Lissabon läuft alles anders, da die Anhänger den Klub noch mehr leben. Bisher hatte ich aber noch keine Probleme, vor die Tür zu gehen. Ich kann ohne Probleme zum Strand oder ins Restaurant gehen. Und wenn die Leute mich dann erkennen, sind die Begegnungen sehr positiv. Sie freuen sich, dass ich hier bin, und beglückwünschen mich.
Hat sich Ihr Status in Luxemburg durch den Wechsel verändert?
Ich bin nicht viel unter Leuten. Wenn ich hier bin, dann bin ich ja meistens mit meinen Teamkollegen zusammen, die ich schon seit Jahren kenne. Bei ihnen bin ich einfach nur Leo. Ob ich in Mainz spiele oder in der Champions League, spielt da keine Rolle. Ich habe mich auch selbst nicht verändert. Außenstehende Leute sehen mich vielleicht anders, weil ich jetzt bei Benfica spiele. Aber das bekomme ich alles nur sehr wenig mit, da ich in Luxemburg nur wenig Zeit habe, irgendwas anderes neben dem Fußball zu unternehmen. Wenn ich Fotos mit den Fans mache und mit ihnen ins Gespräch komme, merke ich aber schon, dass sie mich mögen. Das war aber auch zu Mainzer Zeiten so.
Die Nationalmannschaft hatte ein erfolgreiches und bewegtes Jahr hinter sich, ist aber jetzt mit zwei Niederlagen in die Nations League gestartet. Wie ist die Gefühlslage vor den Duellen gegen Bulgarien und Weißrussland?
Beim Playoff-Spiel gegen Georgien im vergangenen März hatten wir den Peak des luxemburgischen Fußballs erreicht. Und es ist fast schon nochmal, dass es nicht immer so weiter gehen kann. Wir sind kurz vor einem großen Ziel gescheitert, und jetzt muss man uns die Chance geben, an unserem nächsten Ziel zu arbeiten. Für mich persönlich und für die meisten meiner Teamkollegen war es sehr hart, diese Enttäuschung zu verdauen. Dieser Prozess nimmt Zeit in Anspruch. Bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger. Unbewusst hat dieses Gefühl vielleicht noch eine Rolle in den Spielen gegen Nordirland und Weißrussland gespielt. Das soll jedoch keine Entschuldigung für unsere Leistung sein. Wir müssen versuchen, uns auf die positiven Dinge zu konzentrieren und einige Sachen diesmal besser zu machen. Unsere Ansprüche sind gestiegen. Uns muss wieder bewusst werden, zu was wir fähig sind, wenn wir alle an unser Leistungslimit gehen.
Nichts über Benfica
Interviews mit Leandro Barreiro sind etwas seltener. Der Mittelfeldspieler wählt seine medialen Auftritte genau aus. Auch am Dienstag durfte nicht jedes Thema angesprochen werden. Sein Verein hatte dem 24-Jährigen mit auf den Weg gegeben, dass er Interviews machen darf, wenn nicht über Benfica geredet wird.
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