Fahrt durch die Hölle / Luxemburger Sportler und der Ukraine-Krieg
Unbekannte Straßen, unbekannte Gefahren. Die drei Luxemburger Fußballprofis Enes Mahmutovic, Olivier und Vincent Thill haben während fast 24 Stunden versucht, aus ihrer fußballerischen Heimat Ukraine zu ihren Familien nach Luxemburg zurückzukehren. Es ist eine Odyssee, die beim Schreiben dieser Zeilen noch kein Ende gefunden hatte.
Enes Mahmutovic setzte sich am Donnerstagabend gegen 22.00 Uhr in sein Auto und fuhr in Richtung polnische Grenze. Von Lwiw aus, wo der Innenverteidiger beim dortigen Profiklub PFC unter Vertrag steht, bis zum Grenzübergang sind es normalerweise rund 100 Autominuten. Seit Russland der Ukraine den Krieg erklärt hat, flüchten jedoch Tausende Ukrainer aus dem Land. Es bilden sich lange Schlangen an den Grenzübergängen. Teilweise werden nur sechs bis sieben Autos pro Stunde durchgelassen. Mahmutovic musste die Nacht im Auto verbringen und hatte auch am Freitagabend Polen noch nicht erreicht. „Der Krisenstab des Außenministeriums und Außenminister Jean Asselborn haben uns sofort ihre Hilfe angeboten. Allerdings können sie erst etwas unternehmen, sobald die Spieler EU-Boden betreten haben“, erklärt FLF-Personalchef Erny Decker, der Mahmutovic und die Thill-Brüder bei ihrer Reise durch die Ukraine unterstützt.
Dramatischer als in der Warteschlange war die Reise der beiden Brüder Olivier und Vincent Thill. Das Duo bekam am Freitag von ihrem Verein Worskla Poltawa ein Auto gestellt. Ziel war zunächst die ungarische Grenze, da der Übergang dort einfacher sein solle. Unterwegs begegneten die beiden Mittelfeldspieler Militär, von Schüssen oder gar Bombardierungen bekamen die Thill-Brüder nichts mit. Auf halber Strecke musste der Plan jedoch geändert werden, da eine Hauptverkehrsachse zerbombt worden war. Es war wahrscheinlich die Hölle für zwei Fußballer, die noch nie kriegsähnliche Zustände miterlebt haben und auch eher selten mit dem Auto in der Ukraine unterwegs sind. Weiter ging es für die 25- und 22-Jährigen in Richtung polnische Grenze, wo die lange Schlange auf sie warten wird, in der beim Schreiben dieser Zeilen noch Enes Mahmutovic verharrte. Am Freitagmorgen hatte die Autoschlange vor der polnischen Grenze eine ungefähre Länge von 40 Kilometern.
Auch S. Thill muss wohl das Land verlassen
Auch Bruder Sébastien Thill ist mittlerweile direkt vom Krieg betroffen. Nachdem Sheriff Tiraspol gegen Sporting Braga aus der Europa League flog, konnte das Flugzeug des moldawischen Meisters nicht in der Hauptstadt Chisinau landen. Am Donnerstag rief die Republik Moldau den Ausnahmezustand aus, bereits einige Stunden zuvor wurde der Luftraum gesperrt. Die Fußballer von Sheriff landeten in der rumänischen Großstadt Iasi und kehrten danach per Bus nach Tiraspol zurück. Wie lange Thill und Co. dort bleiben werden, steht jedoch nicht fest. Bereits am Samstag könnte es zur temporären Unterbrechung der moldawischen Fußball-Liga kommen. In Thills transnistrischer Heimat – in der die moldawische Regierung nicht anerkannt wird – sind seit jeher russische Soldaten stationiert. Bisher bezeichneten sie sich selbst als „Friedenstruppen“. Die Angst, dass bald aber auch russische Panzer auf moldawischem Boden stehen werden, geht in der Bevölkerung um, weshalb auch viele Moldawier derzeit nach Rumänien flüchten.
Den Umständen entsprechend gut erging es der luxemburgisch-ukrainischen Bogenschützin Mariya Shkolna, die zu Besuch bei ihren Verwandten in Lwiw war, als der Krieg ausbrach. „Mit ein bisschen Hilfe habe ich es geschafft, die polnische Grenze noch zu überqueren, bevor sich die riesigen Schlangen bildeten. Ich hatte Glück und bin jetzt auf meinem Weg zurück nach Luxemburg“, berichtete Shkolna am Freitag.
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