Interview / LIHPS-Direktor Alwin de Prins über ein Jahr Pandemie: „Manchmal musste man sehr kreativ werden“
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Alwin de Prins und das LIHPS sorgten in den vergangenen zwölf Monaten dafür, dass Elitesportler auch während der Pandemie trainieren konnten
Herausforderung ist das Stichwort für Luxemburgs Eliteathleten, wenn es um die Pandemie geht. Vor einem Jahr stellte sich ihnen nämlich eine ganz neue Hürde: Sport unter Corona-Bedingungen. Im Tageblatt-Interview blickt Alwin de Prins, Direktor des LIHPS (Luxembourg Institute for High Performance in Sports), auf zwölf Monate Pandemie zurück.
Tageblatt: Wie hat sich Ihre Arbeit vor einem Jahr mit dem ersten Lockdown verändert?
Alwin de Prins: Im ersten Lockdown mussten wir uns alle anpassen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir Covid eigentlich noch nicht richtig verstanden. Wir wussten nicht genau, wo die Risiken liegen. Wir haben aber relativ schnell versucht, uns flexibel anzupassen und den Sportlern die Möglichkeit zu bieten, trotzdem zu trainieren. Wir haben versucht, das Krafttraining zu ihnen nach Hause zu verlagern. Über Zoom haben wir sie auf einer psychologischen Ebene begleitet und auch den verletzten Athleten haben wir so Übungen für zu Hause gezeigt. Wir haben versucht, die Sportler so viel wie möglich zu unterstützen und sie weiter zu begleiten. Es gab in dieser Zeit viel Solidarität und jeder hat die Situation verstanden.
Die Elitesportler, die es gewohnt sind, im Hochleistungszentrum zu trainieren, mussten auf einmal alles von zu Hause aus machen. Was war dabei die größte Herausforderung?
Die größte Herausforderung bestand aus zwei Aspekten. Einerseits die mentale Ebene: Es gab keine Wettbewerbe und das gewohnte Training war nicht mehr möglich. Dies hat sowohl bei professionellen als auch bei semi-professionellen Athleten zu einer großen Unsicherheit geführt. Die Ziele, auf die sie hingearbeitet haben, sind weggefallen. Für unsere Experten in der Sportpsychologie war es eine Herausforderung, ihnen trotzdem irgendwie Ziele zu setzen.
Andererseits gab es auch viele praktische Herausforderungen. Es gibt Sportler, wie zum Beispiel Mittel- oder Langstreckenläufer, die relativ gut weitertrainieren konnten, da sie einfach rausgehen durften. Schwimmer hatten es beispielsweise viel schwerer. Ihnen fehlte das Wasser, was ein großes Problem war. Wir haben mit verschiedenen Mitteln versucht, zu helfen, sodass sie wenigstens ihr Krafttraining machen konnten. Unsere Experten haben sich mit den Sportlern in Verbindung gesetzt und mit ihnen zusammen geschaut, welche Mittel ihnen zur Verfügung standen. Manchmal musste man sehr kreativ werden und es musste mit Wasserflaschen trainiert werden.
Es gab aber auch eine große Nachfrage bei unseren Ernährungsberatern. Wie soll sich ein Sportler, der seine Trainingsintensität runterfährt, ernähren? Dann gibt es aber auch noch den Bereich Sportmedizin und Krankengymnastik. Auch da haben unsere Spezialisten versucht, über Videokonferenz weiterzuhelfen. Wir waren alle gefordert, um Lösungen zu finden.
Sie haben die mentale Belastung bereits angesprochen, da mit den Wettbewerben auch die Ziele weggefallen sind. Das LIHPS bietet auch psychologische Unterstützung an, hat Sportpsychologie durch die Pandemie eine wichtigere Rolle eingenommen?
Ich glaube nicht, dass diese jetzt eine größere Rolle spielt. Ich würde eher sagen, dass die Richtung sich geändert hat. Es ist klar, dass die normale Sportpsychologie, wie zum Beispiel „Mental Coaching“, vor einer neuen Herausforderung stand, weil es eben keine Wettbewerbe gab und im täglichen Training die Ziele fehlten. Deshalb ging es vor allem darum, an der Motivation zu arbeiten. Es ist aber nicht so, dass dieser Bereich in einer normalen Zeit weniger wichtig ist, der Fokus hat sich nur verschoben.
Gab es Sportler, die ihre Motivation verloren haben und ihre Karriere durch die Pandemie beendet haben?
Es gibt vereinzelte Sportler, die aufgehört haben. Es ist aber schwierig zu definieren, welche Gründe dazu geführt haben. Es gibt nämlich immer Athleten, die ihre Karriere beenden. Das ist normal, dafür gibt es verschiedene Gründe: neue Ziele, neue Lebensumstände, Verletzungen … Ich persönlich glaube aber, dass Athleten, die während der Pandemie aufgehört haben, auch zuvor schon den Gedanken hatten, sich anders zu orientieren. In dieser mental schwierigen Phase fiel zudem ein Teil ihres Lebensinhaltes weg und wenn zuvor bereits Zweifel bestanden, dann hat dies für den letzten Stoß gesorgt.
Elitesportler mussten gezwungenermaßen ihre Trainingsintensität aufgrund des Lockdowns herunterfahren. Wie hoch war das Verletzungsrisiko nach dieser Zeit?
Ab dem 4. Mai durften Eliteathleten wieder in der Coque trainieren, zu diesem Zeitpunkt gab es aber noch keine Wettbewerbe. Das Training konnte so von den fachspezifischen Trainern langsam wieder aufgebaut werden. In den Elitesportarten, die wir betreuen, konnte man keine Häufung von Verletzungen feststellen.
Ein interessanter Aspekt, den man hier anmerken könnte, ist aber der, dass die Pandemie auf einer rein sportlichen Ebene für Athleten, die sowieso Zeit brauchten, um sich von einer Verletzung zu erholen, gar nicht so schlecht war.
Sie konnten sich ohne Wettbewerbsdruck während mehreren Wochen auf ihre Rückkehr vorbereiten. Ein Fall, der mich persönlich besonders freut, ist Charel Grethen. Er kam aus einer sehr langen Verletzungspause. Soweit ich weiß, hat er über ein Jahr lang an keinem Wettbewerb teilgenommen. Umso spektakulär ist er zurückgekehrt, er hat seitdem einige Rekorde aufgestellt. Es gibt sicherlich keine Gewinner der Pandemie, wir sind alle Verlierer. Die zusätzliche Zeit, die er aber bekommen hat, um sich aus seiner Verletzung herauszukämpfen, war sicher von Vorteil und hat zu seinen Resultaten beigetragen.
Als die Coque am 4. Mai wieder öffnete, hat das LIHPS das Planning übernommen. Welche Maßnahmen mussten ergriffen werden?
Wir haben mit ungefähr 25 Sportlern begonnen, die wieder Zutritt erhielten. Am Anfang war alles sehr streng. Es wurden Fiebermessungen vorgenommen und quasi alles, was angefasst wurde, musste ständig desinfiziert werden. Wir haben aber auch die verschiedenen Gruppen getrennt, sodass man sich nicht zufällig über den Weg laufen konnte. Die Anzahl der Athleten, die gleichzeitig im Kraftraum trainieren durften, war zudem limitiert, genauso wie in den anderen Bereichen der Coque. Wir haben darauf geachtet, dass auch während des Ausübens des Sports die Distanz stets eingehalten wurde. Deshalb war eine detaillierte Planung nötig, die Vorsicht war sehr groß.
Inwiefern läuft heute wieder alles normal?
Vor Covid durfte das HPTRC (High-Performance Training & Recovery Centre) in der Coque frei von Athleten benutzt werden und sie konnten ihre Zeiten dort selbst bestimmen. Sie durften auch mit Trainingspartnern dort arbeiten. Dies ist heute nicht mehr möglich. Sie dürfen nur dann dort trainieren, wenn sie im Voraus einen Termin buchen. Bei den Reservierungen achten wir darauf, dass nie zu viele Leute im Kraftraum sind. Wir achten auch darauf, dass Trainer ständig ihre Masken tragen und dass Distanzen eingehalten werden. Im Bereich Distanzeinhaltung, Masken und der Anzahl der Leute, die Zutritt haben, sind wir noch genauso streng wie am Anfang. Auch die Geräte werden noch regelmäßig desinfiziert.
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